Bundesbank hält Finanzsektor für Kreditausfälle gerüstet
Die Kreditwirtschaft hat nach Auffassung der Bundesbank wohl genügend Kapital, um die Last in der Pandemiezeit aufzufangen. Seit der Finanzkrise habe die Branche an Stabilität gewonnen. Gleichwohl dürften einige Banken in Schieflage geraten.jsc Frankfurt – Die deutsche Kreditwirtschaft ist nach Auffassung der Deutschen Bundesbank insgesamt in der Lage, den drohenden Anstieg an Kreditausfällen zu schultern. Zwar steigen im Geschäft mit Unternehmen die jährlichen Wertberichtigungen bezogen auf den Kreditbestand in den kommenden Quartalen auf rund 0,8 % an und damit ungefähr auf das Niveau wie in der Finanzkrise, wie die Bundesbank in ihrem am Dienstag veröffentlichten Finanzstabilitätsbericht ermittelt hat. Umgerechnet auf den aktuellen Kreditbestand von 1,6 Bill. Euro käme somit auf Jahressicht eine Belastung von annähernd 13 Mrd. Euro auf das Kreditgewerbe zu, wie Bundesbankvorstandsmitglied Joachim Wuermeling in einer Pressekonferenz in Frankfurt erklärte. Doch stünden der Last umfängliche Kapitalpuffer in dreistelliger Milliardenhöhe gegenüber, die Banken in der Krise nun Spielraum bescherten. Die Reformen nach der zurückliegenden Finanzkrise zahlten sich aus, sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch. “Die Banken sind besser kapitalisiert, haben zusätzliche Kapitalpuffer und können diese flexibler nutzen.”Allerdings leite sich die Prognose der Wertberichtigungen aus historischen Daten ab und sei deshalb unsicher. Die Bundesbank rechnet auf Grundlage der Wirtschaftsprognose von Juni, die von einem Einbruch der Wirtschaft im laufenden Jahr um etwa 7 % ausgeht und für das kommende Jahr von einer Erholung um mehr als 3 %. Die Kernkapitalquote der Kreditinstitute sinkt laut Prognose über alle Institutsgruppen hinweg um 0,8 Prozentpunkte, weil zum einen der tatsächliche Kapitalbestand abfällt, zum anderen die Summe der risikogewichteten Aktiva (RWA) rechnerisch steigt.Der Druck auf die Kapitalquote könnte je nach Schärfe der Krise aber auch deutlich stärker sein: In einem “strengen” Stressszenario geht die Bundesbank von höheren Wertberichtigungen über verschiedene Wirtschaftsbranchen hinweg aus, in einem “umfassenden” Stressszenario nimmt sie zudem den Eintritt von Marktrisiken und einen Einbruch der Immobilienwerte um 30 % an. Die harte Kernkapitalquote sänke dann um 2,0 % oder gar um 2,8 %. Die Belastung wäre dann so hoch, dass Banken zur Stabilisierung ihrer Kapitalquoten die Kreditvergabe womöglich einschränkten und damit Firmen den Zugang zu Darlehen erschwerten. “Banken sollten ihre Kapitalpuffer nutzen, um Verluste aufzufangen und die Wirtschaft weiter angemessen mit Krediten zu versorgen”, appelliert Vizepräsidentin Buch an die Branche. Motor stottert, Reifen platztZwar hält die Bundesbank die nahenden Kreditausfälle insgesamt für verkraftbar – einzelne Institute könnten aber gleichwohl stärker unter Druck geraten, sagte Vorstandsmitglied Wuermeling. Die Krise belaste dabei voraussichtlich gerade Institute, die ohnehin nicht mehr besonders profitabel seien. “Es ist unschön, wenn bei stotterndem Motor auch noch ein Reifen platzt.”Verwundbar sei der Finanzsektor auf mittlere Sicht: Im Zuge der Krise sei die Verschuldung im öffentlichen und privaten Sektor gestiegen, während weiter niedrige Zinsen womöglich die Risikobereitschaft anfachten und Kreditrisiken unterschätzt, die Werthaltigkeit von Sicherheiten aber überschätzt würden. Daher behalte die Bundesbank gerade die Immobilienmärkte im Auge.Die erste Phase der Krise habe die Finanzbranche aber bereits hinter sich: Staatliche Hilfen, die expansive Politik der Notenbanken und die Erleichterungen bei den Kapitalvorgaben für Banken haben demnach eine Liquiditätsklemme in der Wirtschaft verhindert und somit auch den Finanzsektor stabilisiert. Hatten Banken im März zunächst mit Marktverlusten im Portfolio, Risikoaufschlägen im Interbankenmarkt und höheren Sicherheitsmargen im Derivate-Geschäft zu kämpfen, so habe sich die Lage an den Märkten bereits entspannt. “Anders als in der globalen Finanzkrise geht es nicht darum, das Finanzsystem selbst zu reparieren, sondern mithilfe des Finanzsystems Schäden in der Realwirtschaft zu beheben”, sagte Buch.Die Ausschüttung von Dividenden sollten Banken nach ihren Worten “begrenzen”. Einen pauschalen Dividendenverzicht empfiehlt die Bundesbank aber nicht, sondern spricht sich für eine Entscheidung nach Einzelfall aus. Mit ihrer zunächst pauschalen “Empfehlung” auf einen Dividendenverzicht im Frühjahr habe die Aufsicht auf große Unsicherheit reagiert, die sich allmählich aber lege, sagte Wuermeling. Er verstehe die Sorge von Investoren, dass sich eine Beteiligung an einer Bank ohne Ausschüttung weniger lohne. – Wertberichtigt Seite 6