Bundesbank sieht Finanzinstitute für Echtzeitzahlungen gerüstet

Anteil an gesamtem Zahlungsverkehr noch sehr gering - Experte: Wachsende Verbreitung stellt Banken-Treasurer vor Herausforderung

Bundesbank sieht Finanzinstitute für Echtzeitzahlungen gerüstet

fir Frankfurt – Die Deutsche Bundesbank sieht den Finanzmarkt gut vorbereitet für den Umgang mit Echtzeitzahlungen (Instant Payment). Eineinhalb Jahre nach Einführung des entsprechenden Regelwerks biete die große Mehrheit der Kreditinstitute in Deutschland Instant Payments an (siehe Kasten). Die Zahl der Transfers steigt demnach stetig, der Anteil von Echtzeitüberweisungen am gesamten Zahlungsverkehr sei aber auch angesichts der Tatsache, dass die meisten Banken erst seit kurzem erste Dienstleistungen auf Basis von Instant Payment anbieten, noch sehr gering, stellt die Bundesbank fest. Detaillierte Zahlen lägen ihr noch nicht vor, heißt es auf Anfrage. Die Marktakteure könnten nun erst einmal mit kleineren Volumina Erfahrungen sammeln und sich nach und nach auf die neuen Gegebenheiten einstellen, so die Einschätzung der Notenbank.Die zunehmende Verbreitung von Echtzeitzahlungen könnte Banken hingegen im Liquiditätsmanagement zu schaffen machen, gibt Sven Ludwig, Global Head of Subject Matter Experts des Finanzdienstleisters FIS, zu bedenken. Mangels zeitlichen Vorlaufs bei Überweisungen bestehe in bestimmten Situationen keine Möglichkeit mehr, auf Entwicklungen zu reagieren und Liquidität bereitzustellen. Die Institute stehen damit vor der Herausforderung, stets genügend Geld vorzuhalten, um jederzeit zahlungsfähig zu sein, d. h. auch nach Dienstschluss, am Wochenende und an Feiertagen. Gleichzeitig sollen die Liquiditätspuffer nicht zu hoch sein, da sie Kosten verursachen. FIS avanciert selbst zu einem der größten Akteure im internationalen Zahlungsverkehr, hat die in Florida beheimatete Gesellschaft doch im März angekündigt, den US-Zahlungsdienstleister Worldpay für 43 Mrd. Dollar zu kaufen.Den Startschuss für Echtzeitzahlungen gab hierzulande die HypoVereinsbank im November 2017. Die Deutsche Bank und die Genossenschaftsbanken folgten ein Jahr später, die Sparkassen sind seit Juli 2018 dabei. Stand 10. Mai sind laut Bundesbank 1 299 von 1 500 Instituten, die Überweisungen anbieten, für eingehende Instant Payments erreichbar. Seit Ende Mai biete “die überwiegende Mehrheit dieser Kreditinstitute” Instant Payments oder darauf aufbauende Produkte aktiv an, hieß es im Juni-Monatsbericht. Einfluss auf Arbeitsweise Da schwer vorhersehbar sei, wie viel Geld jederzeit abfließen kann, könnten Banken zumindest in der Anfangszeit gezwungen sein, sicherheitshalber höhere Puffer zu halten, fürchtet Ludwig. Gerade großvolumige Echtzeit-Zahlungsflüsse von Unternehmen erschwerten das Cash Management. Bei herkömmlichen Zahlungen ist das genauso wenig ein Problem wie z. B. Online-Einkäufe im großen Stil von Konsumenten an einem verregneten Wochenende. Die Beträge werden nicht unmittelbar gutgeschrieben oder belastet, sondern die Wertstellung erfolgt mit ein- oder mehrtägiger Verzögerung. Die Feiertags- und Wochenendzeiten, in denen die Bank-Treasurer nicht arbeiten, summierten sich allein auf 30 %, berichtet Ludwig. “In der Arbeitszeit muss es deshalb möglich sein, die Liquidität zu managen, und zwar so, dass Liquiditätspolster bestehen, um jederzeit den regulatorischen Vorgaben zu genügen und liquide zu bleiben, aber nicht zu hohe Puffer vorzuhalten.” Instant Payments bringen diese Arbeitsweise aber ins Wanken. Untertägige ZinszahlungenLudwig erwartet, dass vor allem die Unternehmen Druck auf Banken ausüben, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Dazu zählen seiner Ansicht nach auch untertägige Zinszahlungen. Auch wenn angesichts der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hier derzeit kein Ertrag zu machen ist, werde diese Forderung früher oder später an die Banken herangetragen, was eine zusätzliche Herausforderung für sie sei. “Für Firmen wird es sicherlich einen Unterschied machen, ob sie das Geld morgens, mittags oder abends überweisen.” Dass Überweisungen jederzeit beauftragt und ausgeführt werden können, sieht die Bundesbank als Chance für Unternehmen, ihre Liquiditätssteuerung zu optimieren und Zeit zu gewinnen, da sie Zahlungen später als bisher auf den Weg geben können.Für Finanzinstitute hingegen wachsen die Herausforderungen. Was also ist tun, wenn eine Rund-um-die-Uhr-Besetzung des Banken-Treasury keine Option ist? Ludwig kann sich die Verwendung von Smart Contracts vorstellen, Programme auf Blockchain-Basis, die auf den Liquiditätspuffer reagieren und Gelder dann transferieren, wenn bestimmte, vorher definierte Situationen eintreten, etwa indem Zahlungen dann ausgelöst werden, wenn sie sich nicht nachteilig für die Liquidität der Bank auswirken. Gebühren bremsen NutzungAls Hemmschuh in Deutschland erweise sich neben der Deckelung der einzelnen Zahlung auf 15 000 Euro die Gebührenpolitik, erklärt Ludwig. Bis zu 5 Euro pro Überweisung würden manche Institute verlangen, sei zu hören. Auch die Bundesbank bemängelt das: “Bislang werden im deutschen Kreditgewerbe sehr unterschiedliche Gebührenmodelle angewendet. In einigen Fällen stellen die Entgelte nach Ansicht von Marktteilnehmern keinen wirklichen Anreiz zur Nutzung von Instant Payment dar.” Andernorts ist man zumindest bei den Betragsgrenzen weiter: Die Briten haben sie auf 1 Mill. Pfund heraufgesetzt, die Belgier und Niederländer haben Limits für Zahlungen innerhalb ihrer Länder abgeschafft.Trotz der Starthürden bezeichnete DZ-Bank-Vorstandsmitglied Thomas Ullrich Instant Payments als “new normal”, die mittelfristig die klassischen Sepa-Zahlungen im europäischen Wirtschaftsraum ersetzen würden. Der Anbieter der europäischen Echtzeitzahlungsplattform RT1, EBA Clearing, schätzt, dass die Hälfte aller Überweisungen in drei bis vier Jahren in Echtzeit erfolgen können. FIS-Experte Ludwig geht vom Durchbruch für Instant Payment in fünf bis sieben Jahren aus.