BANKENREGULIERUNG

Bundesbank warnt vor strikterer Leverage Ratio

Vizepräsidentin Lautenschläger: Bilanzierungsgrößen sind wegen Differenzen in der Rechnungslegung nur bedingt vergleichbar

Bundesbank warnt vor strikterer Leverage Ratio

Die Deutsche Bundesbank positioniert sich in der Debatte um eine striktere Handhabung der Regeln für die Verschuldungsobergrenze von Banken. Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger warnt vor einer solchen Aufwertung der risikoinsensitiven Kennziffer Leverage Ratio.bn Frankfurt – Die Deutsche Bundesbank warnt vor einer Verschärfung der Regeln für die Obergrenze des Verschuldungshebels von Banken. In der Diskussion einiger Wissenschaftler, Politiker und mancher internationaler Institution werde “eine vermeintlich einfache Regel als Allheilmittel für bankaufsichtliche Probleme verklärt”, kritisierte Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger am Dienstag auf dem Symposium der Bundesbank. Ihrer Einschätzung zufolge ist das Paradoxe: Entweder hat man eine einfach konzipierte Leverage Ratio, die Banken nicht vergleichbar macht, oder man hat eine vergleichbare Kennziffer, deren Ermittlung aber “einigen Aufwand” erfordert.Lautenschläger bricht damit, wie zuvor der Bundesverband deutscher Banken (BdB), eine Lanze für eine am jeweiligen Risiko von Bilanzpositionen orientierte Berechnung des Eigenmittelbedarfs. Das Prinzip der Risikogewichtung ist im Zuge der Krise indes ins Gerede geraten, weil sich zum einen die mit seiner Hilfe berechneten Kapitalanforderungen als zu niedrig erwiesen haben und zum anderen die intransparente Art der Kalkulation von Risikoaktiva das Misstrauen auch von Banken untereinander verstärkt hat. Dies hat die Rufe nach verbindlicher Einführung einer Leverage Ratio lauter werden lassen. Diese Kennziffer setzt die Bilanzsumme einer Bank, unabhängig vom Risiko einzelner Positionen, ins Verhältnis zum Eigenkapital und legt für das sich daraus ergebende Vielfache eine Obergrenze fest. Ihre Verfechter argumentieren mit einer höheren Transparenz.In Europa ist die Entscheidung über die verbindliche Einführung einer Leverage Ratio per 2018 auf 2017 vertagt worden. Übergangsweise ist eine Begrenzung der Bilanzsumme auf das 33,3fache des gesamten Kernkapitals vorgesehen. Banken sollen somit 3% der Bilanzsumme an Tier-1-Kapital vorhalten.Die praktizierten Ansätze der Risikogewichtung seien “bei Weitem” nicht perfekt, konzediert Lautenschläger. Es wäre nur fatal, deswegen allein auf eine vermeintlich überlegene Leverage Ratio abzustellen. Denn in diesem Falle hätten besonders schwache Banken den Anreiz, sich mit hochriskanten Aktiva vollzusaugen. Die Leverage Ratio sei brauchbar als ein Instrument von vielen, aber sie habe auch Schwächen, meint sie.So ist ihre Kalkulation Lautenschläger zufolge bei Weitem nicht so trivial wie vielfach dargestellt. Dass die Leverage Ratio so simpel nicht sein könne, jedenfalls dann nicht, wenn sie über nationale Grenzen hinweg vergleichbar sein solle, zeige sich schon daran, dass im Baseler Ausschuss schon seit zwei Jahren über ihre konkrete Ausgestaltung diskutiert werde, argumentiert sie. Da verschiedene Länder unterschiedliche Rechnungslegungsstandards haben etwa hinsichtlich der Aufrechnung von Derivaten, sind Bilanzierungsgrößen Lautenschläger zufolge nur bedingt vergleichbar. “Und selbst wenn es den gleichen Standard gäbe, sagt die Bilanz einer Bank wenig über die eigentlichen Anlagepositionen, das eigentliche Risiko aus, da Derivate und andere außerbilanzielle Positionen unberücksichtigt bleiben”, erklärt Lautenschläger. Diese aber sollten auf die eine oder andere Art angerechnet werden, um einigermaßen vergleichbare, sinnvolle Kenngrößen zu ermitteln. Und an diesem Punkt werde es wieder kompliziert.Ein besonders buntes Beispiel, wie die Art der Bilanzierung die Kennziffer verzerren kann, bietet die Deutsche Bank: Nach den internationalen Rechnungsregeln IFRS hatte ihr Eigenkapital von 54 Mrd. Euro per Ende 2012 einen Anteil von 2,7% an der Bilanzsumme von rund 2 Bill. Euro. Dies entspricht einem Hebel von 37 und liegt über der übergangsweise vorgesehenen Grenze von 33,3. Die Bank bereinigt diese Zahl jedoch um die Saldierungsvorgaben von IFRS mit dem Argument, dies mache sie vergleichbarer mit ihren Wettbewerbern. Die haben vor allem in den USA ihren Sitz. In dieser Berechnung kommt die Bank gerade noch auf ein Vielfaches von 22. Offenbar auch in Kenntnis solcher Diskrepanzen und für US-Institute vorteilhafter Effekte war bei US-Bankenchefs angesichts des Zwists im Baseler Ausschuss über die Definition der Leverage Ratio zuletzt zu hören gewesen, jede Bank solle ihre Quote anhand des für sie gültigen Bilanzstandards berechnen. Kurios: Würde man im Falle der Deutschen Bank den Nominalbetrag ihrer Derivatekontrakte im Volumen von sage und schreibe 55,6 Bill. Euro Ende 2012 in die Bilanzsumme einbeziehen, würde sich ein Anteil des Eigenkapitals von nur mehr 0,1% sowie ein Schwindel erregender Hebel von rund 1000 ergeben.Bei allen Bedenken gegen eine striktere Handhabung der Leverage Ratio kritisiert Lautenschläger auch, dass die EU Banken bei Umsetzung von Basel III erlaubte, bei der internen Ermittlung der Mindestkapitalanforderungen für Anleihen von EU-Staaten dauerhaft den Kreditrisikostandardansatz anzuwenden und die Eigenkapitalanforderung damit auf 0% zu setzen. Sie bedauere, “dass diese Lücke wohl nicht geschlossen werden wird”. Eine am Risiko ausgerichtete Eigenmittelunterlegung von Staatsanleihen würde “mittelfristig durchaus Sinn machen”. Die Nullgewichtung von Staatsanleihen gilt als wichtiger Grund für, dass Staaten und Banken in ihrem Wohlergehen derart voneinander abhängen.