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Bundesbanker Nagel zieht es zur KfW

Von Mark Schrörs und Jan Schrader, Frankfurt Börsen-Zeitung, 6.4.2016 Es ist noch gar nicht so lange her, dass Joachim Nagel einen großen Auftritt in Diensten der Bundesbank hatte. Zusammen mit Präsident Jens Weidmann stellte das Vorstandsmitglied...

Bundesbanker Nagel zieht es zur KfW

Von Mark Schrörs und Jan Schrader, FrankfurtEs ist noch gar nicht so lange her, dass Joachim Nagel einen großen Auftritt in Diensten der Bundesbank hatte. Zusammen mit Präsident Jens Weidmann stellte das Vorstandsmitglied Ende Februar den Jahresabschluss der Bundesbank vor – bei der die deutschen Notenbanker stets Bilanz des Jahres und Position zu allen möglichen Themen beziehen, ob nun zur Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), zur Zukunft der Währungsunion oder zur Lage der Weltwirtschaft. Nun aber stehen die Zeichen auf Abschied: Nagel wird nach Informationen der Börsen-Zeitung zur KfW Bankengruppe wechseln. Es ist gut möglich, dass er schon Ende April ausscheidet und nach einer sogenannten “Cooling-off-Phase” noch vor Jahresende seinen Dienst bei der KfW antritt. Weidmann schätzt ihnDer Abgang Nagels dürfte aber kaum etwas damit zu tun haben, dass sich der 49-Jährige in der Notenbank nicht mehr wohlfühlt. Im Gegenteil: In der Vergangenheit hat er stets den Eindruck vermittelt, glücklich in seiner Rolle und mit seinen Aufgaben zu sein – und Weidmann schätzt ihn sehr. Neben der neuen Perspektive für das Bundesbank-“Eigengewächs” dürfte vielmehr eine Rolle gespielt haben, dass Nagel keineswegs sicher sein konnte, dass er eine zweite Amtszeit über Ende 2018 hinaus bekommt, da das letzte Wort der Bund und die Bundesländer haben. Bei Ex-Vorstand Hans-Helmut Kotz, der Nagel 2003 in die Bundesbankzentrale gelotst hatte, hat Nagel miterlebt, dass die Rückendeckung der Bundesbankspitze nicht immer reicht. Womöglich hat da auch noch nachgewirkt, dass Nagel 2014 im Rennen um den Posten des Vize-Präsidenten der Bundesbank den Kürzeren gezogen hatte.Bei der KfW soll Nagel zunächst als Generalbevollmächtigter einsteigen, allerdings mit der Aussicht auf einen Vorstandsposten. Dafür allerdings braucht er eine Banklizenz der Finanzaufsicht BaFin, für die er sich erst bewähren muss. Bei Ex-EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen, der Ende 2015 Anwärter auf den KfW-Posten war, ehe die Verhandlungen über Modalitäten platzten, war die Rede von 18 Monaten als Generalbevollmächtigter. Im Fall Nagels, der wie Asmussen der SPD nahesteht, könnte dieser Zeitraum ob seiner Erfahrungen und Kenntnisse im Bankgeschäft kürzer ausfallen.In seiner vorgesehenen Rolle als KfW-Vorstandsmitglied könnte Nagel den für internationale Finanzierung zuständigen Norbert Kloppenburg (59) ablösen, dessen Vertrag nach derzeitigem Stand Ende 2016 ausläuft. Schon Asmussen war für diese Rolle im Gespräch. Der neue Posten als Risikovorstand, der auch aus regulatorischen Gründen geschaffen wurde, ging hingegen bereits zu Jahresbeginn an Stefan Peiß, der schon zuvor als KfW-Bereichsleiter für die Risikosteuerung zuständig war.Mit dem zeitweiligen Rückzug des KfW-Chefs Ulrich Schröders, der wegen Krankheit kürzertrat, hat die Personalie offenbar nichts zu tun. Schröder nimmt wesentliche Aufgaben als Vorstandsvorsitzender wahr und ist auf dem Weg der Besserung, wie es heißt. Zu der Personalie Nagel wollten sich am Dienstag aber weder KfW noch Bundeswirtschaftsministerium oder Bundesbank äußern. Vielseitiger ExperteSeit Dezember 2010 gehört Nagel dem Bundesbankvorstand an. Seine Berufung war damals ein Novum: Er war der Erste, der den Sprung vom Posten des Zentralbereichsleiters – der Ebene unterhalb des Vorstands – in das Führungsgremium schaffte. Dass es dazu kam, lag auch an dem Ärger um Nagels Vorgänger, Berlins Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin – da wollte die Politik auf Nummer sicher gehen. Aber auch Nagels Expertise in Marktfragen, die weit über die Bundesbank hinaus geschätzt wird, gab den Ausschlag.Nagel war 1999 zur Bundesbank gewechselt, zunächst als Büroleiter von Kotz, der damals Präsident der Landeszentralbank in der Freien Hansestadt Bremen, in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt war. Nachdem er selbst Vorstand geworden war, holte Kotz Nagel dann in die Zentrale. Bevor er zur Bundesbank kam, hatte Nagel in Karlsruhe studiert und promoviert und unter anderem 1994 als Referent für Wirtschafts- und Finanzpolitik beim SPD-Parteivorstand gearbeitet.In Frankfurt stieg Nagel vom Referenten für Liquiditätssteuerung bis zum Zentralbereichsleiter Märkte auf. Nagel ist in seiner Rolle auch zuständig für die Kreditprüfung von Sicherheiten, die Banken für Zentralbankgeld zu hinterlegen haben, und er hat die Verwertung der Sicherheiten verantwortet, die nach der Insolvenz der Lehman Brothers Bankhaus AG (LBB) bei der Notenbank lagen.Nagel ist aktuell auch zuständig für Controlling, Rechnungswesen und Organisation – mithin also für die gesamte Bundesbankbilanz. Bis zuletzt hat er den internen Krisenstab der Notenbank geleitet und 2014 nach dem Wechsel von Sabine Lautenschläger von der Bundesbank zur EZB zeitweise kommissarisch die Bankenaufsicht verantwortet.In seiner Art ist der zweifache Familienvater eher ein ruhiger, unaufgeregter Vertreter seiner Zunft. Konflikte scheut er aber nicht. So hat er immer wieder auch öffentlich Kritik an der EZB geübt – insbesondere an der Kommunikation, mit der die Zentralbank immer neue Markterwartungen schüre.