Büroimmobilienbranche im Wandel der Zeit
Die Immobilienwirtschaft gehört zu den wichtigsten Säulen der Wirtschaft. Sie leistet einen wesentli-chen Beitrag zum Wirtschaftswachstum und trägt zu seiner Stärke bei. Insbesondere die sehr guten Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass das Umsatzwachstum in der Branche seit der Finanzkrise rasant gestiegen ist. Dazu zählen die seit zehn Jahren in Folge expandierende Wirtschaft in Deutschland und das seit mehreren Jahren bestehende Niedrigzinsumfeld in Europa. Dies führt zu einer hohen Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Immobilienanlagen, welche die Transaktionsvolumina vor allem auch in Deutschland wachsen lassen.Einen wesentlichen Beitrag zu den Transaktionsvolumina liefern Büroimmobilien, die zu den prä-gendsten Elementen einer Stadt zählen. Sie bilden den Arbeitsraum vieler Menschen – knapp 15 Millionen Personen arbeiten in Deutschland in Büros. Folglich ist diese Assetklasse als wesentliches Investmentobjekt sehr bedeutend, was sich auch im Investitionsvolumen widerspiegelt: Im Jahr 2019 erfolgten in Deutschland mit etwa 40 Mrd. Euro rund 55 % aller Investments in Wirtschaftsimmobilien in Büroobjekte. Konsequenzen von CoronaIn den zurückliegenden Jahren ist die Anzahl der Bürobeschäftigten kontinuierlich gestiegen. Mit einer Zunahme der Personen, die in Büros arbeiten, ging eine stark wachsende Nachfrage nach Büroflächen einher. Dies hat zur Folge, dass insbesondere in den Metropolen das Angebot an Büroflächen äußerst knapp geworden ist. Das Ergebnis: Der Büromarkt befindet sich auf einem historisch niedrigen Leerstand, während die Mieten auf einem sehr hohen Niveau sind.Trotz der großen Stabilität der Büroimmobilienbranche unterliegt auch diese Branche dem Wandel der Zeit. Politische, gesellschaftliche und ökonomische Umstände führen dazu, dass sich die Büroimmobilien weiterentwickeln müssen. Besonders neue Möglichkeiten, die durch die Digitalisierung entstehen, tragen dazu bei. Durch neue Arbeitsformen wie das Co-Working werden flexible Büroflächen und somit neue Konzepte benötigt, die diesen veränderten Anforderungen Rechnung tragen. Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie kam ein weiterer Faktor dazu, der den Trend zur Digitalisierung nochmals deutlich beschleunigt. Auch wenn das Ausmaß der Konsequenzen noch nicht abschließend beurteilt werden kann, zeichnet sich bereits jetzt ab, dass die Pandemie auch für den Büroimmobilienmarkt Konsequenzen haben könnte. Spürbare ZurückhaltungDie Corona-Pandemie hat eine große Unsicherheit mit sich gebracht, die auch auf dem Büromarkt spürbar ist. Investoren verhalten sich teils zurückhaltend und abwartend. Auch werden Mietent-scheidungen vereinzelt zunächst aufgeschoben und Bürokonzepte auf künftige Anforderungen über-prüft, was teilweise eine Verlängerung der Vermietungszeiten mit sich bringt. Dennoch sind auch weiterhin große Vermietungsaktivitäten zu beobachten, sodass noch immer eine hohe Nachfrage nach Büroimmobilien besteht. Insbesondere in den Top-Lagen, in welchen ein historisch niedriger Leerstand herrscht, sind aktuell noch keine Mietreduktionen zu erwarten.Mit steigenden Infektionszahlen wurde das Thema Homeoffice zunehmend in den Vordergrund ge-rückt. Viele Unternehmen haben diese Zeit genutzt, um ihre Mitarbeitenden für das Arbeiten von zu Hause aus auszustatten. Obwohl Home-office auch schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Trend war und immer mehr Unternehmen diese Möglichkeit angeboten haben, bestanden dennoch nach wie vor viele Vorbehalte. Die vergangenen Monate haben allerdings deutlich gezeigt, dass ein effizientes Arbeiten auch von zu Hause für viele Branchen und Berufe möglich ist und Vorteile mit sich bringt. Viele Unternehmen haben bereits angekündigt, ihren Mitarbeitenden auch nach der Corona-Pandemie die Möglichkeit anzubieten, Homeoffice in Anspruch zu nehmen. Beispielsweise plant Siemens, dass zukünftig mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden zwei bis drei Tage die Woche mobil arbeitet. Ansteckungsrisiko reduzierenDieser Umbruch in der Arbeitskultur könnte langfristig einen erheblichen Einfluss auf die benötigten Büroflächen haben. Allerdings ist die tatsächliche Entwicklung derzeit noch ungewiss. Auf der einen Seite werden zwar nicht mehr so viele Büroflächen benötigt, wenn ein Großteil der Mitarbeitenden die Möglichkeit von Homeoffice in Anspruch nimmt. Auf der anderen Seite gilt es auch, neue Konzepte zu entwickeln und die Arbeitsplätze neu zu strukturieren, um einen entsprechenden Abstand zwischen den Mitarbeitenden gewährleisten zu können. Dies ist erforderlich, um in Zeiten von Pandemien das Ansteckungsrisiko auf ein Minimum zu reduzieren. Hybrides ArbeitsmodellHinzu kommt, dass viele Mitarbeitende das Arbeiten im Büro sehr schätzen und ein hybrides Arbeitsmodell präferieren. Der Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen und der persönliche Austausch werden auch weiterhin einen wesentlichen Faktor in der Arbeitskultur darstellen. Durch das Zusam-menarbeiten im Büro werden außerdem kreative Prozesse und die Produktivität gefördert. Es wird sich also erst in Zukunft zeigen, wie sich die vermehrte Nutzung von Home-office tatsächlich auf die benötigten Büroflächen auswirken wird. Nachhaltigkeit als TreiberNeben der Umgestaltung der Büroflächen wirken sich weitere Themen auf die Entwicklung der Büroimmobilien aus – dazu zählt auch der Aspekt der Nachhaltigkeit. Aufgrund des großen Ressourcen-einsatzes und -verbrauchs ist es unerlässlich, dass sich die Branche mit diesem Thema auseinander-setzt. Auch bei Investoren werden nachhaltige Gebäude immer beliebter. Energieeffiziente Gebäude, die modern und wandlungsfähig sind, gewinnen daher weiter an Bedeutung. Dabei spielen nachhaltige Baustoffe eine zunehmend wichtige Rolle.Flexibilität der Gebäude und die individuelle Anpassungsfähigkeit auf die Nutzerbedürfnisse werden immer mehr zum entscheidenden Faktor. Es gilt, mit dem Wandel der Zeit zu gehen. Je anpassungsfähiger eine Immobilie ist, desto zukunftsfähiger ist diese auch. Je nach Konzeption der Büroflächen hat dies auch Auswirkungen auf die Betriebs- und Nebenkosten – insbesondere die Einführung der CO2-Steuer im Januar 2021 wird der Investition in klimafreundliche Büroflächen nochmals neuen Schwung verleihen. Blick nach vorneSchon jetzt zeichnet sich ab, dass die Corona-Pandemie im Hinblick auf die Digitalisierung wie ein Katalysator wirkt. Sie macht deutlich, dass moderne, innovative Konzepte für Büros benötigt werden und ein mittelfristiger Anpassungsprozess unerlässlich ist. Die vorherrschenden Geschäftspraktiken und -modelle müssen laufend überdacht werden, um sich den neu auftretenden Gegebenheiten anzupassen. Dies ist auch erforderlich, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Es wird immer schwieriger, qualifiziertes Personal in unserer Branche zu finden. Neben einer guten Lage sollten die Büroräume auch einen gewissen Objektstandard mit sich bringen, um dem Personal eine ansprechende Arbeitsumgebung bieten zu können.Hinzu kommt, dass es – getrieben durch die Quartiersentwicklung – möglich ist, dass Büroflächen in Spitzenlagen nicht mehr nur noch an einem Hotspot zu finden sind, sondern sich auch außerhalb der Stadtzentren wiederfinden. Dies könnte die Bedeutung der Lage der Immobilien wesentlich beeinflussen. Allerdings ist hierfür eine entsprechende Infrastruktur erforderlich, die angepasst werden müsste. Nachfrage auf hohem NiveauWelche tatsächlichen Folgen die Corona-Pandemie haben wird, bleibt abzuwarten. Noch ist nicht absehbar, wie sich die Anzahl der Personen, die im Büro arbeiten, entwickelt. Aktuell ist allerdings zu beobachten, dass der Investmentmarkt wieder merklich anläuft und die Nachfrage weiterhin auf einem hohen Niveau ist. Insbesondere gut vermietete Prime-Objekte sind weiterhin stark nachgefragt, was insgesamt dazu führt, dass das Angebot häufig nicht die Nachfrage decken kann. Schlussendlich ist davon auszugehen, dass moderne, effiziente und flexible Büroobjekte, die sich insbesondere in zentraler Lage mit einer guten Verkehrsanbindung befinden, auch weiterhin für Unternehmen und damit auch für Investoren attraktiv bleiben. Andreas Rehfus, Vorstandsmitglied der Deutschen Hypothekenbank (Actien-Gesellschaft)