Carney entschärft Kapitalvorgaben
Die Bank of England hat die Erhöhung der Kapitalanforderungen an Banken nach hinten verschoben. Dadurch sind die Institute nach Rechnung von Notenbankchef Mark Carney in der Lage, für bis zu 150 Mrd. Pfund zusätzlich Kredite zu vergeben. Aber Angebot allein reicht nicht, es bedarf auch der Nachfrage.Von Andreas Hippin, LondonDie Bank of England wird eine für Ende März kommenden Jahres geplante Erhöhung der Kapitalanforderungen für Banken mindestens bis Juni 2017 verschieben. Wie aus dem Finanzstabilitätsbericht hervorgeht, geht es dabei um die erst im März verkündete Aktivierung des sogenannten antizyklischen Puffers. Er sollte Banken dazu bringen, in guten Zeiten mehr Eigenkapital zu bilden, und verhindern, dass die Institute ihre Kreditvergabe übermäßig stark ausweiten. Der Puffer sollte von derzeit 0 % auf 0,5 % der risikogewichteten Aktiva angehoben werden (vgl. BZ vom 30. März).”Das ist eine wesentliche Änderung”, sagte Mark Carney, der Gouverneur der Bank of England, am Dienstag. “Sie bedeutet, dass drei Viertel der britischen Banken, die für 90 % der Kreditvergabe stehen, unmittelbar mehr Flexibilität dafür haben, Haushalten und Unternehmen Kredite zur Verfügung zu stellen.” Branchenweit müssten 5,7 Mrd. Pfund weniger Kapital vorgehalten werden. Die Kapazität für die Kreditvergabe erhöhe sich damit um bis zu 150 Mrd. Pfund.Carney zufolge gebe es bereits Anzeichen dafür, dass Firmen wegen des EU-Referendums Investitionsentscheidungen nach hinten verschieben. Auch das Leistungsbilanzdefizit sei ein Problem. Zugleich betonte er, dass das Finanzsystem funktioniere. Die Kapitalanforderungen an die größten Banken sind derzeit zehnmal höher als vor der Finanzkrise. Die Kernkapitalquote liegt im Schnitt bei 13,5 %. Die britischen Banken verfügten über mehr als 600 Mrd. Pfund an hochwertigen liquiden Assets. Die Bank of England hält zudem mehr als 250 Mrd. Pfund abrufbereit. Die Notenbank führt zudem bis Ende September wöchentliche ILTR-Auktionen (Indexed Long Term Repo) durch, um sicherstellen, dass ausreichend Liquidität vorhanden ist. Wenige Institute betroffenDie antizyklischen Puffer gelten für britische Banken und Bausparkassen sowie für Töchter anderer Institute aus der EU, die auf der Insel Darlehen vergeben. Für die meisten Institute ändert sich durch die Entscheidung des finanzpolitischen Komitees (FPC) der Notenbank, für ein paar Wochen darauf zu verzichten, nichts. Auf sie wären auf Grund von Überlappungen der zahllosen Kapitalpuffer ohnehin keine zusätzlichen Belastungen zugekommen.”Man sollte nicht vergessen, dass die Kreditvergabe nicht nur vom Angebot, sondern auch von der Nachfrage abhängt”, sagte Volkswirt Ben Brettell von Hargreaves Lansdown. “Wenn bereits verschuldete Haushalte nach dem Referendum Risiken noch stärker vermeiden, wird es einfach keine Nachfrage nach Darlehen geben, so sehr die Banken auch welche vergeben wollen.”Aktionäre von britischen Instituten wie etwa der Lloyds Banking Group dürfen aller politischen Unsicherheit zum Trotz auf Dividendenausschüttungen hoffen. Irgendwo muss das Geld ja hin.