Carney will digitale Leitwährung

Neue Finanzarchitektur skizziert - Synthetischer Währungskorb von großen Notenbanken gesteuert

Carney will digitale Leitwährung

Banken und Regierungen horten Dollar-Reserven, um für Schwankungen der Leitwährung gewappnet zu sein. Das ist totes Kapital, mahnt Mark Carney – und schlägt den Aufbau einer digitalen Leitwährung vor, um den internationalen Handel von den schädlichen Wirkungen der Dollar-Abhängigkeit zu befreien.bg Frankfurt – Der scheidende Chef der Bank of England (BoE), Mark Carney, hat sich in einer Rede beim Symposium der Kansas City Federal Reserve am Wochenende für einen grundlegenden Umbau des globalen Währungssystems ausgesprochen und dafür die Schaffung einer digitalen Leitwährung empfohlen. Eine solche Architektur sei geeignet, um den Dollar in seiner Rolle als Leitwährung abzulösen. Denn Carney zufolge hat der Dollar in seiner geopolitisch aufgeladenen Rolle mittlerweile eine schädliche Wirkung für den globalen Handel.Inspiriert ist Carneys Vorschlag offenbar vom Konzept der Digitalwährung Libra, wie sie von Facebook geplant ist. Libra steht allerdings vor Hürden bei ihrer Einführung, wollen die Notenbanken diese doch nur genehmigen, wenn sich die Wirkung auf das Finanzsystem kontrollieren lässt – Libra könnte mit dem geplanten Währungskorb als Reserve die Rolle des Dollar weiter stärken. Aus China war dieser Tage zu vernehmen, dass man mit den Vorbereitungen zur Einführung einer digitalen Zentralbankwährung weit vorangeschritten sei. China könnte einen solchen digitalen Yuan kontrolliert über Branchenriesen wie Alipay und Tencent in den Markt einführen.Angesichts dieser Marktentwicklungen wie privater Initiativen (Libra) und nationaler Digitalwährungen besitzt Carneys Vorschlag einen großen Reiz, käme dies doch einer konzertierten Aktion der maßgeblichen Zentralbanken gleich. Carneys Konstrukt sieht eine supranationale Reservewährung vor, die gemeinsam von den Notenbanken gesteuert wird. Wie genau sich der (synthetische) Währungskorb zusammensetzen soll, darauf ging Carney nicht ein.Die Motivation für eine solche gemeinsame Digitalwährung ist, ein neues Vehikel zu schaffen, das die schädlichen Nebenwirkungen der Dollar-Dominanz begrenzt. Carney zufolge sei die US-Währung immer noch “so wichtig wie zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs von Bretton Woods” – das war 1973. Seitdem habe sich das Finanzsystem verändert und nun müsste sich auch die Rolle des Dollar verändern, wie die des Sterling vor 100 Jahren.Carneys Analyse zufolge habe die dominante Rolle des Dollar zum “savings glut” der vergangenen zehn Jahre beigetragen, was wiederum die Inflationsentwicklung gehemmt sowie ultraniedrige Zinsen begünstigt habe. Damit spricht Carney ein bislang unterbelichtetes Phänomen an: Regierungen und Banken horten Dollar, um Liquidität vorhalten zu können für Transaktionen im internationalen Handel. Das trifft insbesondere auf Schwellenländer zu, die Dollar brauchen, um Importe abzuwickeln. Unter Präsident Trump haben die USA aber ihre Haltung verschärft, den Dollar als Waffe bei geopolitischen Konflikten einzusetzen. So werden einzelne Länder und Unternehmen vom Zahlungsverkehr abgeschnitten – ein übergriffiges Verhalten, das die USA nur aufgrund ihrer Stellung als Hüter der globalen Leitwährung betreiben können.Carney sprach in seiner Rede davon, dass, sofern eine starke Alternative verfügbar ist, auch die Rolle des Dollar in den Kreditmärkten abnehmen werde. Viele Regierungen würden sich immer stärker mit Dollarreserven eindecken, um für Schwankungen in der US-Wirtschaft gewappnet zu sein. Dies habe die Kreditkosten insgesamt erhöht. Würde der Anteil an internationalen Handelsgeschäften in der neuen Digitalwährung steigen, würden Spill-over-Effekte aus Schocks in den USA weniger stark auf die Weltwirtschaft ausstrahlen, so Carney. Damit liefert der BoE-Gouverneur ein starkes Argument für eine multipolare Weltordnung, wie sie Deutschland und Frankreich im Rahmen der G7 herausstellen. Erste Reaktionen aus Kreisen der Notenbanken auf Carneys Vorstoß fielen verhalten aus: Die Verwendung eines synthetischen Währungskorbs habe sich bislang in der Praxis nicht bewährt, so Adam Posen, Präsident des Peterson Institute for International Economics gegenüber Bloomberg. Außerdem funktioniere der Dollar ganz ordentlich als Leitwährung, solange sich die USA und der Rest der Welt im Einklang (“in sync”) bewegten.