Chancen und Herausforderungen
Dr. Murad M. DaghlesPartner bei Allen & OveryNach den USA, China und Russland sind der Mittlere Osten und insbesondere die Golfstaaten der viertgrößte Überseemarkt für deutsche Unternehmen im Hinblick auf Investitionen. Nichtsdestotrotz ist zu erkennen, dass deutsche Investoren und Unternehmen nicht so stark und aktiv im Mittleren Osten vertreten sind wie angelsächsische oder asiatische Unternehmen. Dabei bietet der sich stetig fortentwickelnde Markt großes Potenzial: Im Mittleren Osten leben ca. 400 Mill. Menschen. Die aktuelle Entwicklung zeigt dabei eine stark wachsende Mittelklasse mit internationaler Ausrichtung und Konsumbereitschaft. Zusätzlich richten sich die Staaten neu aus. Um zukünftig nicht mehr so stark vom bedeutsamen Ölsektor abhängig zu sein, haben Staaten wie z. B. das Königreich Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) oder Ägypten umfangreiche Reform- und Investitionsvorhaben initiiert, deren jeweilige Umsetzung bereits zu erkennen ist. Diese sollen zu einer Diversifizierung der Wirtschaft führen und gleichzeitig Wachstum sicherstellen. Damit eine solche Umstrukturierung gelingen kann, sind die Staaten auch auf ausländische Unternehmen angewiesen, die Ressourcen sowie notwendige Expertise mitbringen. Im Gegenzug profitieren ausländische Unternehmen von einem der am stärksten wachsenden Märkte der Welt und erschließen sich neue Absatzmärkte.I. Investitionen aus dem und in den Mittleren OstenBereits heute gibt es eine Vielzahl von Partnerschaften, Kooperationen und geschäftlichen Beziehungen zwischen Staaten des Mittleren Ostens und Deutschland. So sind Unternehmen aus dem Mittleren Osten etwa an deutschen Unternehmen beteiligt (sowohl an Dax- als auch MDax- bzw. Mittelstandsunternehmen), andererseits sind deutsche Unternehmen in den verschiedensten Geschäftsbereichen im Mittleren Osten tätig. Investitionen aus dem Mittleren Osten in DeutschlandDeutschland ist einer der attraktivsten Märkte der Welt und sicherlich ein sehr bedeutsamer Markt in Europa. Ausländische Investoren schätzen den deutschen Markt; er gilt als zuverlässig, stabil und liberal. Zudem genießt die Marke “Made in Germany” auch im Ausland einen hohen Stellenwert. Insbesondere werden mit Deutschland weiterhin klassische Tugenden wie Stabilität, Sorgfalt und Ordnung verbunden. Zudem gab es in der jüngeren Vergangenheit keine wesentlichen Konflikte zwischen Deutschland und den Staaten des Mittleren Ostens. Darüber hinaus hat sich Deutschland nicht an kriegerischen Auseinandersetzungen mit Staaten des Mittleren Ostens (insbesondere nicht am Irak-Krieg) beteiligt. Insgesamt stehen die deutsch-arabischen Beziehungen auf einem festen und freundschaftlichen Fundament.Investitionen aus Deutschland in den Mittleren OstenDie stetig wachsenden und sich fortentwickelnden Märkte des Mittleren Ostens zeichnen sich durch Vielfältigkeit aus. Zum einen gibt es sehr wohlhabende Staaten, die massiv auf die Fortentwicklung und Diversifizierung der eigenen Wirtschaft setzen müssen und diese – insbesondere in den vergangenen Monaten – ausbauen. Vor allem die Staaten des Golf-Kooperationsrats (GCC) haben sich als wesentliche Treiber der Fortentwicklung des arabischen Raums etabliert. Zum anderen gibt es – aus politischer Sicht für die Region – bedeutsame Staaten, welche zwingend die eigene Wirtschaft vorantreiben und zukunftsfähig machen müssen, um den Bedürfnissen der Bevölkerung nachkommen und damit die eigene Existenz sichern zu können.Königreich Saudi-ArabienEin Beispiel für die positive Entwicklung der Investitionsmärkte im Mittleren Osten ist das Königreich Saudi-Arabien. Saudi-Arabien ist eine der größten und wichtigsten Volkswirtschaften der Region, welche sich durch wirtschaftliche Reformbestrebungen besonders hervorhebt. Um zukünftig unabhängiger vom Öl zu sein, hat die saudi-arabische Regierung 2016 mit der “Vision 2030” und dem Unterprogramm “National Transformation Programm 2020” ein umfangreiches Reformpaket vorgestellt. Die Wirtschaft soll dadurch modernisiert und diversifiziert werden, die lokale Produktion ausgebaut, die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt, Subventionen abgebaut und einzelne Sektoren privatisiert werden. Zusätzlich soll die Infrastruktur des Landes ausgebaut, der Wohnungsbau forciert, stark in Bildung und Gesundheit investiert sowie das Importvolumen erhöht werden. Weiterhin ist Saudi-Arabien einer der größten Ölproduzenten der Welt und hat auch einen sehr starken petrochemischen Industriezweig. Zur weiteren Umsetzung der “Vision 2030” setzt Saudi-Arabien auch auf ausländische Investoren, vorrangig auf aus den USA, Europa, Russland und Asien stammende Unternehmen, die zukünftig ebenfalls Wachstumsimpulse geben sollen. Dabei geht es einerseits um den Ausbau der Wirtschaft, andererseits aber auch um die Ausbildung eigener Fachkräfte und den erforderlichen Wissenstransfer.Vereinigte Arabische EmirateIn den Vereinigten Arabischen Emiraten ist die Diversifizierung der Wirtschaft bereits stark vorangeschritten. Insbesondere die Emirate Dubai und Abu Dhabi haben sich als wichtige Handelsdrehscheiben zwischen Europa, Afrika und Asien etabliert und zugleich einen umfangreichen Dienstleistungssektor aufgebaut. Zusätzlich zu dieser sehr günstigen Infrastruktur gilt die Wirtschaftspolitik als liberal. Faktische Steuerfreiheit in den einzelnen Freihandelszonen bietet zusätzliche Anreize für ausländische Investoren. Ein weiteres ambitioniertes Projekt der Vereinigten Arabischen Emirate ist die Energiestrategie 2050. Dabei soll bis zum Jahr 2050 die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Deutschland haben entsprechend in diesem Jahr eine Absichtserklärung unterzeichnet, die eine engere Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren Energien gewährleisten soll.ÄgyptenÄgypten ist eines der bevölkerungsreichsten Länder des Mittleren Ostens, das massive wirtschaftliche Reformen vorantreiben und die Wirtschaft beträchtlich entwickeln muss. Zur Umsetzung hat auch Ägypten eine “Vision 2030” aufgelegt, die durchaus ambitionierte Projekte und Maßnahmen beinhaltet, die insbesondere auch durch die weitere politische Stabilisierung unterstützt werden. Die vorgenannten Staaten sind gute Beispiele für die deutliche und positive Entwicklung der Märkte des Mittleren Ostens. Weitere Staaten mit ebenfalls bemerkenswerten Entwicklungen und Programmen sind beispielsweise Katar, Oman, Bahrain, Irak und Jordanien. II. Ausgestaltung von InvestitionenZur Umsetzung der jeweiligen Investitionsvorhaben bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten an. Investitionen im Mittleren Osten können grundsätzlich durch “Foreign Direct Investments” (FDI) erfolgen. So können – unter Zugrundelegung der jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen – eigene Gesellschaften sowie Niederlassungen und Branches gegründet werden. Alternativ sind Kooperationen, z. B. in Form von Joint Ventures, möglich.Bei Investitionen im Mittleren Osten liegt der Schlüssel zum Erfolg darin, einen verlässlichen Partner zu finden, der die lokalen Gepflogenheiten und den Rechtsraum kennt und sehr gut vernetzt ist. Idealerweise verfügt er zudem über die in dem jeweiligen Geschäftsfeld erforderliche Expertise. Dies gilt auch in Fällen, in denen lediglich ein – mit Ausnahme einer “Aufwandsentschädigung” – faktisch nicht am Vorhaben beteiligter lokaler Sponsor benötigt wird, um überhaupt Zugang zum Markt zu erhalten. Besonders wichtig ist dies bei Partnerschaften in Form von Joint Ventures. Joint Ventures basieren auf entsprechenden Joint-Venture-Vereinbarungen. Dabei handelt es sich um umfangreiche Vertragswerke, in denen die Parteien ihre Rechtsverhältnisse regeln und konkretisieren. Aus rechtlicher Perspektive spielen insbesondere die nachfolgenden Themenbereiche im Rahmen von Joint-Venture-Vereinbarungen eine wesentliche Rolle: I. Struktur der Joint-Venture-Gesellschaft, insbesondere Ort sowie Umfang der wirtschaftlichen Betätigung; II. Corporate Governance der Joint-Venture-Gesellschaft, insbesondere: Board-Struktur, Zusammensetzung des Boards, Kompetenzen sowie Entscheidungsfindungsprozesse des Boards und des Managements sowie Angelegenheiten, die der Zustimmung eines oder mehrerer Gesellschafter oder einer bestimmten Mehrheit bedürfen; III. Kapital- und/oder Sachbeiträge der jeweiligen Gesellschafter sowie zukünftige Gewinnverteilung; IV. Konfliktlösung und Maßnahmen im Rahmen eines “Deadlock”; V. Prozesse im Falle eines Verkaufs und der Übertragung von Geschäftsanteilen; VI. Absicherung gegen eine potenzielle Verwässerung der Anteilsbeteiligung (Anti-Dilution); VII. Rechtsverhältnisse und vertragliche Beziehungen der Joint-Venture-Gesellschaft zu den jeweiligen Gesellschaftern; VIII. Finanzierung; IX. Zeit, Dauer und Beendigungsmöglichkeiten; X. Garantieerklärungen und Haftungsfolgen sowieXI. Streitbeilegungs- und Gerichtsstandsklauseln.Im Rahmen der Joint-Venture-Verhandlungen ist zu beachten, dass ein Joint-Venture-Vertrag nicht nur gegenwärtige Umstände berücksichtigen, sondern insbesondere auch mögliche zukünftige Entwicklungen und Eventualitäten antizipieren muss.III. AusblickZusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Mittlere Osten einen attraktiven Markt für deutsche Investoren darstellt, die Hürden nicht unüberwindbar sind und Chancen für eine starke Marktetablierung bestehen. Umgekehrt ist der deutsche Markt für Investoren aus dem Mittleren Osten weiterhin sehr verlässlich und attraktiv, woran sicherlich auch die hervorragenden Beziehungen zwischen den arabischen Ländern und Deutschland einen erheblichen Anteil haben. Insofern ist durchaus mit einem Anstieg der Investitionsvorhaben zu rechnen.