Charming Boy
Aktionäre der Deutschen Bank und die interessierte Öffentlichkeit machen sich ja seit geraumer Zeit Gedanken über die Nachfolgeregelung für das amtierende Führungsduo Jürgen Fitschen und Anshu Jain. Auch auf der Hauptversammlung kam das Thema natürlich zur Sprache. Eingedenk früherer Erfahrungen mit klar strukturierten Prozessen bei Spitzenpersonalien sind Sorgen, das Trauerspiel könnte sich demnächst in anderer Besetzung wiederholen, nur zu verständlich. Die Amtszeit des bald 65-jährigen Fitschen, der seinen Platz am liebsten für eine Vorstandsfrau räumen würde, läuft noch zwei Jahre. Und dann? Müsste der von Paul Achleitner geführte Aufsichtsrat da nicht längst aktiv werden?Die Antwort gab es am Donnerstag in der mit rund 5000 Aktionären gut gefüllten Frankfurter Festhalle: Charming Boy Jain, der mit seiner erstmals auf Deutsch – und das äußerst respektabel – gehaltenen und sehr persönlich gefärbten Rede erkennbar die Herzen der Anteilseigner gewann, hat allerbeste Chancen, nach der Hauptversammlung 2015 Vorstandsvorsitzender zu werden – ohne “Co-“. Sicher: In zwei Jahren kann viel passieren. Und die Vergangenheit lässt sich auch nicht einfach wegwischen. Die alte Kultur, die zu immensen finanziellen und Reputationsschäden geführt hat und von der sich die Deutsche Bank nun durchaus glaubwürdig, aber in einem mehrere Jahre beanspruchenden Prozess abwendet, ist schließlich einst nicht mal eben so vom Himmel gefallen. Sie wurde von einer Führung geprägt und mitverantwortet, der – neben Fitschen – auch Jain angehörte.Doch die Zweifel, ob dem vormaligen Investment-Banking- Chef die Wandlung vom Saulus zum Paulus gelingt – so Aktionärsschützer Klaus Nieding – oder ein Brandstifter zum Feuerwehrmann mutieren kann – so ein anderer Redner –, werden seitens der Kapitalgeber nur vereinzelt und recht leise geäußert. Es überwiegt eindeutig die Anerkennung für die ersten Schritte auf dem Weg des Kulturwandels. Gewiss wabert in diesem Zusammenhang namentlich der unfassbare Libor-Skandal durch den Raum. Doch diesbezüglich ist mit Blick auf die Frage, ob ein Allein-CEO Jain dauerhaft auch von der deutschen Politik akzeptiert würde, entscheidend, was die Finanzaufsicht herausfindet. Und die hat in monatelangen Untersuchungen bisher allem Anschein nach nichts feststellen können, was dem Briten persönlich vorwerfbar wäre. Kein Grund also für den neuen Liebling der Deutsche-Bank-Aktionäre, seine schon vorzeigbaren Deutschkenntnisse nicht noch weiter zu perfektionieren.