China ist bereit für die erste staatliche Digitalwährung

Markteinführung innerhalb von drei Monaten - Zentralbank plant komplementären Einsatz zum Bargeld - Vorhaben stärkt internationale Rolle des Yuan

China ist bereit für die erste staatliche Digitalwährung

Bald ist es so weit: In China wird innerhalb der kommenden drei Monate erstmals digitales Zentralbankgeld eingesetzt, das zum Großteil über eine Blockchain abgewickelt wird. Mit dem Coin will China auch die Internationalisierung der eigenen Währung befeuern. Das erhöht den Druck, auch den Euro zu tokenisieren.bg/fir Frankfurt – Bei der chinesischen Zentralbank laufen die Vorbereitungen zur Einführung einer digitalen Währung auf Hochtouren. Nachdem der für den Zahlungsverkehr zuständige Zentralbanker Mu Changchun vergangene Woche erklärt hat, dass die Arbeiten am digitalen Yuan nach fünf Jahren Vorarbeit nun abgeschlossen seien, gehen Beobachter davon aus, dass diese Central Bank Digital Currency (CBDC) innerhalb von drei Monaten in den operativen Betrieb gehen wird. Kontrollierte AnonymitätDabei hat Mu nun auf einer Konferenz in Singapur zugesichert, dass die Digitalwährung komplementär zum Papiergeld eingesetzt werden solle und Datenschutz hohe Priorität genießen werde. Den Nutzern des digitalen Yuan sicherte er “kontrollierte Anonymität” zu; man werde dabei aber die Balance wahren müssen, um (internationale) Vorgaben zur Geldwäscheverhinderung, zur Abwehr von Terrorfinanzierung sowie die Beachtung steuerlicher Aspekte zu erfüllen. Die People’s Bank of China (PBoC) reagiert mit der Zusicherung des persönlichen Datenschutzes auf den Versuch Indiens, elektronische Bezahlvorgänge direkt mit den (digitalen) Identitäten der Nutzer zu verbinden – was quasi den gläsernen Payment-Nutzer schaffen würde. Doch während Indien aktiv die Bargeldverwendung einschränken will, kam es in China in diesem Jahr wiederholt zu Schutzmaßnahmen für das Bargeld. So wurden Händler dafür bestraft, wenn sie die Verwendung von Bargeld ablehnten – analog zu Deutschland ist das nicht gestattet, da Bargeld dort auch den Status des gesetzlichen Zahlungsmittels besitzt.China hatte die Entwicklung seiner Digitalwährung forciert, nachdem Facebook zur Jahresmitte ihr Libra-Projekt angekündigt hatte. Der langjährige und inzwischen ehemalige Zentralbankchef Zhou Xiaochuan hatte Mitte August erklärt, dass man Libra als Bedrohung des nationalen Zahlungsverkehrs und des Renminbi als nationaler Währung betrachte. Seine Empfehlung: China solle den Renminbi als Währung stärken, und zudem solle es privaten “kommerziellen Betreibern” erlaubt werden, eigene digitale Yuans zu emittieren – das wäre digitalisiertes/tokenisiertes Giralgeld. Ein Modell, das auch die Bundesbank auf ihre Praxistauglichkeit prüft und die Geschäftsbanken in ihrer Rolle im Geldkreislauf stützen würde. In China sind mit Alipay und Tencent riesige Payment-Betreiber tätig, die bei der Einführung eines digitalen Yuan in den Retail-Kreislauf mitwirken könnten.Das Vorpreschen Chinas setzt nun die Notenbanken in den anderen großen Währungsräumen unter Druck, ähnliche Projekte zur Auflage eines Stablecoin voranzubringen. So hatte die EU-Kommission in der vergangenen Woche die Zentralbanken aufgefordert, die Ausgabe eigener digitaler Währungen zu prüfen. Libra als private digitale Währung lehnen die G7-Notenbanken ab. Die Schweizer Finma prüft derzeit in einer Anfangsphase, ob und mit welchen Auflagen Libra genehmigungsfähig sein könnte. Libra unaufhaltsamExperten erwarten nicht, dass Libra so bald zugelassen wird. Die für 2020 geplante Einführung der Digitalwährung Libra, die von der gleichnamigen Association in der Schweiz verwaltet werden soll, werde sich angesichts des Widerstands von Politikern und Aufsehern aus der ganzen Welt verzögern, glaubt Carsten Hahn, unter anderem für Zahlungsverkehr und Kryptowährungen zuständiger Partner bei der Beratungsgesellschaft Capco. Aufhalten werde die geballte Gegenwehr Libra jedoch nicht. “Die Gegner haben keinen Gegenentwurf und versuchen deshalb, Libra so viele Stolpersteine in den Weg zu legen und das Projekt zu verzögern, bis die eine oder andere Idee von Zentralbanken kommt.”Auch dass mittlerweile große Akteure wie Mastercard, Visa und Paypal auf Druck von US-Politikern von dem Libra-Projekt abgesprungen sind, werde es nicht verhindern können. 2021 oder 2022 werde Libra kommen, ist Hahn überzeugt. Er geht davon aus, dass die Debatte nicht so emotional geführt würde, wäre Facebook stärker im Hintergrund geblieben. Den Aufruhr mag er nicht nachvollziehen, auch wenn Facebook mit rund 2,3 Milliarden aktiven Nutzern über ein enormes Potenzial und Marktmacht verfügt: “Es ist ein Irrweg zu glauben, dass von heute auf morgen mehr als 2 Milliarden Menschen Libra nutzen.” Regionale KryptowährungenNeben dem von Facebook initiierten Digitalgeld und dem kurz bevorstehenden E-Yuan, dem vom chinesischen Staat geschaffenen Pendant, werde es künftig darüber hinaus ein oder zwei weitere Kryptowährungen geben, glaubt der Capco-Partner. Werde sich seiner Einschätzung nach der digitale Yuan auf den asiatischen Raum konzentrieren, so dürfte Libra in westlichen Ländern und in befreundeten Staaten weltweit Verbreitung finden. Am beliebtesten ist Facebook in Indien mit 270 Millionen Nutzern, gefolgt von den USA mit 190 Millionen und Indonesien mit 130 Millionen (siehe Grafik).Damit werde es zu einer Regionalisierung von Digitalwährungen kommen. “Wir werden global drei bis vier Kryptowährungen haben, die in Konkurrenz zueinander stehen.” Auch Europa werde vermutlich dabei sein, erwartet Hahn. Hier könnte es trotz der derzeitigen Vorbehalte auf eine öffentlich-private Lösung hinauslaufen, einen digitalen Euro, der von Notenbanken und Finanzindustrie gemeinsam entwickelt wird. Als möglichen vierten Akteur, der eine regionale Digitalwährung etablieren könnte, kann er sich Lateinamerika vorstellen.Die Bezeichnung des Libra als Stablecoin, der per Reservefonds, bestehend aus Bankeinlagen und kurzlaufenden Staatsanleihen, gedeckt sein soll, hält Hahn für irreführend. Anders als bei klassischen Währungen, hinter denen Staaten stehen, sind hier derzeit 21 Privatunternehmen involviert. Geriete Libra in die Krise, etwa weil maßgebliche Mitglieder wirtschaftlich oder wegen Skandalen ins Trudeln geraten oder weil Kurse der als Deckung fungierenden, von der Libra Association gehaltenen Staatsanleihen rutschen, müssten notfalls Staaten einspringen. “Am Ende ist wie immer der Steuerzahler dabei.”Facebook arbeitet über ihre Tochtergesellschaft Calibra bereits daran, in den USA eine Lizenz als Betreiber des elektronischen Zahlungsverkehrs zu erlangen. Auch für Europa dürfte ein solcher Antrag als E-Money-Institut erfolgen. In Indien versucht Facebook über ihre Tochter Whatsapp in den Zahlungsverkehr einzusteigen, ohne dass der Konzern dafür bislang eine Lizenz bewilligt bekommen hätte. Geopolitische DimensionFür China hat der digitale Yuan eine geopolitische Bedeutung, soll dieser doch die internationale Verwendung des Yuan erhöhen. Mu Changchun hatte sich im August explizit dazu bekannt. Allerdings hatte er da auch eingeräumt, dass die Digitalwährung ein Substitut für die Geldmenge MO – also die Menge an Banknoten und Münzen in Zirkulation – sei, aber nicht die Geldmenge M2 (inklusive Bankdepositen) tangiere. – Wertberichtigt Seite 8