Chinas Banken brauchen neues Geschäftsmodell

Frankfurter VWL-Professor Horst Löchel: Kreditrisiken sind beherrschbar - Großbanken hoch profitabel

Chinas Banken brauchen neues Geschäftsmodell

tl Frankfurt – Die chinesischen Banken brauchen dringend ein neues Geschäftsmodell, was in erster Linie für die vier Großbanken, aber auch für die rund 130 Stadtsparkassen gelte, so Horst Löchel, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Frankfurt School und seit vielen Jahren an chinesischen Universitäten lehrend. “Die Institute werden vor allem durch die Disintermediation bedroht”, sagte er bei einem Pressegespräch. “Die Digitalisierung ist in China so weit fortgeschritten wie sonst nirgends auf der Welt.” Nach seiner Beobachtung würden die meisten jungen Leute ihre Einlagen beim Onlinebezahlsystem Alipay oder beim Chatdienst Wechat halten. “Die chinesischen Großbanken haben nicht die Reformkraft, diese Entwicklung aufzufangen.” Nicht reformierbarLöchel, der aktuell Gastprofessor an der China Europe International Business School in Schanghai ist, hält Großbanken wie die ICBC mit ihren etwa 350 000 Angestellten und rund 25 000 Zweigstellen für nicht reformierbar. “Man sollte eine der Großbanken zerlegen – das muss nicht unbedingt der Branchenführer ICBC sein – und Teile an die Börse bringen. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass das in den nächsten drei bis fünf Jahren auch tatsächlich passiert.” Der Druck auf die chinesische Regierung sei enorm. Allerdings würden sich die Manager der Großbanken – dazu gehören noch die China Construction Bank, Bank of China und Agricultural Bank of China – gegen den Trend zur Liberalisierung und Privatisierung auch öffentlich stemmen.Für weniger dramatisch als die Krise des Geschäftsmodells hält Löchel die notleidenden Kredite (NPL). Zwar sei die Verschuldung der einheimischen Unternehmen rasant auf etwa 180 % des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. “Etwa 80 % davon sind Bankkredite.” Sie gingen in erster Linie an die unprofitablen Staatsbetriebe, die ihre Schulden kaum zurückzahlen könnten. “Offiziell waren im Vorjahr 1,75 % aller Kredite notleidend. Das sind etwa 187 Mrd. Euro. In diesem Jahr dürfte diese Quote auf etwa 2 % steigen.” Nach inoffiziellen Schätzungen dürfte die NPL-Quote aber eher zwischen 5 und 10 % liegen. “Allerdings betrug sie 2005/2006 noch 20 %. Danach wurden die Großbanken mit hohen Summen rekapitalisiert.” Die NPL-Deckungsquote bezifferte Löchel auf 150 %. “Sie hat sich aber in den vergangenen zwei Jahren halbiert.” Wenn alle Stricke reißen, würde der Staat die Banken rekapitalisieren, ist er sich sicher. “Der chinesische Staat verfügt über enorme Steuereinnahmen.”In den vergangenen Jahren sei aber auch einiges passiert, um die Bankbilanzen von faulen Krediten zu entlasten. “Bei den Stadtsparkassen wurden Kommunalkredite in Kommunalanleihen gewandelt.” Außerdem sei mit der Verbriefung von Krediten begonnen worden. “Da greifen sowohl spezialisierte chinesische als auch ausländische Firmen zu.” Schließlich gebe es zum Beispiel bei der Bank of China Debt for Equity Swaps, bei denen Kredite an Staatsbetriebe in Eigenkapital, sprich Beteiligungen gewandelt würden.Löchel wies aber darauf hin, dass die chinesischen Großbanken unglaublich profitabel seien. “Ihre Eigenkapitalrendite vor Steuern betrug in den vergangenen sieben bis acht Jahren zwischen 15 und 20 %. Im laufenden Jahr wird sie zwar sinken, aber wohl nicht unter 15 %.” Als Ursachen dieser Entwicklung nannte Löchel das “doppelte Monopol” aus von der Zentralbank vorgegebenen Einlagen- und Kreditzinsen einerseits (was zu einem durchschnittlichen Spread von 250 Basispunkten führe) und dem unregulierten Arbeitsmarkt andererseits, der zu vergleichsweise niedrigen Gehältern der Bankmitarbeiter führe. Neue InvestitionsmöglichkeitSchließlich könnten die Großbanken seit etwa fünf Jahren auch in Assetmanager und Wertpapierbanken investieren – davor galt das strenge US-Trennbankensystem. “Durch die neuen Möglichkeiten generieren die Bank of China und andere hohe Gebühreneinnahmen.”Berücksichtige man noch die hohe Sparquote, die fast ausschließlich den Banken zugute komme, und den hohen Mindestreservesatz von 17 % der Einlagen, so ist für Löchel das Fazit klar: “Eine große Bankenkrise mit systemischen Konsequenzen ist in China ziemlich unwahrscheinlich.”