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Chinas Börsenbetreiber machen Tech-Einhörnern den Hof

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 21.3.2018 An den Börsen im großchinesischen Raum ist Tierliebe angesagt. Angesichts einer Fülle von chinesischen Start-up-Unternehmen und Tech-Firmen, die sich aktiv auf ein Listing vorbereiten,...

Chinas Börsenbetreiber machen Tech-Einhörnern den Hof

Von Norbert Hellmann, Schanghai An den Börsen im großchinesischen Raum ist Tierliebe angesagt. Angesichts einer Fülle von chinesischen Start-up-Unternehmen und Tech-Firmen, die sich aktiv auf ein Listing vorbereiten, erwarten die Experten einen größeren Schwapp von Börsengängen, der 2018 zu einem besonderen Jahrgang für Initial Public Offerings (IPO) machen könnte. Besonders im Fokus stehen die sogenannten Unicorns (Einhörner), also die mittlerweile gar nicht mehr so seltene Spezies von Start-ups, die es abseits einer Börsenbewertung bereits auf einen impliziten Marktwert von mehr als 1 Mrd. Dollar bringen. Heiße AnwärterIn der chinesischen Technologie-szene tummeln sich Dutzende von Firmen, die es locker über diese Schwelle gebracht haben, einige von ihnen werden bereits auf Werte jenseits von 50 Mrd. Dollar veranschlagt. Im Lager der Investmentbanken lauert man vor allem auf Firmen wie den Smartphone-Bauer Xiaomi, den Fintech-Riesen Ant Financial, den Fahrdienstvermittler Didi Chuxing und den Internetportal-Betreiber Meituan Dianping, die sich mehr oder weniger explizit in Vorbereitungen für IPOs mit potenziell milliardenschweren Kapitalaufnahmen befinden. Die große Frage ist allerdings, welchen Börsenplatz die China-Riesen künftig ansteuern.Für Chinas größte und vielversprechendste Tech-Konzerne vom Schlage einer Alibaba, Baidu, Tencent oder JD.com haben die heimischen Festlandbörsen aus verschiedenen Gründen bislang kein geeignetes Territorium für ein IPO abgegeben, entsprechend sind sie an die Wall Street und mit einigen wenigen Ausnahmen wie Tencent auch an die Hongkonger Börse gezogen. Hongkong will aufholenAn der Hongkonger Börse hofft man auf eine Wiederbelebung des IPO-Geschäfts, nachdem die Spitzenposition im Kapitalaufkommen aus IPOs im vergangenen Jahr an die New York Stock Exchange verloren ging und man auch von der Shanghai Stock Exchange mit ihrer Vielzahl von kleinen Börsengängen überholt wurde (siehe Grafik). Abhilfe schaffen soll nun eine wesentliche Reform des Listing-Regimes, um eine Scharte auszuwetzen, nämlich die schwache Anziehungskraft für Neuemissionskandidaten aus dem Technologiesektor. Während sich gründerdominierte Unternehmen und Start-ups in New York über die Ausgabe von Aktien mit Mehrfachstimmrechten (Dual Class Shares) unabhängig von den Kapitalanteilen des Gründer- und Managementteams einen dauerhaften Kon-trolleinfluss sichern können, ist dies bislang weder an Chinas Festlandbörsen noch an der von internationalen Investoren rege frequentierten Hongkong Exchanges möglich. In Hongkong haben sich die Regulatoren nun einen Ruck gegeben und sind bereit, das Anlegerschutzprinzip des “One Share One Vote” für vielversprechende Technologiesektorfirmen aufzugeben. Um sich im Finanzplatzwettbewerb rund um das IPO-Geschäft besser behaupten zu können, sollen Börsenkandidaten nun auch die Möglichkeit erhalten, Aktien mit Mehrfachstimmrechten einzurichten. Im Jahr 2014 entschied sich der E-Commerce-Riese Alibaba nach langem Hin und Her für die New York Stock Exchange, weil man in Hongkong mit dem Ansinnen für eine Sonderregelung in Sachen Dual Class Shares nicht durchkam, und brachte dann das bislang weltgrößte IPO im Umfang von knapp 22 Mrd. Dollar aufs Parkett. In Hongkong will man sich nicht noch einmal einen solchen Megadeal durch die Lappen gehen lassen. Das Festland rüstet aufAllerdings sind nun auch die Finanzmarktplaner auf dem chinesischen Festland hellhörig geworden. Auf dem gerade abgeschlossenen chinesischen Volkskongress haben Vertreter der Wertpapieraufsichtsbehörde und zuletzt sogar auch der Premierminister Andeutungen gemacht, dass das schwerfällige IPO-Regime auf dem Festland dahingehend reformiert werden soll, aussichtsreichen Technologiefirmen einen schnelleren Zugang zu einem Listing zu verschaffen. Dies nährt Spekulationen, dass man nun auch in Schanghai und Shenzhen Vorkehrungen treffen wird, um ein Listing von Aktien mit Mehrfachstimmrechten und den Zugang von Firmen ohne längere Gewinnhistorie zu ermöglichen. Börsenwillige chinesische Tech-Unternehmen könnten künftig nun die Qual der Wahl haben zwischen der Wall Street, Hongkong und den Märkten in Schanghai und Shenzhen. Letztere ermöglichen zwar nur einen begrenzten Zugang zu internationalen Investoren, aber lassen insbesondere im Vergleich zu Hongkong höhere Bewertungsrelationen erwarten. Der Volkskongress hat in jedem Fall aufgezeigt, dass China im internationalen Börsenwettbewerb künftig stärker mitmischen will. Mittlerweile soll es sogar Pläne geben, den bereits an die Wall Street und Hongkong emigrierten chinesischen Tech-Riesen erstmals die Möglichkeit eines Zweitlistings in ihrer Heimat zu geben. Dies würde in Anlehnung an die in den USA üblichen American Depositary Receipts (ADR) künftig auch die Einführung von Chinese Depositary Receipts (CDR) bedingen. Dann könnte es erstmals auch in China zu einem Handel mit Aktien von Alibaba und Co. kommen.