SERIE: WO VERDIENEN BANKEN NOCH GELD? (14)

Chinas Großbanken geht im Zinsgeschäft die Puste aus

Margen sinken fühlbar - Gratwanderung bei der Coverage Ratio - Provisionsgeschäft wetzt die Scharte nicht aus

Chinas Großbanken geht im Zinsgeschäft die Puste aus

Von Norbert Hellmann, SchanghaiChinas staatskontrollierte Großbanken haben sich seit den Börsengängen zur Mitte der vergangenen Dekade und insbesondere im Nachgang zur globalen Finanzkrise als die größte und verlässliche Gewinnmaschine im weltweiten Banking dargestellt. Der Nimbus droht in diesem Jahr zu zerbrechen, denn in der gegenwärtigen Konstellation einer sich weiter abkühlenden chinesischen Konjunktur, mit für chinesische Verhältnisse rekordtiefen Leitzinsen und gedrückten Zinsmargen bei gleichzeitig stark anschwellenden Kreditausfällen (siehe Grafik) sind keine Blumentöpfe mehr zu gewinnen.Das tradierte Geschäftsmodell der chinesischen Banken, die ihre Ertragsstärke seit jeher aus dem Kreditgeschäft mit Großunternehmen und Gebietskörperschaften bei einer Refinanzierung über Einlagen von geduldigen und eher anspruchslosen Massen von Sparern ziehen, wird einer zunehmend harten Belastungsprobe unterzogen. Bei den Großbanken steht in Kürze die Bekanntgabe der Ergebnisse für die erste Geschäftsjahreshälfte an. Die Analysten gehen davon aus, dass die führenden Institute des Landes nun erstmals Farbe bekennen müssen und bei eingeengten Zinsmargen sowie ansteigendem Risikovorsorgebedarf dem bisherigen Tabu sinkender Gewinne nicht weiter ausweichen können. Gewinnrückgänge in SichtMöglicherweise gelingt es den führenden Kreditinstituten noch einmal, mit einigen Freiheiten bei der Klassifizierung von notleidenden Krediten und einer laxeren Dotierung von Risikopuffern so etwas wie eine Nulllinie bei den Semesterergebnissen anzusteuern. Wenn sich nicht in der zweiten Jahreshälfte eine höchst überraschende Konjunkturwende einstellt oder aber die heimische Bankenaufsicht mit einem Federstrich die geforderte Risikoabdeckungsquote von notleidenden Krediten (Loan Coverage Ratio) stark absenkt, wird man spätestens mit den Jahresabschlüssen 2016 in den sauren Apfel beißen und die deutlich beeinträchtigte Ertragssituation auch in tatsächlich rückläufigen Gewinnen reflektieren. Härtere Linie der AufsichtChinas führende Kreditinstitute scheinen zwar die Lobbymaschinerie angeworfen zu haben, um den Regulator China Banking Regulatory Commission (CBRC) zu einer Absenkung der Loan Coverage Ratio (LCR) mit einer Mindestabdeckung von faulen Krediten durch entsprechende Risikovorsorgeposten von bislang 150 % zu bewegen; dem Vernehmen nach wird aber die CBRC mit Rückendeckung durch die Zentralbank und die Führungsverantwortlichen in der chinesischen Partei sich diesem Ansinnen widersetzen. Schließlich hat man sich in Peking einer ernsteren Auseinandersetzung mit systemischen Finanzstabilitätsrisiken verschrieben. Zwar wird die CBRC die Banken nicht für eine (bislang sehr geringfügige) Unterschreitung der Loan Coverage Ratio abstrafen, die Institute aber sehr wohl dazu anhalten, das Tempo bei den Abschreibungen von notleidenden Krediten weiter zu forcieren, Dies führt zwangsläufig zu einer Verbesserung der Coverage Ratio, aber auch zur Schmälerung der Gewinnausweise in den kommenden Quartalen. Kriegsschauplatz WMPEine Bekämpfung von systemischen Risikoquellen heißt aber auch, dass die Bankenaufsicht im ausufernden Geschäft der chinesischen Banken und Schattenbanken mit sogenannten Wealth Management Products (WMP) die Bremse einlegen wird. Zumindest wird man sehr viel genauer hinschauen, in welche Anlagekategorien diese Vehikel investieren und inwiefern diese dazu dienen, hochriskante Kreditgewährungen über eine außerbilanzielle Verpackung an den etablierten Sicherungsmechanismen vorbeizuschleusen.Bei den chinesischen WMP geht es um eine riesige Kategorie von meist kurzfristigen Anlageprodukten, die von Geschäftsbanken und Schattenbanken oft gemeinsam aufgezogen und den chinesischen Sparern als höherverzinsliche Alternative zu herkömmlichen Spareinlagen angeboten werden. Dabei handelt es sich aber nicht um klassische Geldmarktfonds oder Wertpapierfonds mit einer nachvollziehbaren Anlagestrategie, sondern um strukturierte Produkte, die mit Aktien, Anleihen und/oder von Schattenbanken angeleierten Hochzinskrediten an tendenziell bonitätsschwache Unternehmen oder chinesische Infrastrukturfinanzierungsvehikel unterlegt sind. Niedrigzinsen tun wehDas WMP-Geschäft ist den Regulatoren auch deshalb ein Dorn im Auge, weil es einer verschleierten außerbilanziellen Kreditvergabeaktivität Vorschub leistet. Tatsächlich sieht man es weniger bei den größten Banken des Landes, aber bei zahlreichen Kreditinstituten der zweiten Reihe beziehungsweise den sogenannten City Commercial Banks. Eine Beschneidung des WMP-Geschäfts ist aus Sicht der Banken vor allem mit Blick auf ihre Refinanzierungsstrategie ein Ärgernis, weil sie die im Niedrigzinsumfeld zunehmend unzufriedenen Einlagenkunden und Sparer über diese kurzfristigen Anlageprodukte bei der Stange halten können. Dabei werden die WMP in der Regel aus Einlagenkonten gespeist, wobei die Gelder bei Fälligkeit zunächst wieder in diese zurückfließen, was es Banken wiederum ermöglicht, zu regulatorischen Stichtagen genügend Passivmittel auszuweisen, um den geforderten Aktiv-Passiv-Quoten nachzukommen.Das WMP-Geschäft erlaubt den Banken zwar, beim Vertrieb von solchen Produkten für Schattenbanken und Fondsgesellschaften Provisionserträge zu erwirtschaften, doch reicht dies bei weitem nicht aus, um die Effekte einer seit Ende 2014 umgesetzten Zinsliberalisierung mit mittlerweile stärker beweglichen und wettbewerbsreagiblen Einlagenzinsen sowie den generell Banken nicht schmeckenden Leitzinssenkungen im ebenfalls seit Herbst währenden geldpolitischen Lockerungszyklus zu kompensieren. Während die Banken noch zu Anfang der Dekade im starren chinesischen Zinsbindungssystem quasi per Dekret auf äußerst satte Nettozinsmargen nahe bei 3 % kamen, haben sich die Spannen zum Ende des ersten Quartals mit Werten zwischen 2,2 und 2,4 % bei Instituten wie ICBC, der nach Bilanzsumme weltgrößten Bank, und der Agricultural Bank of China, der nach Filialen größten Bank, doch fühlbar eingeengt. In Verbindung mit einer gedrosselten Kreditnachfrage von Unternehmen in konjunkturell stärker beeinträchtigten Sektoren wirft dies Sand ins Getriebe. Kaum auszugleichenErstmals seit rund fünfzehn Jahren sehen sich chinesische Großbanken für eine Ergebnisperiode mit stagnierenden oder gar leicht rückläufigen Zinsüberschüssen konfrontiert. Da die Zinssalden bislang stets für 80 % und mehr der Roherträge von chinesischen Banken aufkamen, kann der Dynamikverlust durch etwas flottere Provisionserträge etwa im Kreditkartengeschäft und bei Anlageprodukten nicht aufgefangen werden. Auch das Zahlungsverkehrsgeschäft und Devisentransaktionen einschließlich der Aktivitäten bei Handelsfinanzierungen und das Yuan-Clearing auf Offshore-Märkten vermögen bei einer zuletzt sowieso wieder schleppenderen Verbreitung der chinesischen Valuta für internationale Handels- und Zahlungsverkehrstransaktionen kaum ein ernstes Gegenwicht zu verschaffen.—-Zuletzt erschienen: – Die Mercedes Bank steht und fällt mit Daimler (23. August)- Im Retailgeschäft warten Chancen (20. August)- Unverzichtbares Immobiliengeschäft (19. August)