Chinas Großbanken überraschen
nh Schanghai
Chinas führenden Großbanken ist es auf der Zielgeraden des Geschäftsjahres 2020 gelungen, deutlich höhere Erträge einzufahren und damit einen von den Analysten fest erwarteten Ergebnisrückgang für das zurückliegende Gesamtjahr zu verhindern. Beim Branchenführer Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) schoss der Gewinn nach Steuern im vierten Quartal um 44% auf 88,3 Mrd. Yuan in die Höhe, damit wurde die Konsensschätzung der Analysten deutlich übertroffen. Noch rasanter stellte sich die Ertragsentwicklung beim zweitgrößten Kreditinstitut des Landes China Construction Bank (CCB) dar, hier kletterte der Gewinn nach Steuern im Vergleich zur Vorjahresperiode um 56% auf 65,2 Mrd. Yuan.
Während man bislang davon ausgegangen war, dass die vier größten und allesamt staatskontrollierten Banken des Landes im Jahr 2020 wegen der Beeinträchtigungen aus der Corona-Pandemie und der Verarbeitung von steil anziehenden Kreditausfallrisiken erstmals seit 15 Jahren wieder rückläufige Gewinne schreiben würden, zeigt man sich nun angenehm überrascht. Die ICBC verzeichnet für das Geschäftsjahr 2020 nun einen Anstieg des Gewinns nach Steuern um 1,4% auf 317,7 Mrd. Yuan, während die CCB das Jahresergebnis um 1,6% auf 273,6 Mrd. Yuan höherschrauben konnte.
Trotz insgesamt gedrückter Stimmung an der Hongkonger Börse konnten chinesische Großbankenwerte am Montag an ihre relativ gute Performance der letzten Wochen weiter anknüpfen und erreichten Kurszuwächse von bis zu 2%. Banken- und Finanzwerte haben sich entgegen dem Mitte Februar eingesetzten Korrekturtrend an den Börsen in Schanghai und Hongkong gut behaupten können und werden mittlerweile vor allem wegen ihrer noch immer stark gedrückten Bewertungsrelationen von Value-Investoren geschätzt.
Die ICBC etwa weist auch gegenwärtig noch ein denkbar niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,56 aus. Analysten bei China International Capital Corp. trauen den Aktien von ICBC und CCB Kurssteigerungen von bis zu 50% im weiteren Jahresverlauf zu.
Mittlerweile setzt sich bei den Anlegern die Überzeugung durch, dass zumindest die großen chinesischen Kreditinstitute die Herausforderung einer deutlich gesteigerten Kreditvergabe an von der Coronasituation bonitätsmäßig angegriffene Unternehmenskunden relativ gut gemeistert haben. Nun können sie von einer seit Herbst 2020 wieder deutlich anziehenden chinesischen Konjunktur entsprechend profitieren. So war Chinas Bruttoinlandsprodukt nach dem heftigen Rückschlag zu Jahresbeginn 2020 im vierten Quartal wieder kräftig um 6,5% gewachsen und dürfte nach Einschätzung von China-Ökonomen in diesem Jahr noch deutlich kräftiger um 8 bis 9% zulegen.
Impairment zieht kräftig an
Dank der zügigen Wirtschaftserholung von der Coronaproblematik hellen sich auch die Perspektiven für Chinas Großbanken bei der Bewältigung von Kreditausfallrisiken wieder etwas auf. Im vierten Quartal sah man für die Gesamtheit der chinesischen Kreditinstitute erstmals seit fünf Jahren wieder eine Ermäßigung des Volumens an notleidenden Krediten (siehe Grafik). Allerdings befand man sich zu Jahresultimo noch immer auf einem deutlich höheren Niveau als vor Ausbruch der Corona-Pandemie.
Dies schlug sich nicht zuletzt in einem deutlichen Anstieg der Abschreibungen und Rückstellungen für Kreditrisiken (Impairment) um 13% bei der ICBC und 19% bei CCB nieder. Auch das Verhältnis der Non-Performing Loans (NPLs) zum gesamten Kreditbestand ist bei ICBC Stand Ende 2020 von 1,43 auf 1,58% und bei CCB von 1,42 auf 1,56% geklettert. Damit liegt ihre sogenannte NPL-Quote aber noch fühlbar unter dem Durchschnittswert für Chinas Kreditwirtschaft von 1,8%.