Chinas Neukreditvergabe schwächelt wie noch nie
Chinas Neukreditvergabe schwächelt wie noch nie
Müde Nachfrage bringt heftige Schrumpfung im Jahr 2024 – Kaum Bewegung beim Realzins – Private Haushalte ducken sich
nh Schanghai
Bei der monetären Befeuerung der chinesischen Wirtschaft hapert es an verschiedenen Stellen. Nicht nur die Entwicklung der Geldmengenaggregate ist weit unter Durchschnitt, sondern auch die Kreditvergabeaktivität zeigt sich ungewöhnlich lethargisch. Die am Dienstag von der People’s Bank of China (PBOC) veröffentlichte Jahresstatistik zur Neukreditvergabe im Bankensystem sowie den Kapitalmarktfinanzierungen mit einschließenden „Aggregate Financing“ spricht Bände.
Erster Rückgang seit 2011
Im vergangenen Jahr haben die chinesischen Banken neue Kredite in Höhe von 18,1 Bill. Yuan (2,35 Bill. Euro) ausgereicht. Das bedeutet einen empfindlichen Rückgang von gut 20% gegenüber dem Vorjahresniveau bei 22,8 Bill. Yuan. Eine so starke Drosselung der Kreditvergabeaktivität gab es in der neueren Wirtschaftsgeschichte des Landes noch nicht. Die letzte, allerdings wesentlich geringere Schrumpfungsbewegung sah man im Jahr 2011, als Chinas Konjunktur nach einer Boomphase abkühlte.
Abstieg erst nach der Pandemie
Mit gut 18 Bill. Yuan an Neukrediten wird der schwächste Wert seit 2019 verzeichnet. Im Gegensatz zu westlichen Industrieländern hatten die chinesischen Banken auch in der Pandemiezeit und besonders im von Corona-Lockdowns geschwächten Jahr 2022 ein zum Teil sogar flottes Kreditvergabetempo an den Tag gelegt. Seit Herbst 2023 sieht man jedoch ein starkes Abflauen der Kreditnachfrage sowohl auf Ebene der Unternehmen wie auch der privaten Haushalte.
Beim Aggregate Financing, das unter anderem Bond- und Aktienemissionen mit einrechnet, stellt sich für 2024 ein ebenfalls ungewohnter, aber nur leichter Rückgang von 35,6 auf 32,3 Bill. Yuan ein. Hier haben vor allem wuchtige Sonderanleihemissionen zur Wirtschaftsankurbelung seitens des Zentralstaats und der Lokalregierungen kompensierend gewirkt.
Klemme am Immobilienmarkt
Es gibt eine ganze Reihe von bremsenden Faktoren, allen voran eine eingetrübte Wirtschaftsstimmung mit schwachem Investitionsvertrauen und gedrosseltem Konsum. Hinzu kommen die massiven Probleme am Immobilienmarkt mit einem fortschreitenden Rückgang der Wohnungspreise, der die Nachfrage nach fremdfinanzierten Neu- und Gebrauchtwohnungen stark abbröckeln lässt. Eine Rolle spielt aber auch Chinas Deflationstendenz mit einem minimalen Anstieg der Verbraucherpreise von 0,2% im Jahr 2024 und einem schon über zwei Jahre anhaltendem Rückgang der Erzeugerpreise.
Realzinsen bleiben hoch
Bei der mittel- und langfristigen Neukrediten im Unternehmenssektor sah man im Jahr 2024 einen Rückgang um mehr als ein Viertel von 13,6 auf 10,1 Bill. Yuan. Chinas Industriesektor konnte zwar in Teilen an gewohnte Wachstumsdynamik anknüpfen, die Kreditnachfrage der Unternehmen ist aber dennoch von geringem Investitionsvertrauen geprägt.
Dabei erzielen monetäre Lockerungsschritte der PBOC kaum Wirkung. Die Senkungen der Loan Prime Rate als Benchmark für die Nominalzinsen von Firmendarlehen bringen im Zusammenspiel mit der Inflationsentwicklung nur wenig Entlastung bei den Realzinsen und damit den eigentlichen Kreditkosten.
Keine Lust auf Hypotheken
Was die privaten Haushalte angeht, ist ihre Darlehensnachfrage vor allem von der Immobilienmarktsituation mit abbröckelnden Wohnungsverkäufen geprägt. In der PBOC-Statistik sind mittel- und langfristige Kredite an Private als Indikator für das Hypothekengeschäft mit insgesamt 2,25 Bill. Yuan auf den niedrigsten Wert seit Anfang der vorangegangenen Dekade verkümmert. Bei der Kategorie der kurzfristigen Darlehen, die vor allem Konsumkredite umfassen, kommt man auf weniger als 500 Mrd. Yuan, den niedrigsten Wert seit der Finanzkrise von 2008.