Chinas Schuldenmacher im Visier

Ratingagentur Dagong bastelt an einer Systematik zur Bonitätsbewertung der Lokalregierungen

Chinas Schuldenmacher im Visier

Die Überschuldungsproblematik chinesischer Lokalregierungen und ihrer Finanzierungsvehikel ist eine riesige Grauzone. Die chinesische Ratingagentur Dagong startet einen zaghaften Versuch, ihre Bonitätslage greifbarer zu machen.Von Norbert Hellmann, Schanghai Von einem kommunalen Anleihemarkt ist man im Reich der Mitte noch weit entfernt. Auch die Aussichten, klar nachvollziehbare Daten über die Finanzlage von Tausenden chinesischer Gebietskörperschaften zu erhalten, sind äußerst gering. Einen Hoffnungsschimmer in Richtung einer verbesserten Transparenz bei der Kommunalfinanzierung verbreitet nun die chinesische Ratingagentur Dagong Global Credit Ratings. Sie verspricht die Entwicklung einer neuen Bewertungssystematik, mit der die Bonität einzelner Gebietskörperschaften und ihre Fähigkeit zur Bedienung der Außenstände ihrer überwiegend durch Bank- und Schattenbankkredite gespeisten Finanzierungsvehikel erfasst werden soll en.Laut dem Präsidenten der Dagong Ratingagentur, Guan Jianzhong, handelt es sich um den ersten Ansatz, ein systematischeres Bild über die tatsächliche Belastung der über 6 500 Finanzierungsvehikel zu erhalten, mit denen die Kommunen Gelder aufnehmen, um Infrastrukturprojekte und sonstige öffentliche Vorhaben zu stemmen.Guan zufolge sind die Gebietskörperschaften mit der Einschätzung ihrer Finanzlage selbst überfordert und stecken in zahlreichen Fällen in einer gefährlichen Spirale, weil sie darauf angewiesen sind, neue Kredite aufzunehmen, um den laufenden Schuldendienst zu bewerkstelligen. Oft seien die Einnahmen aus langfristig ausgelegten, aber typischerweise kurzfristig finanzierten Projekten nicht ausreichend, um die Finanzierungskosten abzudecken.Die vom Infrastrukturboom zur Belebung der chinesischen Wirtschaft nach der Finanzkrise angeheizte Schuldenproblematik der chinesischen Lokalregierungen gilt seit mehreren Jahren als ein Risikofaktor für das chinesische Bankensystem, allerdings haben sich bislang keine Anzeichen für die befürchtete Welle von Kreditausfällen eingestellt. Dies dürfte allerdings nicht zuletzt daran liegen, dass die Überwälzung des Schuldendienstes auf neue Kreditmittel die Problematik verzögert. Entsprechende Daten dazu sind allerdings dünn gesät. Höhere RisikovorsorgeZur Jahresmitte 2011 hatte die chinesische Regierung letztmalig die von den Gebietskörperschaften angehäuften Schulden auf 10,7 Bill. Yuan (1,3 Bill. Euro) beziffert. Außerdem wurden die chinesischen Großbanken dazu angehalten, ihre kommunale Kreditgewährung einzuschränken und eine erhöhte Risikovorsorge zur Abdeckung möglicher Kreditausfälle zu betreiben.Analysten gehen allerdings davon aus, dass die verschärfte Disziplin wieder nachgelassen hat und insbesondere während des Jahres 2012 das Finanzierungsvolumen stark angeschwollen sein dürfte. Sie veranschlagen den Schuldenberg der Kommunen auf mittlerweile mindestens 12 Bill. Yuan. Gleichzeitig wird vermutet, dass angesichts der stärkeren Zurückhaltung der chinesischen Großbanken, ihre Kommunalfinanzierungen auszudehnen, die als Trust Companies bezeichneten und nicht der Bankenaufsicht unterstehenden chinesischen Kapitalsammelstellen stärker mit Mittelvergaben eingesprungen sind (siehe Grafik). Das aus diesem legalen Ausschnitt des chinesischen Schattenbankwesens heraus generierte ausstehende Volumen an Finanzierungen für Infrastrukturprojekte soll im Verlauf des Jahres 2012 von rund 1 Bill. Yuan auf rund 1,5 Bill. Yuan angeschwollen sein. Auch versuchen sich lokale Finanzierungsvehikel verstärkt mit der Ausgabe von Anleihen flüssig zu halten. Beim Wertpapierabwickler China Central Depository & Clearing Co. wurden 2012 entsprechende Emissionen über 637 Mrd. Yuan registriert, ein Anstieg gegenüber Vorjahr um knapp 150 %. Heikle NotenvergabeDa die chinesischen Gebietskörperschaften mit einigen wenigen Ausnahmen im Rahmen eines Pilotprojektes selbst keine Anleihen begeben dürfen und dies den wenig transparenten Zweckgesellschaften überlassen, ist eine stärkere Erfassung der Gesamtzusammenhänge über eine Ratingsystematik sicher willkommen. Analysten bezweifeln aber, dass es Dagong gelingen wird, wirklich zuverlässige Informationen zu erhalten. Außerdem wird das Verteilen von Bonitätsnoten an einzelne Gebietskörperschaften von der Bereitschaft des chinesischen Staates, im Ernstfall mit Mitteln aus dem Zentralhaushalt einzuspringen, überlagert. Selbst bei den wenigen Adressen, die im Rahmen des Pilotprojektes bislang “eigenständige” Anleihen begeben durften – nämlich die als solide geltenden Provinzregierungen von Guangdong und Zhejiang sowie die Stadtverwaltungen von Schanghai und Shenzhen -, stand das Finanzministerium als Garant im Hintergrund.Dennoch betont Dagong, dass derzeit rund 50 Lokalregierungen einen Anfang machen wollen und sich einer eigenständigen Bonitätsevaluierung durch die Ratingagentur unterziehen wollen. Die echten Problemkinder unter den chinesischen Lokalregierungen dürfte man in diesem Kreis aber sicherlich nicht finden.