IM BLICKFELD

Chinas Währungshüter schielt auf die Schattenbanken

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 7.8.2013 Mit der Wiederaufnahme einer geregelten Liquiditätszufuhr über Wertpapierpensionsgeschäfte sorgt die chinesische Zentralbank für Entlastung an Chinas verspannten Geldmärkten. Damit legen sich...

Chinas Währungshüter schielt auf die Schattenbanken

Von Norbert Hellmann, SchanghaiMit der Wiederaufnahme einer geregelten Liquiditätszufuhr über Wertpapierpensionsgeschäfte sorgt die chinesische Zentralbank für Entlastung an Chinas verspannten Geldmärkten. Damit legen sich die Befürchtungen, dass einer aufsehenerregenden Liquiditätsklemme am chinesischen Interbankenmarkt in den letzten Juniwochen eine neuerliche Episode hinzugefügt wird.Chinas Kreditwirtschaft kommt deswegen aber noch lange nicht zur Ruhe, denn die derzeitige geldpolitische Ausrichtung und härtere Gangart der People’s Bank of China ist als eine Disziplinaraktion mit weitreichenden Folgen zu werten. Das kräftige Wachstum der Kredittätigkeit während der ersten Jahreshälfte ist vor allem auf einen Schub an Finanzierungen außerhalb des staatlich dominierten Geschäftsbankensystems erfolgt. Falsche KanäleChinas Schattenbanken, von den mit Hedgefonds vergleichbaren Trust-Gesellschaften über Vermögensverwalter, Brokerhäuser, Private-Equity-Firmen bis hin zu Unternehmen mit Überschussguthaben, haben den Turbo zugeschaltet, doch scheinen die Kreditvergabeimpulse nicht in der Realwirtschaft anzukommen und dem Dynamikverlust des chinesischen Wachstums entgegenzuwirken. Vielmehr sieht der Währungshüter sie in “falsche” Kanäle geraten, etwa im überhitzten Immobilienmarkt und bei überschuldeten und bonitätsschwachen Kommunen landen. Auch leisten die Schattenbanken einem rasanten Aufbau von windigen Anlageprodukten Vorschub. Boomende AnlageprodukteVermögende Anleger in China sind angesichts schwach verzinster Bankdepositen zunehmend dazu übergegangen, ihre Gelder in kurzfristige Anlagen im Schattenbereich zu investieren. Allerdings werden die als Wealth Management Products (WMP) bezeichneten Vehikel von Banken aufgelegt und verbrieft und so strukturiert, dass sie zu Quartals- oder Monatsstichtagen kurzfristig wieder in Einlagen umgewandelt werden können.Für die Anlagen selber aber sind Schattenbanken zuständig. Die kurz laufenden Vehikel werden zunehmend zur Finanzierung von langfristigen Infrastrukturprojekten und Immobilienengagements sowie Bondanlagen verwendet. Zum Teil fließen die Gelder auch in Darlehen an Kleinunternehmen, die wenig Zugang zum geregelten Banksystem haben, sowie an Zweckgesellschaften von Kommunen, deren Kreditlinien bei den Banken erschöpft sind.Daraus ergibt sich ein höchst undurchsichtiger Finanzierungskreislauf, zumal die privaten Anleger die Produkte mit der Solidität einer Spareinlage bei Banken verbinden, obwohl diese für Ausfälle von WMP de facto keine Haftung übernehmen.Mit knapperer Liquidität und einer Verteuerung der Zinsen am kurzfristigen Ende des Marktes setzte die Notenbank ein Zeichen, dass sie Kontrolle über ausufernde Schattenbankenfinanzierungen und der Wahrung einer zusehends in Frage gestellten Finanzstabilität im Reich der Mitte höchste Priorität einräumt. Damit soll vor allem verhindert werden, dass die Geschäftsbanken günstige Liquiditätsbedingungen zur Refinanzierung von Schattenbanken verwenden. In China wird eine Welle von Zahlungsausfällen bei klammen Kommunen, überstrapazierten Immobilienentwicklern und allzu risikofreudigen Schattenbankadressen befürchtet, von der auch das Banksystem in schwere Mitleidenschaft gezogen werden könnte.In einer Analyse zu Chinas Schattenbankproblematik der schweizerischen Research- und Beratungsboutique für institutionelle Bondinvestoren, Independent Credit View (I-CV), wird auf die Risiken für das Bankensystem verwiesen, die aus den Verquickungen mit dem Schattenbanksektor resultieren. Weil die Geschäftsbanken sowohl auf Seite der Geldbeschaffung als auch der Kreditvergabe stark in das Schattenbankensystem eingreifen, seien Kreditausfälle leicht auf das Bankensystem übertragbar. Verletzliche GeschäftsbankenAls besonders verletzbar sieht man bei I-CV die Geschäftsbanken in Phasen eines nachlassenden Wirtschaftswachstums bei dennoch restriktiver Geldpolitik, also einer Konstellation, wie man sie derzeit beobachten kann. Eine sich weiter abschwächende Wirtschaft könnte dabei Auslöser einer Kreditkrise mit stark ansteigenden Ausfallraten sein. Entsprechende Abschreibungswellen könnten auch Rettungsaktionen für systemrelevante Institute notwendig machen. Nach Ansicht der I-CV ist es im Falle anhaltender Wirtschaftsschwäche nämlich nur eine Frage der Zeit, bis sich ein vom Schattenbanksystem, den Kommunen und den Kleinunternehmen herrührender Stress auch bis zu den großen Banken vorarbeiten wird.Über das tatsächliche Ausmaß chinesischer Schattenbankengagements und daran geknüpfter Gefahren gehen die Ansichten weit auseinander. Bei J. P. Morgan etwa wird das im Schattenbanksektor außerbilanziell akkumulierte Kreditvolumen auf 36 Bill. Yuan (5 Bill. Euro) geschätzt. Das würde in etwa 70 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entsprechen, muss aber nicht als alarmierend gelten. In den G 20-Ländern aber liegen die Schattenbankengagements im Durchschnitt bei etwa 110 % des BIP.So gesehen hätten Chinas Schattenbanken noch durchaus Raum für Wachstum, zumal sie eine auch von der Zentralbank und den Regulatoren anerkannte Funktion der Schließung von Lücken in der Kreditversorgung des Landes erfüllen. Die Zentralbank misstraut aber dennoch der rasanten Vermehrung von WMP-Vehikeln und der Ausreichungen der Trusts, die im vergangenen Jahr um über 50 % hochgeschnellt sind. Seit Juli allerdings soll sich das Tempo stark gedrosselt haben, ein Indiz dafür, dass die Schocktherapie vom Juni Wirkung zeigt. Chinas Geschäftsbanken müssen sich wohl auf einen neuen Trade-off einstellen: Wenn sie am Geldmarkt zu vertretbaren Zinsen flüssig bleiben wollen, müssen sie Abstriche machen, um die Schattenbanken flüssig zu halten.