Interview mit Changfeng Tu und Christian Möller

"Chinesische Bieter werden in Deutschland konkurrenzfähiger"

Regierung vereinfacht Genehmigungsprozesse - Bisher Nachteile bei Auslandsinvestitionen

"Chinesische Bieter werden in Deutschland konkurrenzfähiger"

Herr Möller, welche Bedeutung haben Transaktionen zwischen chinesischen und deutschen Unternehmen heute?Der chinesische Markt hat sich rasant entwickelt und gewinnt konstant an Bedeutung für die globale Wirtschaftsleistung. Dies spiegelt sich auch in den Direktinvestitionen aus China wider. Während deutsche Unternehmen dort bereits seit vielen Jahren in Joint Ventures und Unternehmensbeteiligungen investieren, gibt es in den letzten fünf Jahren auch einen konstanten Fluss von chinesischen Investitionen nach Deutschland. Konkret interessieren sich die asiatischen Investoren für Beteiligungen an deutschen Industrie- sowie Maschinenbauunternehmen. Hoch im Kurs ist auch die deutsche Umwelttechnologie. In der Regel sind dies mittelständische Unternehmen. Die größte Transaktion war bisher der Erwerb von Anteilen an Kion durch Weichai Power. Welche Bedeutungen haben behördliche Genehmigungen bei diesen Investitionen, Herr Möller?Grundsätzlich benötigen alle grenzüberschreitenden Unternehmenskäufe durch chinesische Investoren die Genehmigung verschiedener chinesischer Behörden. In der Regel können diese Genehmigungen erst beantragt werden, wenn die Parteien die maßgeblichen Verträge unterzeichnet haben. Das Genehmigungsverfahren ist in der Regel sehr zeitaufwendig; es kann über ein halbes Jahr in Anspruch nehmen. Außerdem gilt das Verfahren bei europäischen Verkäufern als intransparent. Verkäufer schätzen Transaktionssicherheit, Käufer aus anderen Teilen der Welt sind in diesem Punkt besser aufgestellt als die Chinesen. Daher müssen chinesische Investoren oft einen höheren Kaufpreis anbieten, um diese Unsicherheit für den Verkäufer auszugleichen. Im Wettbewerb mit anderen Bietern kommen chinesische Unternehmen aus diesem Grund bei interessanten Objekten oft gar nicht in die Auswahl. Herr Tu, welche relevanten rechtlichen Veränderungen gab es in der letzten Zeit?Die chinesische Regierung hat im letzten Jahr Reformen eingeleitet, die darauf abzielen, “Mehr Markt und weniger Regierung” zu realisieren. Grundsätzlich soll der Markt eine stärkere Rolle bei der Allokation der Ressourcen spielen. Die Regierung will sich verstärkt aus der Wirtschaft zurückziehen. Diese Grundsatzentscheidung wird nun nach und nach umgesetzt. Bei Investitionen bedeutet das auch einen Abbau der Genehmigungsvorbehalte. Die chinesische Regierung hat erkannt, dass chinesische Unternehmen bei Auslandsinvestitionen durch die Vielzahl der erforderlichen Zustimmungen einen Nachteil haben. Auch deshalb werden die Genehmigungsprozesse vereinfacht. Was heißt das konkret, Herr Tu?Nach den neuen Regelungen zu grenzüberschreitenden Investitionen, die die staatliche Planungsstelle NDRC und das Wirtschaftsministerium MOFCOM im Mai bzw. Oktober erlassen haben, bedarf ein beachtlicher Teil der Investitionen nur der Anmeldung und nicht der Genehmigung, mit einem Widerspruchsrecht der Behörden, wenn sie Bedenken haben. Die Fristen sind kürzer als im Genehmigungsverfahren. Einer echten Genehmigung bedürfen seit Inkrafttreten der neuen Regelungen nur noch Investitionen mit einem Investitionsvolumen von über 1 Mrd. US-Dollar sowie Investitionen in sensiblen Branchen oder sensiblen Ländern und Regionen, Deutschland gehört nicht zu den sensiblen Ländern, und die Maschinenbau-, Chemie- sowie Automobilindustrie zählen auch nicht zu den sensiblen Branchen. Mit welchen Auswirkungen rechnen Sie, Herr Möller?Die chinesischen Bieter in Deutschland werden sicherlich konkurrenzfähiger. Im Idealfall können sogar alle chinesischen regulatorischen Genehmigungen bereits vor Vertragsabschluss eingeholt werden. Dadurch entfällt die von deutschen Verkäufern häufig so empfundene Transaktionsunsicherheit, und die Erfolgswahrscheinlichkeit von Bemühungen chinesischer Investoren um M&A-Objekte steigt. Herr Tu, wie schätzen Sie diese Veränderungen in der nahen Zukunft ein?Die Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Investoren auf dem internationalen M&A-Markt wird weiter zunehmen, zugleich steigt der wirtschaftliche Druck, im Ausland zu investieren. Chinesische Unternehmen wollen sich internationalisieren und wollen ausländische Technologie auf dem heimischen Markt nutzen. Diese Unternehmen werden damit aktiver auf dem internationalen M&A-Markt agieren. Dabei sehen wir ein großes Interesse der chinesischen Investoren an deutschen Targets. Industrieprodukte “Made in Germany” genießen auf dem chinesischen Markt einen sehr guten Ruf. Deutsche Unternehmen haben in der Regel eine starke Marke, weit entwickelte Technologie, eine gut funktionierende Forschungs- und Entwicklungsabteilung und, was für chinesische Investoren wichtig ist, oftmals ein hervorragendes Management-Team mit internationaler Erfahrung. Deutschland ist aus chinesischer Sicht also ein hervorragender Ausgangspunkt für die eigene Internationalisierung. Herr Möller, worauf müssen sich deutsche Unternehmen einstellen?Auf der einen Seite kann der Eintritt chinesischer Investoren eine Herausforderung für den deutschen Mittelstand darstellen, wenn die chinesischen Unternehmen als Wettbewerber aktiver in den Markt eintreten. Der Technologievorsprung kann sich verringern, und auch international verstärkt sich der Konkurrenzdruck. Aber das Interesse chinesischer Unternehmen bietet auch viele Chancen: Durch Überkreuzbeteiligungen besteht die Möglichkeit, am Internationalisierungsprozess der chinesischen Unternehmen teilzuhaben und mittelfristig den großen chinesischen Markt für die eigenen Produkte zu erschließen. Gibt es kulturelle Besonderheiten in deutsch-chinesischen Transaktionen, Herr Tu?Prinzipiell ist der Verhandlungsstil von Chinesen anders, als wir es gewohnt sind. Verhandlungsteams können sehr hierarchisch sein, und die Entscheidungsinstanzen müssen berücksichtigt werden. Dies kann für deutsche Verhandlungspartner zeitaufwendiger sein, als sie es erwarten. Es ist nicht unüblich, dass bereits erzielte Verhandlungsergebnisse wieder in Frage gestellt werden. Auf der anderen Seite haben etliche chinesische Investoren bereits internationale Erfahrung, so dass es zunehmend einen professionellen Konsens gibt. Sehr viel basiert aber auch einfach auf dem persönlichen Vertrauensverhältnis. Herr Möller, Hengeler Mueller eröffnet Anfang Dezember ein Büro in Schanghai. Was haben Sie sich vorgenommen?Hengeler Mueller unterhält bereits seit Jahren hervorragende Mandatsbeziehungen zu Unternehmen in China und anderen asiatischen Ländern. Wir werden Anfang Dezember unser Büro im Wheelock Tower, einem der zentralen Landmarks in Schanghai, eröffnen und dann von dort aus chinesische und deutsche Unternehmen beraten. Mit unserer Präsenz in China können wir unsere Mandate mit Bezug zu China und anderen asiatischen Ländern weiter ausbauen. Wir werden sowohl unsere deutschen Mandanten bei ihren Projekten in China als auch chinesische Investoren auf dem Weg nach Deutschland noch effizienter begleiten können. Dabei ist die Industriestadt Schanghai ein besonders attraktiver Standort für ausländische Investoren und Sitz zahlreicher internationaler Finanzinstitutionen. Sie bildet als größte Stadt des Landes einen wichtigen Knotenpunkt in China.——Dr. Changfeng Tu, Partner für Gesellschaftsrecht und M&A, Hengeler MuellerDr. Christian Möller, Partner für Gesellschaftsrecht und M&A, Hengeler Mueller——Das Interview führte Claudia Weippert-Stemmer.