IM GESPRÄCH: KRISTINE BRADEN UND STEFAN HAFKE

Citigroup bekennt sich zum deutschen Markt

Neue Führung gelobt Kontinuität - Bank verlagert 250 Jobs nach Kontinentaleuropa - Pandemie bremst Brexit-Vorbereitungen

Citigroup bekennt sich zum deutschen Markt

Citigroup wehrt sich gegen den Eindruck nachlassenden Engagements am deutschen Markt. “Wenn wir eines gerade nicht tun, dann ist dies, unser Engagement zurückzufahren”, erklärt die neue Europa-Chefin Kristine Braden. Deutschland-Chef Stefan Hafke, seit April im Amt, kündigt Kontinuität in der Strategie an.Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie neue Führung der Citigroup in Deutschland und Europa tritt vehement dem Eindruck entgegen, sie fahre ihr Engagement im deutschen Firmenkundengeschäft angesichts der Coronakrise zurück. In ihrem ersten Gespräch mit der Presse bekennen sich Kristine Braden, im März als Europe Cluster Head und Chief Executive Officer Citigroup Global Markets Europe berufen, sowie Stefan Hafke, im April als Deutschland-Chef angetreten, zum europäischen und speziell zum deutschen Markt.Hafke zeigt sich im Gespräch mit der Börsen-Zeitung “irritiert” über Medienberichte, denen zufolge US-Banken ihr Engagement in Deutschland angesichts von Corona zurückgefahren haben. Das Gegenteil sei der Fall: “Wir haben keinesfalls Kreditexposure reduziert. Vielmehr haben wir für unsere deutschen Kunden die Liquiditätsversorgung durch Kreditinanspruchnahmen in Deutschland von März bis heute angesichts der Krise in Deutschland um 50 % hochgefahren. Zusätzlich haben wir in diesem Zeitraum unseren Bestandskunden neue Kreditzusagen im gleichen absoluten Betrag genehmigt”, erklärt er.In den vergangenen Wochen ist eine Debatte um die Aktivitäten gerade von US-Banken entbrannt, nachdem neben Goldman Sachs Citigroup als eine der Hausbanken Daimlers bei einer zusätzlichen Kreditlinie für den Autohersteller über 12 Mrd. Euro nicht von der Partei war. Lutz Diederichs, Deutschland-Chef von BNP Paribas, attestierte angelsächsischen Banken daraufhin in der Börsen-Zeitung “eine gewisse Zurückhaltung”. In den Rennlisten für syndizierte Kredite waren US-Banken zuletzt zurückgefallen.Hafke relativiert die Aussagekraft der Rennlisten. So gebe Citigroup vielfach bilateral Darlehen, die in der Statistik für syndizierte Kredite nicht enthalten seien. Zu einzelnen Kunden könne sich das Haus nicht äußern, sagt er, angesprochen auf den Daimler-Kredit. Andere Banken nutzten die Krise, um neue Kunden zu akquirieren, sagt Hafke mit Blick auf den Wettbewerb: “Das ist in diesem Sinne nicht unsere Strategie. Wir sind derzeit vor allem für unsere existierenden Kunden da und nehmen Neukunden selektiv auf.””Wir sind in Europa gerade unglaublich aktiv”, ergänzt Europa-Chefin Kristine Braden: “Tatsächlich haben wir unsere bis Juni laufenden Kreditzusagen um einen signifikanten Prozentsatz gegenüber dem Vorjahr erhöht, und all dies von einer hohen Basis, schon zuvor hatten wir unseren Kunden Milliarden an Euro geliehen. Wir sind von Jahresanfang bis Ende April bei 17 der 23 größten syndizierten Kredite Teil des Konsortiums gewesen. Damit sind wir momentan die zweitaktivste Bank im europäischen Markt für syndizierte Kredite”, rechnet sie vor. “Wir haben seit dem Beginn der Coronakrise in Europa, dem Nahen Osten und Afrika 31 Euro-Commercial-Paper-Programme aufgelegt und Bondemissionen über 178 Mrd. Dollar begleitet. Wenn wir eines gerade nicht tun, dann ist dies, unser Engagement zurückzufahren”, erklärt sie. Strukturell im AufbauStrukturell zeichnet sich ohnehin nicht ab, dass Citigroup ihre Präsenz in der Bundesrepublik reduziert. Im Gegenteil: Angesichts des Brexits baut das US-Haus in Kontinentaleuropa, aber auch in Frankfurt, dem Sitz von Citigroup Global Markets Europe, seinen Apparat und Personal auf. Wie Braden erklärt, wird die Bank infolge des britischen EU-Austritts 250 Arbeitsplätze von der Insel in die verkleinerte EU verlegen. Bislang war von 150 die Rede gewesen, wie es heißt. Wie viele Stellen davon auf Frankfurt entfallen werden, ist noch offen. 2019 beschäftigte Citigroup Global Markets Europa gut 400 Menschen. Der Aufbau der Bilanzsumme in der Frankfurter Einheit, die bereits 2019 von knapp 6 Mrd. auf gut 16 Mrd. Euro anschwoll, werde substanziell sein und größer ausfallen als zunächst geplant, kündigt Braden an, ohne sich indes auf ein Volumen festlegen zu wollen (siehe Text auf dieser Seite). Brexit-Deadline verpflichtetDie mit Covid-19 verbundenen Grenzschließungen haben dabei die Verlagerung von Personal verlangsamt und die Vorbereitungen gebremst, wie sie einräumt. Aber: “Wir sind der Deadline nach wie vor verpflichtet.”Im Zuge des Brexit verlagert die Bank ihre Handelskapazitäten für Kunden fast komplett nach Kontinentaleuropa, um ihre bisher von London aus erbrachten Dienstleistung in der künftigen EU zu behalten. Dazu zählten etwa der Bond-Handel, aber auch beträchtliche Kapazitäten im Geschäft mit Commercial Papers sowie das Aktiengeschäft. “Ab Ende Dezember werden wir dieses Geschäft hier deutlich wachsen sehen”, sagt Braden.Aufseher haben die damit einhergehenden Risiken im Auge. Citigroup Europe dreht als Broker-Dealer im Wertpapierhandel durchaus ein großes Rad, weshalb die Europa-Einheit infolge Systemrelevanz bald der direkten Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) unterstellt werden dürfte. Die Umbaukosten und ein schwieriges Marktumfeld im Lichte des Brexit haben die Bank im Rumpfgeschäftsjahr 2018 sowie 2019 in die roten Zahlen geführt (siehe Text auf dieser Seite). Der neue Deutschland-Chef Hafke kündigt gleichwohl an, die Strategie seines als Co-Head des globalen Geschäfts Financial Institutions berufenen Vorgängers Stefan Wintels recht nahtlos fortzusetzen: “Wir planen keinen revolutionären Strategiewechsel”, sagt der wie Braden gleich nach Amtsantritt mit der Corona-Pandemie konfrontierte Manager. 2019 habe das Haus bundesweit ein freundliches Wachstum gesehen und den Marktanteil bei ihren deutschen Kunden gerade im Geschäft mit Übernahmen und Fusionen ausgebaut.Im Startquartal habe die Volatilität das Marktgeschäft stimuliert. Citigroup werde sich weiterhin auf die größten gut 100 Unternehmen in Deutschland konzentrieren, um diesen global aktiven Gesellschaften das gesamte Netz der US-Großbank zu bieten, was etwa den Zahlungsverkehr im globalen Geschäft und entsprechende Absicherungen angehe. Daneben investiere die Bank Kapazitäten in zehn bis 20 weitere Gesellschaften, die sie auf dem Weg sehe, ein global aktives Unternehmen zu werden. Diesen Firmen stelle man dieselbe Infrastruktur, aber auch strategische Beratung wie den multinationalen Unternehmen bereit. Dabei geht es Citigroup darum, frühzeitig die Grundlage für spätere Kapitalmarktmandate, etwa für einen Börsengang, zu legen. Als Beispiel nennt Hafke den Essenslieferanten Delivery Hero, mit dem die Bank von Beginn an gewachsen sei. Mit Corona drohen dem Institut dabei nicht nur Belastungen im Zuge ausfallender Kredite. Es bieten sich auch neue Geschäftschancen, wie Europa-Chefin Braden herausstreicht. “In unserer Public-Sektor-Gruppe beraten wir Regierungen und andere öffentliche Stellen dabei, sich möglichst effizient zu finanzieren”, berichtet sie und ergänzt: “In den vergangenen Jahren hat sich der öffentliche Sektor bei der Fremdkapitalaufnahme eher zurückgehalten.” Nun aber seien die Staaten nun einmal am besten in der Lage, der Wirtschaft zu helfen. “In der Covid-19 Krise liegt der Fokus unserer Arbeit darauf, dem Markt Liquidität bereitzustellen und unseren Kunden Lösungen anzubieten, die auch unter diesen verschärften Krisenbedingungen tragfähig sind”, sagt Braden. Hierzulande steht das Haus Hafke zufolge unter anderem mit der Bundesfinanzagentur, der Bundesregierung und den Finanzverwaltungen in Kontakt.Den öffentlichen Sektor als Kundensektor hatte die Bank schon vor Jahren ins Auge gefasst, zunächst im Zuge von Kreditkartenprogrammen. “Wir bieten zum Beispiel Kunden der öffentlichen Hand unsere globale Infrastruktur für den Zahlungsverkehr an, um etwa Rentenzahlungen für Deutsche im Ausland effizienter gestalten zu können”, erklärt Hafke.Unterdessen zeigt sich Braden zuversichtlich, dass der Bank angesichts der anstehenden Reform der Zins-Benchmarks bis Ende kommenden Jahres die Umstellung sämtlicher Derivateverträge mit Kunden auf die Nachfolger von Eonia und Euribor gelingen wird. Es soll Kunden geben, für welche die Benchmark-Verordnung nicht gilt und die sich eine Novation ihrer Verträge bezahlen lassen wollen, wie im Markt berichtet wird. Braden berichtet von anderen Erfahrungen. Sowohl die Banken als auch ihre Kunden hätten ein Interesse daran umzustellen. “Keine Rückstellungen”Keinen neuen Stand gibt es bei Citi, was die Bewertung von Cum-ex-Handelsgeschäften in den Jahren 2008 bis 2012 angeht, bei denen das Institut als Depotbank fungierte: “Wir haben für das Geschäftsjahr 2019 in diesem Zusammenhang keine Rückstellungen gebildet”, sagt Hafke. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hatte zu Jahresbeginn Prüfer angehalten, die Abschlüsse der Banken vor dem Testat gezielt nach möglichen Belastungen infolge solcher Transaktionen zu durchleuchten. Caceis, der Verwahrer der Crédit-Agricole-Gruppe, überwies jüngst 312 Mill. Euro an Bayerns Steuerbehörden, setzt sich aber juristisch gegen den Steuerbescheid zur Wehr.