Co-Investing - vom Kreditinstitut zum Assetmanager

Für alle Seiten hilfreich - Warum private Banken den Kern ihres Geschäftsmodells im Finanzierungsbereich neu denken sollten

Co-Investing - vom Kreditinstitut zum Assetmanager

Höhere Eigenkapitalanforderungen und damit höhere Kapitalkosten auf der einen, ein dauerhaft extrem niedriges Zinsniveau auf der anderen Seite: Die Entwicklung der vergangenen Jahre setzt den Kern des Geschäftsmodells einer klassischen Bank im Finanzierungsbereich unter Druck. Doch das kann eine Chance sein – und zwar für Häuser, die dieses Geschäftsmodell mit Mut und strategischem Weitblick neu erfinden. So bietet gerade die Weiterentwicklung klassischer Kreditvergabe-Mechanismen hin zu Co-Investing-Modellen hervorragende Perspektiven für Banken, Investoren und nicht zuletzt mittelständische Unternehmer. Die Erosion der MargenWorum geht es? Traditionell sammeln Banken Gelder ihrer Kunden in Form von Einlagen und speisen diese in Form von Krediten wieder in die Volkswirtschaft ein. Diese Kredite führten die Institute in der Regel in der eigenen Bilanz – mit allen damit verbundenen Kosten, Chancen und Risiken. Diese Praxis veränderte sich seit den 1990erJahren mit dem Aufkommen von Kreditverbriefungen zunehmend. Banken begannen, ihre Bilanzen zu “erleichtern”, indem sie Unternehmenskredite verbrieften, komplett ausplatzierten und damit letztlich nicht mehr von Ausfällen betroffen waren. Dies wiederum führte zu einer mangelnden Sorgfalt im Umgang mit Kreditrisiken, der letztlich in der Subprime- und der folgenden globalen Finanzkrise der Jahre 2007 bis 2009 seinen Höhepunkt fand.Anschließend wurde das Rad zurückgedreht. Aber nicht unbedingt derart, dass es für Banken wieder attraktiver wurde, Kredite in der eigenen Bilanz zu behalten. Die internationale Regulierung – Stichworte: Basel III und Basel IV – verschärfte die Anforderungen an Eigenkapitalpuffer und Liquidität von Banken und verteuerte damit die Kreditvergabe über die eigene Bilanz weiter.An die Stelle von Banken und ihren Verbriefungen traten immer öfter andere, weniger stark regulierte Akteure: Schattenbanken, wie etwa Darlehensfonds. Mit den Bestrebungen zur Angleichung der Rechtsverhältnisse im europäischen Markt für Investmentfonds auf EU-Ebene hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sich 2015 der einheitlichen Regulierung von Darlehensfonds angenommen und die Darlehensausgabe durch alternative Investmentfonds auch in Deutschland erlaubt. Und auch auf Seiten der Nachfrager wurde den Versicherungen und Pensionskassen 2015 durch die Änderung der Anlageverordnung ermöglicht, in (Alternative-Investment-Fund-Managers-Directive-konforme) EU-Fonds zu investieren, die zu 100 % in Darlehen investiert sind. Solche Fonds sind also keinesfalls völlig unreguliert, dennoch genießen sie große Freiheiten – etwa in Form praktisch nicht vorhandener Eigenkapital- oder Mindestliquiditätsanforderungen. Auch müssen Fonds zwar einen Jahresabschluss aufstellen, die Abschlussprüfung ist jedoch nicht ansatzweise mit den detaillierten Prüfungen vergleichbar, denen Kreditinstitute unterliegen.Aufgrund dieser Wettbewerbsvorteile waren für Schattenbanken auch nach der Finanzkrise Finanzierungen möglich, die für klassische, der regulären Bankenaufsicht unterliegende Institute aufgrund der Kosten- oder Risikoerwägungen nicht darstellbar waren. Und die Schattenbanken trafen mit diesen Möglichkeiten auf institutionelle Anleger, die ihnen auf der Suche nach Rendite gerne ihr Kapital anvertrauten.Diese Situation besteht grundsätzlich weiterhin – und angesichts der erneuten Stimulationsmaßnahmen von Zentralbanken und Regierungen infolge der Covid-19-Pandemie sogar in erhöhtem Maße und auf längere Sicht als noch im vergangenen Jahr absehbar. Versicherungen und Pensionskassen stehen mehr denn je vor der Frage, wie sie ihren langfristigen Zusagen gerecht werden, ohne dabei unkalkulierbare Risiken einzugehen oder mit ihren eigenen regulatorischen Rahmenbedingungen in Konflikt zu geraten.Diese Lage bietet naturgemäß Chancen – nicht nur für Schattenbanken, sondern für Akteure, die Investoren einen exklusiven Zugang zu attraktiven Anlagemöglichkeiten bieten und diesen mit Management-Know-how sowie einem belastbaren regulatorischen Gerüst verbinden. Gerade Letzteres ist schließlich nicht nur eine Belastung auf der Kostenseite, sondern bietet Banken wie Investoren auch den Vorteil eines soliden Risikomanagements der Kredite und damit einhergehend ein höheres Sicherheitsniveau, als dies etwa bei Fonds der Fall ist.Gerade private Banken mit einer starken Verwurzelung in allen Teilen der deutschen Wirtschaft können hier eine ihrer Stärken einbringen: die Fähigkeit, interessante Projekte zur Finanzierung zu finden und sorgfältig zu beurteilen. Da es aber davon deutlich mehr gibt, als die begrenzten Bilanzen privater Banken aufnehmen können, kommen an dieser Stelle Partner ins Spiel – und zwar als Co-Investoren.Das bedeutet: Die Bank entfernt sich zwar von ihrer klassischen Rolle, Kredite zu vergeben, aber eben auch nicht so weit, wie das im Zuge der Komplettverbriefungen im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends geschah. Stattdessen behält sie einen Teil jedes Darlehens im eigenen Kreditbuch, sucht aber jeweils für den größeren Teil Partner, für die der Kredit eine rentable Investitionsmöglichkeit darstellt.Neben Akquisitions- und Schiffsfinanzierungen bietet sich als Beispiel für diese Art von partnerschaftlicher Finanzierung die kurzfristige (Zwischen-)Finanzierung von Wohnimmobilienprojekten an. Dabei wird etwa der Erwerb eines Leergrundstücks in innerstädtischer Lage durch eine Gesellschaft mit dem Ziel zwischenfinanziert, die Genehmigung zum Bau von Wohneinheiten zu erhalten. Gelingt dies, steigt der Wert des Grundstücks unmittelbar. Die langfristige Finanzierung der zu bauenden Objekte ist ein Standardgeschäft, das viele Institute anbieten. Die Zwischenfinanzierung für den Erwerb des unbebauten Grundstücks oder zu entwickelnde Bestandsimmobilien muss jedoch nicht nur oft sehr kurzfristig zur Verfügung stehen, das mit ihr verbundene Risiko ist auch nicht einfach einzuschätzen. Diese Aufwände scheuen viele Finanzinstitute – eine Lücke entsteht, in die spezialisierte, unternehmerisch agierende Häuser profitabel stoßen und somit möglichen Co-Investoren eine attraktive Anlage anbieten können. Die Bank bleibt im SpielAuf Märkten wie diesem tun sich im aktuellen Umfeld deutlich mehr attraktive Projekte auf, als eine mittelgroße Bank über ihre eigene Bilanz umsetzen kann. Gerade deshalb sind Co-Investing-Modelle für alle Seiten hilfreich. Die Unternehmen der Realwirtschaft erhalten leichter Zugang zu seriösen Finanzierungen. Die vermittelnde Bank kann ihr Geschäft unabhängig von bilanziellen Zwängen ausweiten. Und die Investoren, die dies ermöglichen, erhalten eine ansprechende Rendite. Durch die Co-Investing-Struktur sind die wirtschaftlichen Anreize von Bank und Investor auf einer Linie.Gemeinsame Investments von Banken und Versicherungen oder Pensionskassen unterscheiden sich dabei strukturell von Investments über reine Debt Funds. Sie weisen tendenziell ein konservativeres Risikoprofil auf und bieten zudem Zugang zum gesamten Kreditvergabe- und Risikomanagement-Know-how der Bank. In Assetmanagement-Terminologie ausgedrückt: Investoren nutzen echtes, aktives Management der Assetklasse Kredit für sich, über das viele andere Akteure schon aufgrund ihrer geringeren Ausstattung mit Personal und Know-how nicht verfügen.Zudem besteht eine hohe Flexibilität hinsichtlich der rechtlichen Struktur der Co-Investing-Engagements. Investoren können direkten Zugang zu Einzelkrediten etwa über eine stille Unterbeteiligung erhalten, bei der die Bank den größeren Teil der Ansprüche gegen den Schuldner gegen eine Bareinlage an den Investor abtritt. Wird die Beteiligung an einem kompletten Kreditportfolio bevorzugt, kommt die Konstruktion über ein Schuldscheindarlehen in Frage. Hierbei tritt die Bank einen Teil ihrer Kreditforderung an ein Special Purpose Vehicle (SPV) ab, das sich wiederum refinanziert, indem der Investor ein Schuldscheindarlehen zeichnet. Und schließlich werden am Markt bei großen Volumina auch Fondsstrukturen angeboten.Alle drei Modelle haben eines gemeinsam: Die Bank übernimmt weiterhin die gesamte Administration des Kredites und begleitet die Kreditnehmer auch im Falle von Leistungsstörungen. Und bleibt damit im Spiel: einerseits zum Wohle der Investoren, andererseits, weil Banken sich dadurch eine neue strategische Perspektive unter gründlich veränderten Rahmenbedingungen erarbeiten können. Philip Marx, Leiter Corporate Banking bei M.M. Warburg & CO