Comeback der Korrespondenzbanken
Für die in Asien gegründete britische Standard Chartered Bank spielt die Begleitung des weltweiten Handels seit jeher eine große Rolle. Von diesen Erfahrungen und Netzwerken können auch deutsche Kunden – Unternehmen wie Banken – profitieren, unterstreicht Managing Director Heinz Hilger im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.Von Karin Böhmert, FrankfurtAsien, Afrika, Mittlerer Osten – diesen Regionen werden überdurchschnittlich hohe volkswirtschaftliche Wachstumsraten vorausgesagt. Regionen zudem, auf die sich die Standard Chartered Bank strategisch fokussiert hat, denn sie zählen zu ihren Heimatmärkten. Seit ihrer Gründung vor gut 150 Jahren bewegt sich das Institut damit in einigen der wichtigsten, weil dynamischsten Märkte weltweit. Denn während die Wirtschaft in Europa lediglich um 1 bis 2 % wachsen wird, dürften es in Asien 6,4 bis 6,6 % und in Afrika 5,3 bis 5,6 % werden (siehe Grafik).Dieses Wachstumspotenzial will die Bank ihren Kunden in Deutschland stärker öffnen, erklärt Heinz Hilger, seit Juni dieses Jahres neuer Geschäftsleiter Firmenkunden und Finanzinstitutionen der Standard Chartered Bank in Deutschland. “Wir wollen mit diesen Ländern und den dortigen Aktivitäten unserer Unternehmenskunden mitwachsen und so ein überproportionales Wachstum erreichen”, betont Hilger. Präsenz vor OrtDeutschen Unternehmen beispielsweise in Afrika könne die Standard Chartered Bank dank ihrer Präsenz vor Ort eine ganze Palette an Bankdienstleistungen anbieten. Das Institut ist in 14 afrikanischen Ländern vertreten von Ghana bis Südafrika. Bis Ende des Jahres sollen dann auch Filialen in Angola und Mosambik hinzukommen. Das Interesse an einem zuverlässigen Bankpartner in vielen afrikanischen Ländern sei groß, berichtet Hilger. Auftragspotenzial mit viel Momentum für deutsche Unternehmen in Afrika sieht Hilger vor allem in der dort auszubauenden Infrastruktur und in einem späteren Schritt etwa für die Automobilindustrie. Die Ressourcen wie Öl und andere Rohstoffe dieser Länder führten dort zu einer Wohlstandssteigerung ähnlich wie in Asien, was wiederum interessante Absatzmärkte schaffe.Die Bank verstehe sich dabei als Partner der Unternehmen für diesen Teil der Welt. Man sei gut und eng verdrahtet und fungiere dort wie eine Inlandsbank. Allerdings sei man keine Universalbank und erhebe nicht den Anspruch, alles für jeden zu offerieren. Von deutschen Unternehmenskunden gefragt in Ländern wie beispielsweise Ghana sei vielmehr das klassische Auslandsgeschäft einer Bank, also das Dokumenten- und Garantiegeschäft bis hin zum Transaction Banking einschließlich Währungs- und Zinsabsicherungen.Nicht jede deutsche Bank wolle oder könne es sich leisten, selbst mit einem breiten, aber für sie teuren Netzwerk in Afrika, Asien oder dem Nahen Osten vertreten zu sein, wie etwa Landesbanken. Etliche deutsche Institute hätten zudem bereits ihr Repräsentanznetzwerk im Ausland zusammengestrichen. Für diese Häuser biete sich die Standard Chartered Bank deshalb als strategischer Kooperationspartner an, sagt Hilger, der ein Comeback des klassischen Korrespondenzbankensystems erwartet. Dies ist seiner Einschätzung nach von Interesse vor allem für Banken, die sich in ihrem Kerngeschäft auf kleine und mittlere deutsche Unternehmensgrößen fokussieren. Da sich Standard Chartered in Deutschland bisher eher auf große multinationale Unternehmen konzentriere, stehe man somit nicht im Wettbewerb um die jeweiligen Kunden und sei damit der ideale Partner für solche strategischen Kooperationen.In ihren Kernmärkten Asien, Afrika und Mittlerer Osten sei die Standard Chartered Bank mit ihrer gesamten Bandbreite des Bankgeschäfts unterwegs, also vom Retail Banking bis hin zum Wholesale Banking, das Corporate und Investment Banking für Unternehmen und Finanzinstitute umfasst. Gerade in Ländern wie China und Indien komme es auf ein breites Filialnetz an, unterstreicht Hilger. Dort sei die Bank mit jeweils rund 100 Filialen vertreten und gemessen daran die größte Auslandsbank. Dies gelte auch für Länder wie Südkorea (411 Filialen) sowie Taiwan (88), während in Hongkong (77) die HSBC der Platzhirsch mit 106 Bankstellen ist.Die Verankerung in Asien sei auch abzulesen etwa an Ranglisten für syndizierte Kredite (Loans Bookrunner, ohne Japan), wo Standard Chartered im Zeitraum Januar – August an erster Stelle vor ANZ Banking und Deutsche Bank steht. “Wir kennen die Investorenbasis in Asien gut, ebenso speziell regulierte Märkte wie China und Indien”, sagt Hilger. Dort würden die Behörden einen erstmaligen Marktzugang eines neuen Emittenten oder geplante Regulierungsänderungen denn auch gerne zunächst mit HSBC und Standard Chartered diskutieren. So habe man damals auch als Joint Lead Arranger für Volkswagen den ersten “Dim Sum”-Bond in chinesischer Währung begeben. Für BMW fungierte die Bank als Sole Underwriter bei deren erster Emission in koreanischer Landeswährung.Insgesamt erzielt die Standard Chartered Bank – neben dem Privatkundengeschäft – knapp 70 % ihrer Erträge aus dem Großkundengeschäft (Wholesale Banking), die relativ stabil seien, da sie nicht den volkswirtschaftlichen Schwankungen eines einzelnen Marktes unterliegen. Eine relativ kleine Rolle spiele die Beratung bei Unternehmensübernahmen und Fusionen (Mergers & Acquisitions), ein Geschäft, das traditionell hohen Schwankungen unterliege. Hier wolle man nicht mit großen etablierten Investmentbanken konkurrieren, sei aber angesichts der tiefen Markt- und Unternehmenskenntnisse in Asien, Afrika und dem Nahen Osten ein idealer Partner, um passende Zielobjekte zu eruieren.Die an den Börsen in London – ihrem juristischen Sitz – sowie Hongkong und Mumbai notierte Bank zählt mit einer Marktkapitalisierung von rund 58 Mrd. Dollar und einer Bilanzsumme von 650 Mrd. Dollar zu den Schwergewichten unter den globalen Finanzinstituten. Im Londoner Börsenindex FTSE rangiert sie unter den Top-15-Unternehmen. 88 000 Mitarbeiter sind in 1 700 Geschäftsstellen in 70 Ländern beschäftigt. In Deutschland ist die Bank zudem im Konsumentenkreditgeschäft unterwegs, ein Bereich, den sie von American Express übernommen hatte und in dem sie aktuell etwa 40 000 Kunden betreut.Aufgrund ihres fokussierten Geschäftsmodells war die Bank nicht von der Finanzkrise betroffen und wächst seit Jahren zweistellig. Somit ist sie das einzige Institut, das im Verlauf der Finanzkrise von allen drei Ratingagenturen hochgestuft wurde und ebenso wie die HSBC mit einem “AA-“-Rating versehen ist.