Commerzbank grübelt über neue Strategie

Arbeitnehmer schlagen dezentrale Struktur vor

Commerzbank grübelt über neue Strategie

lee/Reuters Frankfurt – Angesichts des anstehenden Abbaus von bis zu 10 000 Stellen bei der Commerzbank ist zumindest verbal ein Verteilungskampf zwischen der Frankfurter Zentrale und den anderen Standorten ausgebrochen. Wie die Börsen-Zeitung erfuhr, plädieren Teile der Führungsebene für eine stärker dezentrale Ausrichtung der Führungs- und Organisationsstruktur. Ins Spiel gebracht haben diesen Vorschlag offenbar die Vertreter der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat. Um die Lasten gerechter zwischen Frankfurt und den Standorten in Düsseldorf, Hamburg, Berlin, München, Essen, Köln und Dresden zu verteilen, plädieren sie dafür, zu prüfen, ob zentrale Betriebsfunktionen zwingend von Frankfurt aus gesteuert werden müssen.Der Vorschlag stützt sich auf die positive Erfahrung, die nicht nur die Commerzbank in den Wochen des Lockdowns gemacht hat. Obwohl die Mehrheit der Beschäftigten von zu Hause aus oder von Ausweichstandorten aus gearbeitet hat, funktionierten die wesentlichen Prozesse auch bei der Commerzbank weitgehend reibungslos. Nach Einschätzung der Befürworter einer dezentraleren Struktur hat dies gezeigt, dass eine moderne Bank nicht zwingend zentral geführt werden muss. Dies würde sich auch positiv auf die Personalkosten auswirken, etwa weil der Fachkräftemangel in der Frankfurter Finanzbranche ausgeprägter sei als in anderen Großstädten.Mit besonderem Interesse dürfte dieser Vorschlag bei der Konzerntochter Comdirect verfolgt werden, die derzeit auf den Mutterkonzern verschmolzen wird. Die in Quickborn ansässige Direktbanktochter hatte zuletzt 1 250 Beschäftigte, von denen wiederum ein Teil in Rostock, Köln und Frankfurt arbeitet. Weitere wichtige Standorte des Commerzbank-Konzerns sind Düsseldorf mit rund 1 600 Beschäftigten, München mit 1 200, Berlin mit 1 300, Dortmund mit 1 000 und Dresden mit 700 Beschäftigten. Ob der Vorschlag im Rahmen des Strategietreffens ernsthaft diskutiert wurde, war am Donnerstag nicht zu erfahren.Unterdessen schwor der neue Aufsichtsratschef Hans-Jörg Vetter die Belegschaft auf harte Einschnitte ein. “Es gibt noch viele althergebrachte Strukturen, die den heutigen Anforderungen und der Größe der Bank nicht mehr angemessen sind”, erklärte Vetter in einem im Intranet veröffentlichten Interview, das der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. “Das zu durchleuchten und die nötigen Anpassungen vorzunehmen, wird Sache des Vorstandschefs sein.” Die Commerzbank sei kein Sanierungsfall. Sie müsse aber Erträge steigern, Kosten senken und den Status quo hinterfragen. “Die Commerzbank hat viel Gutes, aber in Sachen Effizienz und Profitabilität gibt es noch Luft nach oben.” Vetter verteidigte die externe Suche nach einem Nachfolger für den scheidenden Vorstandschef Martin Zielke: “Ein seriöser Besetzungsprozess gebietet, dass sich auch die besten internen Kandidaten dem Wettbewerb von außen stellen müssen.”