Commerzbank nimmt Comdirect von der Börse
lee Frankfurt – Bei der Neukundengewinnung verlässt sich die Commerzbank schon lange auf die Online-Tochter Comdirect. Um beim Ausbau der digitalen Kanäle nicht bei null anfangen zu müssen, will sie die Konzerntochter jetzt von der Börse nehmen und mit dem eigenen Privatkundengeschäft zusammenführen. Den Minderheitsaktionären der Comdirect winkt eine Prämie von 25 % auf den “unbeeinflussten” Aktienkurs.Welcher Kurs damit genau gemeint ist – üblicherweise bezieht sich die Prämie ja auf den Durchschnitt der Schlusskurse der 30, 60 oder auch 90 Handelstage vor der Veröffentlichung – ließ die Commerzbank am Freitag auch auf Nachfrage offen. Das ist insofern verständlich, als die noch nicht mit dem Aufsichtsrat abgestimmten Pläne früher als geplant veröffentlicht werden mussten, weil immer mehr Details des Strategiepapiers durchgesickert waren. Während aber die kursrelevante Nachricht vom erwogenen Verkauf der polnischen MBank wahrscheinlich ausschlaggebend war für die Ad-hoc-Mitteilung, dürfte kaum ein Marktteilnehmer das anstehende Delisting von Comdirect auf dem Schirm gehabt haben. Dafür spricht zumindest, dass der Comdirect-Kurs wenige Sekunden nach der Veröffentlichung gegen 15 Uhr in die Höhe schoss.Aus dem Xetra-Handel gingen die Papiere am Freitag mit einem Aufschlag von 25,7 % auf 11,50 Euro. Das spricht dafür, dass die freien Anteilseigner zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht auf eine Nachbesserung spekulieren. Da die Commerzbank bereits 82 % der Comdirect-Anteile hält, ist keine Gegenofferte zu erwarten. Zudem muss die Commerzbank nur vergleichsweise wenige Anteile ergattern, um die Schwelle von 95 % zu erreichen, die erforderlich ist, um die verbleibenden Aktionäre herauszudrängen. Einstiges Schwergewicht Sofern der Vorstand seine Strategiepläne umsetzen darf und der Squeeze-out gelingt, verliert die Börse ein weiteres Schwergewicht des Neuen Marktes. Beim vielbeachteten Börsendebüt im Sommer 2000 wurde die Online-Bank bei einem Emissionspreis von 31 Euro mit insgesamt 4,3 Mrd. Euro bewertet. Davon ist nach zwischenzeitlichen Höhenflügen nach zwei Jahrzehnten nur noch gut ein Drittel übrig geblieben. Trotz der Prämie von 25 % hat sich die Investition für Aktionäre der ersten Stunde daher nicht ausgezahlt – wie bei so vielen einstigen Hoffnungsträgern des Neuen Marktes.