Corona bietet neue Chancen für eine bessere innerbetriebliche Organisation
Schulen und Stadien schließen, Banken holen ihre Notfallpläne aus der Schublade: Willkommen in der Corona-Welt. Oft zielt Business Continuity Management auf Hacker- oder Terrorangriffe. Im Zuge der aktuell von Bundes- und Landesregierungen veranlassten Maßnahmen stehen dagegen die Gesundheit der Mitarbeiter und der Schutz ihrer Familien im Mittelpunkt.Aus diesem Grund fällt nicht nur Human Ressources eine besondere Rolle zu, sondern auch dem Betriebsrat und den Gewerkschaften. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit nach § 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) beginnt mit der Frage, wie Arbeit so organisiert werden kann, dass einerseits die Funktionsfähigkeit der Bank und andererseits der Schutz der Familien und der Gesundheit der Mitarbeiter gewährleistet wird. Derzeit müssen Banken damit rechnen, dass Schulen und Kitas frühestens nach den Osterferien wieder öffnen. Sie müssen also einen Zeitraum von mindestens einem Monat organisieren, wenn nicht länger. Dabei eröffnet die Krise zugleich Chancen für die betroffenen Banken.1. Erweiterung mobiler Arbeitsplätze durch neue ArbeitsmittelIn Banken sind grundsätzliche Voraussetzungen für mobile Arbeit bei den meisten Mitarbeitern bereits gegeben. Welche zusätzlichen Arbeitsmittel kommen in Frage? Zusätzliche Monitore und Drucker? Arbeitsmittel, die aus dem Büro vorübergehend nach Hause mitgenommen werden? Kameras für Videokonferenzen? Headsets, mit denen Eltern neben spielenden Kindern konzentriert arbeiten können?Betriebspartner können hier alternativ zu Betriebsvereinbarungen auch mit Regelungsabreden die Voraussetzungen des § 87 BetrVG (Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats) sowie des § 90 BetrVG (Unterrichtungs- und Beratungsrechte des Betriebsrats) erfüllen und gemeinsame Lösungen schaffen.2. Präsenzkultur und LeistungsbeurteilungVirtuelle Meetings und Rotationssysteme reduzieren die Ansteckungs- und Quarantänegefahr. Dafür müssen Teilnahmelisten und Vertretungsbefugnisse aufeinander abgestimmt werden. Neben den rechtlichen Anforderungen an das Risikomanagement für Banken bietet die aktuelle Situation nun auch die Möglichkeit, Führungsarbeit und etwa auch Personalgespräche vermehrt mittels Telefon- und Videokonferenzen durchzuführen. Wichtig ist hier neben der Produktivitätssicherung auch, die Fragen der Mitarbeiter zu beantworten und Sicherheit sowie Vertrauen zu schaffen, dass die Krise gemeinsam bewältigt werden kann.Führungsarbeit per Telefon unterscheidet sich vom persönlichen Gespräch. Unterstützung der Führungskräfte, durch Coaching oder Training, kann auch online oder telefonisch erfolgen. Die Coronakrise schafft eine neue Bewertungsmöglichkeit für Produktivität von zu Hause, Präsenzkultur und Überstunden im Büro kommen auf den Prüfstand. Daraus können sich wichtige Impulse für die Betriebskultur und die Leistungsbeurteilung von Mitarbeitern ergeben.3. Neue Betreuungsmodelle für KinderNeben der Kinderbetreuung durch die Eltern im Homeoffice gehen erste Banken dazu über, tagesmutterähnliche Betreuungskonzepte zu verwirklichen. Kinder sind keine Risikogruppe, was Rotationsbetreuung erleichtert. Auch der Betriebsrat kann hier innerbetriebliche Maßnahmen unterstützen. Der durch Homeoffice-Lösungen frei gewordene Büroraum kann dafür umgewidmet werden, Kinder mit an den Arbeitsplatz zu bringen.4. Flexiblere ArbeitszeitenWenn die Kinderbetreuung tagsüber im Vordergrund steht, verändern sich Arbeitszeiten von Mitarbeitern. Unterstellt, dass gerade bei Banken produktives Arbeiten auch von zu Hause möglich ist, wird es sich anbieten, Telefonkonferenzen entweder sehr früh am Morgen oder abends durchzuführen. Die Vertrauensarbeitszeit ist trotz des EuGH-Urteils vom 14. Mai 2019 (Az: C55-18) zulässig und kann helfen, unbürokratisch gemeinsame Lösungen zu finden. Zudem können per Tarifvertrag bzw. Betriebsvereinbarung gem. § 7 ArbZG Lockerungen der gesetzlichen Arbeitszeitregeln vereinbart und hierzu auch das Instrument der Rufbereitschaft genutzt werden.Zur Flexibilisierung der Arbeitszeit kann der Arbeitgeber nach § 7 Abs. 6 ArbZG für eine beschränkte Zeitdauer eine Verordnung erlassen, die es erlaubt, die Regelungen zur Arbeitszeit und zu den Ruhepausen flexibler auszugestalten. Zum anderen könnte nun die Chance genutzt werden, das Arbeitszeitgesetz den modernen Anforderungen einer digitalen Arbeitswelt anzupassen. Bis dahin ist zudem zu erwarten, dass die Aufseher die Maßnahmen der Banken in der Krise mit Augenmaß betrachten werden. Sicherlich hilft es auch hier, wenn diese Maßnahmen gemeinsam mit den Betriebs- und Sozialpartnern erfolgen.5. Zeit für neue (alte) ProjekteSchließlich müssen sich Banken auch mit der Frage beschäftigen, ob durch die Coronakrise die Arbeitsmenge sinkt oder steigt. Fluggesellschaften müssen Flüge streichen, doch Kreditverträge und Handelsaktivitäten der Banken laufen trotz sinkender Börsenkurse zunächst weiter. Die BaFin hat in der Vorwoche bereits Lockerungen des Aufsichtsrechts für das mobile Arbeiten von Händlern zugestimmt, um die Arbeitsfähigkeit sicherzustellen. Kurzfristig steigt die Arbeitsmenge eher, etwa durch die Aktivierung der Notfallpläne und die Sicherstellung von Führungsstrukturen, IT-Systemen oder Gehaltsabrechnungen sowie durch Krisenmeetings und interne Kommunikation. Schul- und Kita-Schließungen dürften gleichzeitig die effektive Arbeitskraft der Mitarbeiter reduzieren. Je nach Mitarbeitergruppen und Projekten wird sich die Krise unterschiedlich auf die Arbeitsmenge auswirken. Wenn Kundentermine und Veranstaltungen entfallen oder Reisezeit gespart wird, dann entsteht auch Freiraum für neue interne Projekte.Welche krisenbedingten Änderungen der Prozesse und Arbeitsabläufe können die Arbeit auch in der Zeit danach beschleunigen? Die Krise ist eine Chance, die Regelungskomplexität mit den Betriebs- und Sozialpartnern zu prüfen und zu reduzieren. Die Krisenzeit kann für Verhandlungen und Projekte mit Betriebsrat und Gewerkschaften genutzt werden, und manche alte Betriebsvereinbarung oder tarifvertragliche Regelung kann nun überarbeitet werden. Zeitwertkonten, Überstunden und Urlaubstage können helfen, unterschiedliche Be- und Auslastungssituationen zwischen Mitarbeitergruppen aufzufangen. Die kommunikative und rechtliche Umsetzung der betrieblichen Maßnahmen in Banken ist eine gemeinsame Aufgabe für Führungskräfte, Mitarbeiter, Betriebsräte und Gewerkschaften. Rechtsnormen sollten dabei als Brücken für die eigene Gestaltungsmacht verstanden werden und nicht als Blockaden eines Status quo vor der Krise. exander Insam, Partner, Mediator, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, KPMG Law und Martin Hörtz, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, KPMG Law