18. INTERNATIONALER RETAIL-BANKENTAG

Coronakrise stellt Vertriebsmodelle auf den Prüfstand

Unternehmensberater Zierhofer von Horváth & Partners: Hybride Kundeninteraktion - mal online, mal in der Filiale - wird zur Normalität

Coronakrise stellt Vertriebsmodelle auf den Prüfstand

amb Frankfurt – Nach Ansicht von Rainer Zierhofer von Horváth & Partners ist die Coronakrise für viele Banken “herausfordernd”, zwar nicht unmittelbar, aber mittelfristig. “Ab dem vierten Quartal werden die Kreditausfälle drastisch ansteigen”, erklärte der Partner der Unternehmensberatung auf dem 18. Retail-Bankentag von Börsen-Zeitung und Diebold Nixdorf. Rekordhohe UmsätzeAllerdings hätten einige Unternehmen der Branche, etwa Zahlungsdienstleister, auch profitiert und rekordhohe Umsätze erzielt. Gemein sei allen der “digitale Schock” durch Covid-19: “Banken sind sich bewusst, dass die Krise eine radikale Überprüfung des Vertriebs- und Betriebsmodells auslöst”, sagte Zierhofer. “Die hybride Kundeninteraktion – mal online, mal in der Filiale – wird zur neuen Normalität.” Er rief die Kreditinstitute dazu auf, diese neue Normalität aktiv zu gestalten.Bei Unternehmen und Banken stehe die Digitalisierung aller Unternehmensbereiche ganz oben auf der To-do-Liste, so das Ergebnis einer Studie von Horváth & Partners, für die weltweit 212 Vorstandsmitglieder zu den Herausforderungen durch Corona und die Post-Corona-Transformationsagenda befragt wurden. Erforderlich sei ein digitales, kosteneffizientes und resilientes Post-Corona-Betriebsmodell. Dabei gehe es nicht nur um Homeoffice-Modelle, die hätten den Echtzeittest längst bestanden. “Es geht auch um massiv beschleunigte Entscheidungsprozesse, Konzentration auf das Wesentliche, verbund- und sektorübergreifende Kooperationen in kundenferneren Bereichen und ein Modell, das einem neuen Dax-Crash standhält.”Banken müssten darüber hinaus den digitalen Verkauf ihrer Produkte intensivieren und neue Ertragsmöglichkeiten identifizieren, auch “beyond banking”. Gute Best-Practice-Beispiele seien Chinas Webank und Spaniens BBVA. Zudem müsse die Unternehmensautomatisierung überdacht und beschleunigt werden – und zwar im großen Stil. “Da geht es um einen ganzheitlichen Ansatz.” Auch neue Arbeitsmodelle und Modelle für eine agile Zusammenarbeit seien ein Muss, ebenso die Verbesserung der digitalen Kompetenzen. “Eine umfassende Transformation ist nötig”, betonte Zierhofer. Für Philipp Kleine Jäger, Managing Partner des Berliner Tech-Thinktanks Core, müssen Banken durch gutes Innovationsmanagement ihren Konkurrenten “in die Suppe spucken”, denn die Geschäftsmodelle würden derzeit von fast allen Seiten angegriffen. Die Zukunft verlange in größerem Maße Technologiemanagement, um eine nachhaltige Strategieumsetzung zu ermöglichen. Veraltete IT erneuernEin Problem vieler Banken seien die angehäuften “technischen Schulden” in Form von nicht auf dem neuesten Stand gehaltener IT, die letztlich komplett ersetzt werden müsse. “Eine große Herausforderung ist die Diskrepanz zwischen dynamischer Technologieentwicklung und stagnierender Organisationsentwicklung”, erläuterte Kleine Jäger und führte als Beispiel eine geringe Fortbildungsbereitschaft, den hohen Altersdurchschnitt und die vielen Mittel an, die in den Fortbestand alter Systeme anstelle von IT-Erneuerung flössen. Europa investiere im Vergleich zu den USA und China auch viel zu wenig in Technologie, in den USA sei es fast viermal, in China fast dreimal so viel. “Dabei hat moderne Technologie auch positive Kosteneffekte.” Nach Ansicht von Claus Till vom Stuttgarter Start-up Comeco wird sich auch in der Bankenbranche eine Plattform zwischen Anbieter und Nutzer schieben – wie bereits in anderen Branchen geschehen. Zeit sei dabei ein entscheidender Erfolgsfaktor: “Wer jetzt nichts tut, wird feststellen, dass der Markt in ein bis zwei Jahren durch Wettbewerber besetzt ist”, erklärte er und stellte die von Comeco entwickelte Banking-App TEO vor, die als Open-Banking-Plattform einen Überblick über sämtliche Finanzen des Nutzers biete, inklusive Versicherungsverträgen. Dank TEO müssten Banken kein eigenes Digital-Banking entwickeln, sondern könnten stattdessen einfach die TEO-Plattform nutzen.