Corporate Governance kommt dem Finanzplatz zugute

Mehr Transparenz wird langfristig mit höheren Kursen honoriert

Corporate Governance kommt dem Finanzplatz zugute

Gute Corporate Governance, also die verantwortungsvolle Unternehmensführung, gehört zu den Faktoren, die weltweit als wesentlich für nachhaltiges Wirtschaften angesehen werden. Ob Europäische Kommission, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen oder die internationale Investoreninitiative Principles for Responsible Investment (UNPRI): Sie alle heben die Verantwortung hervor, die Unternehmen gegenüber Gesellschaft und Umwelt haben.Verantwortungsvolle Unternehmensführung berücksichtigt langfristige Ziele ökonomischer Art genauso wie die Effekte einer Firma auf Umwelt, Gesellschaft, Geschäftspartner und Mitarbeiter. Sie ist letztlich die Klammer um alle Aspekte, die das Unternehmen betreffen. Schlüsselrolle für InvestorenFür die Förderung von Corporate Governance werden entsprechende Rahmenbedingungen immer wichtiger. Selbstverpflichtungen auf Investorenseite wie die UNPRI oder Wohlverhaltensregeln wie die des Bundesverbandes Investment und Asset Management (BVI) helfen dabei, ebenso wie auf Unternehmensseite Leitlinien wie der Deutsche Corporate Governance Kodex.Von Vermögenstreuhändern, etwa Assetmanagern, wird von der Politik zunehmend erwartet, aktiv Einfluss zu nehmen. Nicht zuletzt deswegen will etwa die Europäische Kommission die langfristige Einbeziehung der Aktionäre und die Transparenz über ihr Engagement fördern (Stichwort: EU-Aktionärsrechtericht-linie).Das Stimmrecht ist in diesem Zusammenhang eines der wertvollsten Rechte des Aktionärs und verpflichtet zu einem verantwortungsvollen Umgang damit. Dementsprechend ist die Hauptversammlung eines börsennotierten Unternehmens einer der wichtigsten Anlässe, um kritische Impulse zu geben – unter Umständen auch mit entsprechender Öffentlichkeitswirkung für das betreffende Unternehmen.Auf diese Weise liefert eine gute Unternehmensführung einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Marktintegrität, indem sie gesetzliche oder regulatorische Vorgaben zur Bekämpfung von Kurs- und Marktmanipulation sowie Insiderhandel flankiert. Das Dringen von Investoren auf eine institutionalisierte Corporate Governance trägt so dazu bei, dass Unternehmenslenker Gesetze und ethische Normen beachten, ein angemessenes Risikomanagement etablieren und transparent in der Berichterstattung ihrer Unternehmen sind.Glaubwürdige Unternehmen, deren Wertpapiere an einem funktionierenden und integren Finanzplatz gehandelt werden, sind unabdingbar für das Wachsen und Gedeihen einer modernen Wertpapierkultur. Das ist vor allem in Deutschland wichtig, wo das alte umlagefinanzierte Rentenversicherungssystem tendenziell an Bedeutung verliert, die der privaten und betrieblichen Altersvorsorge dagegen enorm gewinnt. Doch wie sollen deutsche Sparer ohne deutlich höhere Aktienquote ausreichend Vermögen aufbauen? Insofern leistet Corporate Governance auch hier einen wesentlichen Beitrag dazu, die Scheu vor Wertpapieren zu überwinden.Mündige und aktive Anleger wiederum sind wertvoll für einen gut funktionierenden Finanzplatz, denn sie verbreitern und diversifizieren die Finanzierungsquellen. Das steigert Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit eines Finanzplatzes, zieht kluge Köpfe aus der ganzen Welt an und fördert das Entstehen von innovativen Geschäftsideen und Anlagekonzepten. Ausgestaltung mitentwickelnEin neues Feld, auf dem finanzieller Einfallsreichtum aufblühen kann, zeichnet sich seit der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 (COP21) und den Bestrebungen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft ab: nachhaltige Geldanlagen oder Sustainable Finance. Im Kampf gegen die globale Erderwärmung sollen Geldströme auf der ganzen Welt in klimafreundliche Bereiche hinein- und aus solchen hinausgelenkt werden, die die Klimakrise “befeuern”. Die geschätzten Summen, die für den Klimawandel benötigt werden, sind gigantisch. Für einen modernen Finanzplatz eröffnen sich hier Möglichkeiten, an vorderster Stelle die Ausgestaltung mitzuentwickeln, zum Beispiel bei Green Bonds.Nach der Platzierung des ersten Green Bond durch die Europäische Investitionsbank EIB im Jahr 2007 sind mit Polen und Frankreich mittlerweile auch die ersten Staaten auf den Plan getreten, die Green Bonds begeben haben. Viele Emittenten und Investoren sehen im Segment der Green Bonds für die Zukunft großes Potenzial. Beispiel Green BondsWenn der Finanzplatz Frankfurt zukunftsfähig bleiben will, muss er die Entwicklung zum nachhaltigen Finanzplatz aktiv gestalten. Wie das Beispiel Green Bonds zeigt, hat sich der Markt für “grüne” Finanzprodukte in den vergangenen Jahren weitgehend ohne staatliche Schützenhilfe entwickelt. Warum sollte man nicht ein eigenes Börsensegment für Green Bonds etablieren?Über Green Bonds hinaus sind vielfältige Ausgestaltungen eines nachhaltigen Finanzplatzes denkbar. Beispiele sind die (Weiter-)Entwicklung von Ratings zu Umwelt-, Sozial- oder Governance-Themen (ESG) beziehungsweise die Integration von ESG-Kriterien in Bonitätsratings oder auch die Vergabe spezieller Umwelt- oder Nachhaltigkeitskredite respektive die Integration von ESG-Prüfungen in normale Kreditvergaben. Denkbar ist auch die Etablierung weiterer Nachhaltigkeitsindizes, die ihrerseits zu Bezugsgrößen für Finanzprodukte werden können. In heutigen Ökonomien scheint die Fokussierung auf kurzfristige Betrachtungszeiträume allgegenwärtig zu sein. Darüber hinaus wurde dieser marktseitige Druck noch verstärkt durch die Vielzahl von regulatorischen Anforderungen, die insbesondere im Verlauf der Finanzmarktkrise von den Aufsichtsbehörden er-lassen wurden: Marktnahe Berechnungen, Liquiditäts- und kurzfristige Kapitalanforderungen oder jährlich vorzunehmende Neubewertungen beziehen sich allesamt auf kurze Fristen – nachhaltige Aspekte mit längerfristigem Zeithorizont bleiben unberücksichtigt. Regulierung anpassenDie Fokussierung auf kurzfristige Betrachtungszeiträume steht jedoch im Widerspruch zu einer nachhaltigeren Entwicklung der Wirtschaft. Insbesondere zum Erreichen der auf internationaler Ebene vereinbarten Klimaschutzziele und der damit verbundenen Dekarbonisierung der Wirtschaft ist ein Umdenken notwendig.Dafür muss die Finanzmarktregulierung angepasst werden. In ihrer heutigen Erscheinungsform wirkt sie den langfristigen Entwicklungszielen entgegen. Es wäre eine lohnenswerte Aufgabe der europäischen Institutionen, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Marktkräfte in die richtige Richtung gelenkt werden.Die Europäische Kommission hat beispielsweise Anfang 2017 eine Expertengruppe für “Sustainable Finance” ins Leben gerufen. Sie soll dabei helfen, eine übergreifende und zusammenfassende EU-Strategie für nachhaltige Finanzen zu erarbeiten, um Nachhaltigkeit in die europäische Finanzregulierung auf dem Weg zur Kapitalmarktunion zu integrieren. Erste Arbeitsergebnisse sollen zur Jahresmitte vorgestellt und öffentlich diskutiert werden; die anschließenden Folgearbeiten erstrecken sich bis Ende 2017. Im Idealfall gelingt es dort, die Notwendigkeit einer Wendung hin zu einer langfristigen Orientierung in der Finanzmarktregulierung aufzuzeigen.Weiteres Beispiel ist die Verordnung über den europäischen langfristigen Investmentfonds (European Long-Term Investment Fund, ELTIF). Damit soll von Anlegern Kapital, etwa für Infrastrukturprojekte, eingesammelt werden können. Durch ELTIFs will man langfristige europäische Investitionen in die Realwirtschaft fördern, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung in der Europäischen Union ausbauen und die Wirtschaft widerstandsfähiger gegen Systemrisiken und Krisen machen.Das sich ändernde Umfeld erfordert auch Anpassungen bei den Unternehmen. So sind die Bestrebungen zum Erreichen der Klimaziele sicher mit weiteren Belastungen verbunden. Dies nicht nur wegen neuer und weitergehender Berichtsanforderungen, sondern – damit einhergehend – auch vorgelagerter Veränderungen in Wirtschaftsprozessen, Arbeitsabläufen und Geschäftsmodellen. Und neben Umweltanforderungen werden sukzessive auch bei sozialen Kriterien und Fragen der guten Unternehmensführung strengere Maßstäbe angelegt. Öffentlich punktenAber dadurch eröffnen sich neue Chancen für Unternehmen: Wer hier vorbildlich handelt, kann nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung punkten und seine Reputation steigern, gutes Personal gewinnen sowie Ressourcenverbrauch und Kosten reduzieren. Darüber hinaus lassen sich ganz konkret auch Finanzierungskosten senken und neue Investorengruppen erschließen. Zudem haben Untersuchungen gezeigt, dass eine transparentere Unternehmenspolitik von Anlegern an den Börsen langfristig mit höheren Kursen honoriert wird.Letztendlich kommen damit eine verantwortungsvolle Unternehmensführung und die Kontrolle ihrer Einhaltung sowohl dem Finanzplatz als auch dem langfristigen Wohlstandserhalt einer zukunftsfähigen Gesellschaft zugute.—Michael Schmidt, Geschäftsführer der Deka Investment