Covid-19 erreicht Immobilienmarkt
Die Coronavirus-Pandemie ist am britischen Wohnimmobilienmarkt angekommen. Sinkende Preise könnten für Banken, die im Hypothekengeschäft stark sind, zum Problem werden. Die Neuvergabe von Wohnimmobilienkrediten ist im April eingebrochen. Wirtschaftliche Ungewissheit belastet die Stimmung.hip London – Britische Wohnimmobilien haben sich im Mai saisonbereinigt um 1,7 % verbilligt. Zu diesem Ergebnis kommt der Hypothekenanbieter Nationwide in seiner jüngsten Erhebung. Das ist der stärkste Rückgang seit Februar 2009. Noch liegen die Preise um 1,8 % über Vorjahresniveau. Setzt sich der durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie bedingte Stillstand am Häusermarkt fort, könnten Immobilien allerdings erstmals seit langer Zeit an Wert verlieren. Das könnte für Banken, die im Hypothekengeschäft stark sind, zum Problem werden.Daten der Steuerbehörde HMRC zufolge lag die Zahl der Wohnimmobilientransaktionen im April um 53 % unter Vorjahresniveau. Die geringe Zahl von Verkaufsabschlüssen könnte es in den kommenden Monaten erschweren, Preistrends auszumachen, sagt Robert Gardner, Chefvolkswirt von Nationwide. Das gelte insbesondere für die Regionen, für die naturgemäß kleinere Stichproben anfielen. “Der mittelfristige Ausblick für den Häusermarkt bleibt hochgradig ungewiss”, sagt Gardner. “Viel wird von der Performance der Volkswirtschaft insgesamt abhängen.” Der Marktforschung des Instituts zufolge betrachten viele Kunden die derzeitige Situation als vorübergehende Auszeit. Kaufinteressenten planten derzeit im Schnitt, sechs Monate abzuwarten, bevor sie sich am Markt umtun.Wie Daten der Bank of England zeigen, ist die Zahl der für Hauskäufe vergebenen Hypotheken im April auf 15 800 eingebrochen. Das entspricht etwa einem Fünftel der im Februar erreichten Zahl (siehe Grafik) und ist der tiefste Wert seit Beginn der Erhebungen 1993. Wegen des Lockdowns waren bis weit in den Mai hinein weder Hausbesichtigungen noch die Inaugenscheinnahme von Objekten für deren Bewertung möglich. Der Jefferies-Bankenexperte Joseph Dickerson nannte die Daten im Verbund mit den zeitgleich veröffentlichten anderen Daten zur Kreditvergabe einen “negativen Mix für die Nettozinsmargen” der Banken.Eine trotz aller Gegenmaßnahmen der Regierung steigende Arbeitslosigkeit, sinkende Löhne und anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit dürften nach der Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen die Stimmung belasten. Der HSBC-Volkswirt Chris Hare sieht einen möglichen Grund für den Preisrückgang im Mai: Käufer hätten sich Preisnachlässe gesichert.Nicht nur klamme Eigenheimkäufer könnten Banken bald Probleme machen. “Buy to let” war in Großbritannien ein Trend in der privaten Altersvorsorge, bis sich die steuerlichen und regulatorischen Bedingungen dafür verschlechterten. Zahlreiche ältere Menschen hatten ihre Ersparnisse darauf verwandt, eine Immobilie zu erwerben, um sie zu vermieten. Das für Mieter in fast jeder Hinsicht nachteilige britische Mietrecht bestärkte sie darin. Entsprechende Vorhaben können derzeit bis zu 75 % durch Hypotheken finanziert werden. “Werde nicht zahlen”Die nun kursierenden Aufrufe zum Mietstreik dürften gerade solche Vermieter beunruhigen. “Kann nicht zahlen, werde nicht zahlen”, lautet etwa der Slogan der London Renters Union (LRU). Die Aktivisten argumentieren damit, dass sechs von zehn Mietern wegen der Pandemie zumindest einen Teil ihres Einkommens verloren haben. Sie fordern, dass keine Miete erhoben wird, solange die Krise anhält. “Miete ist jetzt schon nicht zu bezahlen”, heißt es in ihrem Aufruf. “Wir können es uns nicht leisten, nicht gezahlte Beträge nachzuzahlen.” Mietschulden sollten erlassen werden. Zwangsräumungen dürfe es nicht mehr geben. Zudem solle es eine Mietpreisbremse geben, um sicherzustellen, dass niemand mehr als ein Drittel seines Einkommens für die Miete aufbringen muss. Der LRU zufolge haben sich der Kampagne bereits 2 500 Mieter angeschlossen und halten einen Teil der Miete zurück.Die Regierung hatte wegen der Epidemie Zwangsräumungen für drei Monate untersagt. Nun werben Nichtregierungsorganisationen wie Shelter, Generation Rent oder LRU für eine Verlängerung des Verbots über den 25. Juni hinaus. Allerdings haben viele Mieter, denen die Räumung droht, schon vor der aktuellen Krise aufgehört, Miete zu zahlen. Fast die Hälfte aller Vermieter verfügen lediglich über eine Immobilie, die sie vermieten. Sollten sie auch weiterhin auf Mieteinnahmen verzichten müssen, dürften viele ihre Objekte lieber verkaufen oder leer stehen lassen.