Credit Suisse holt Bankenaufseher Zulauf
Von Daniel Zulauf, ZürichUrs Zulauf, der bis vor kurzem zweithöchste Bankenaufseher der Schweiz, wechselt in die Chefetage der Credit Suisse. Am 1. Februar des kommenden Jahres, exakt ein Jahr nach seinem Austritt bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma), übernimmt der 56-jährige Jurist die Verantwortung für die “Kundensteuerpolitik” der Großbank. In dieser neu zu schaffenden Funktion soll Zulauf (übrigens nicht verwandt mit dem Autor, Anmerkung der Redaktion) die Großbank in deren Umsetzung und Weiterentwicklung der Strategie der Steuerkonformität unterstützen. “Angesichts der sich rasch entwickelnden gesetzlichen Vorgaben ist das eine sehr anspruchsvolle Aufgabe”, erklärte ein Banksprecher auf Anfrage. Hohe PositionDie hohe Bedeutung, welche die Bank dieser Funktion beimisst, wird auch in der hierarchischen Stellung des früheren Spitzenbeamten sichtbar. Zulauf wird direkt an die Konzernleitung beziehungsweise an den Chefjuristen Romeo Cerutti und an Hans-Ulrich Meister, Co-Leiter des Private Banking und internationalen Vermögensverwaltungsgeschäftes, berichten.Über Zulaufs Motive für den Stellenwechsel wurde bereits viel spekuliert und gerätselt. Klar ist, dass die Finma ihren früheren Generalsekretär und Geschäftsleitungsmitglied ungern ziehen ließ, zumal ihr damit 30 Jahre Erfahrung in der Aufsichtsarbeit verloren gegangen sind. Ebenso klar ist auch, dass der Mann, der in den vergangenen Jahren bei den zahlreichen Krisenübungen auf dem Schweizer Finanzplatz immer an vorderster Front mitmischte, über ein äußerst begehrtes Profil verfügt. Für eine Stellungnahme zur Frage, weshalb seine Wahl ausgerechnet auf die Großbank gefallen ist, war Zulauf gestern nicht zu erreichen.Seine vermutlich letzte Tätigkeit in der Rolle des Aufsehers war die Mitarbeit an der von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf eingesetzten Expertengruppe um den Berner Professor Aymo Brunetti, deren Bericht zur “Weiterentwicklung der Finanzmarktstrategie” Anfang Juni vorgestellt wurde.Wie die Mehrheit des Expertengremiums soll auch Zulauf zu der Auffassung gelangt sein, der Schweiz wäre am besten geholfen, wenn sie der EU unter bestimmten Bedingungen die Einführung des automatischen Informationsaustausches anbieten würde, auch wenn die OECD diesen noch nicht offiziell zum internationalen Standard erhoben habe.Solche Antworten wird die Credit-Suisse-Leitung von ihrem neuen Top-Berater erwarten, lange bevor sie in einem Expertenbericht zu lesen sind und auch lange bevor sich die Banken auf eine gemeinsame Position einigen konnten. Der Bundesrat ist der Empfehlung der Experten und der Finanzministerin schließlich aber doch nicht gefolgt und will nun erst dann die Hand zum automatischen Informationsaustausch reichen, wenn alle OECD-Mitglieder mitziehen. Wie soll sich die Bank auf diesen Tag vorbreiten? Zulauf wird der Credit-Suisse-Leitung erklären müssen, wie viel vorauseilender Gehorsam notwendig und nützlich ist und wo die Bank mit der Vorwegnahme neuer Bestimmungen ein Eigentor schießen könnte.”Es ist gut, wenn sich die Banken die Positionen selber erarbeiten und nicht nur darauf warten, bis sie ihnen von irgendwoher verordnet werden”, sagt ein Branchenkenner. Er beglückwünscht Zulauf für seinen Wechsel. “Auf ihn wird man hören, weil er in seiner langen Aufsichtstätigkeit auch bewiesen hat, dass er Themen vorwegnehmen kann.” Frühzeitige WarnungEin gutes Beispiel dafür ist das von ihm verfasste Finma-Positionspapier zu den Rechts- und Reputationsrisiken im grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäft. Darin machte Zulauf im Oktober 2010 auf das für einzelne Banken existenzbedrohende Maß dieser Rechts- und Reputationsrisiken aufmerksam. Zulauf warnte frühzeitig, dass Länder eine strengere Praxis bei der Durchsetzung ihres nationalen Rechtes anwenden könnten, insbesondere im Bereich der Steuerkonformität ausländischer Bankkunden in der Schweiz.Er warnte vor Steuerumgehungsstrategien wie zum Beispiel Versicherungsmänteln, mit denen sich die Identität des wirtschaftlich Berechtigten eines Vermögens kaschieren ließ. Im vergangenen Jahr haben deutsche Steuerfahnder derartige Praktiken bei der Credit Suisse entdeckt und zahlreiche Kunden, die durch eine gestohlene CD bekannt wurden, unter die Lupe genommen. Die Bank Wegelin musste im Januar schließen, nachdem sie die Risiken mit US-Kunden unterschätzt hatte. Antworten erwartetFür die Zukunft stellen sich neue Fragen, auf die man sich bei der Credit Suisse kompetente Antworten von Zulauf erhofft: Welche Haftungsrisiken entstehen der Bank und ihren Mitarbeitern, wenn Steuerhinterziehung weltweit als Vortat zur Geldwäscherei eingestuft wird? Was muss eine Schweizer Bank tun, wenn sich die internationale Amtshilfepraxis nicht parallel zu den in der Schweiz geltenden Bedingungen entwickelt?Auf solche Fragen muss jede Bank die richtigen Antworten selber finden. “Die Finma schreitet nur ein, wenn ein Institut schlichtweg inakzeptable Risiken auf sich nimmt”, schrieb Zulauf vor einem Jahr in einem Fachartikel. Erfahrungsgemäß ist es dann meistens schon zu spät.