Credit Suisse schleift Strukturen im Heimatmarkt
dz Zürich – Die coronabedingte Restrukturierungspause der Credit Suisse ist zu Ende. Die Schweizer Großbank schließt jede vierte Filiale in ihrem Heimatmarkt und integriert im gleichen Zug eine alteingesessene regionale Tochterbank. Die Übung kostet bis zu 500 Arbeitsplätze, wie Schweiz-Chef André Helfenstein gestern auf einer Telefonkonferenz mit Journalisten einräumte.Im April hatte der seit Februar amtierende CEO Thomas Gottstein bei einem TV-Auftritt versprochen, die Bank werde in der Zeit des zweimonatigen Lockdowns die Restrukturierungsarbeiten ruhen lassen. Nun hat der mit vielen Vorschusslorbeeren angetretene Schweizer Manager die Schonzeit für beendet erklärt. Kursreaktion verpufft Von 2022 an will die Bank jährlich Kosten im Umfang von 400 Mill. sfr einsparen, wie das Management anlässlich der Präsentation der Halbjahreszahlen Ende Juli angekündigt hatte. Dazu muss die Schweizer Einheit 100 Mill. sfr beisteuern. Die Kosten der nun angekündigten Restrukturierung bezifferte Credit Suisse mit 75 Mill. sfr. Die geplanten Restrukturierungen für das gesamte Kostensenkungsprogramm bezifferte die Bank mit 300 Mill. bis 400 Mill. sfr.Die Börse reagierte kaum; ein kurzzeitiger Kursanstieg verlor im Tagesverlauf rasch an Kraft, am Ende gingen die Credit-Suisse-Aktien im Einklang mit dem Gesamtmarkt leicht geschwächt mit knapp über 10 sfr aus dem Handel.Helfenstein versuchte die neuerliche Abbaurunde als Teil einer zukunftsweisenden Strategie darzustellen. Ein bedeutender Teil der eingesparten Kosten werde in die Beratung von Kunden mit komplexeren Bedürfnissen, aber vor allem in die Digitalisierung investiert, sagte der Leiter des mit rund 13 000 Angestellten immer noch größten Geschäftsbereichs der Bank.Allein in den vergangenen zwei Jahren habe die Nutzung des Online-Bankings um 40 % zugenommen und die des Mobile Bankings habe sich gar mehr als verdoppelt. Daher sei es nur konsequent, das Geschäft den neuen Gegebenheiten anzupassen und effizienter zu organisieren.Nach Abschluss der Restrukturierung wird die Credit Suisse landesweit noch 109 Filialen zählen. Seit der Finanzkrise hat sich das Schweizer Filialnetz um rund ein Siebtel verkleinert. Derzeit betreiben die Schweizer Banken noch rund 2 500 Filialen im Land. Bei 8,5 Millionen Einwohnern verfügt das Land damit noch immer über eine im europäischen Vergleich außergewöhnlich hohe Abdeckung mit Bankdienstleistungen vor Ort. Der Grund dafür sind nicht zuletzt die traditionsbewussten Kunden, die sich mit der Akzeptanz von rein elektronischen Leistungsangeboten schwerer tun als die Bankkunden in anderen Ländern. Betongoldrausch mit FolgenEine erste strukturelle Bereinigung erfuhr der Schweizer Bankenmarkt schon in den frühen 1990er Jahren. Wie so oft lag die Ursache im Immobilienmarkt: Dutzende Regionalbanken hatten sich in den späten 1980er Jahren vom damaligen Boom verleiten lassen und heillos überbewertete Liegenschaften frisch und fröhlich als Sicherheiten für großzügige Hypothekarkredite akzeptiert. Dabei verließen viele Institute ihr angestammtes Revier, um in anderen Landesteilen nach Beute (Kreditgeschäften) zu jagen. Die Folgen dieses Betongoldrausches ließen nicht lange auf sich warten.1991 stürmte die Bevölkerung der Kleinstadt Thun vor den Toren der Kapitale Bern vor den Augen zahlreicher ungläubiger Journalisten aus der ganzen Welt ihre lokale Spar- und Leihkasse, um die eigenen Ersparnisse vor der Pleite der Bank noch rasch in Sicherheit zu bringen. Von den damals rund 200 Schweizer Regionalbanken sind heute nur noch 62 übrig geblieben. Viele der Institute gingen in den Großbanken auf. Die Credit Suisse zählte in jenen Jahren zu den großen Konsolidatoren des Schweizer Bankenmarktes und verleibte sich unter anderem die Neue Aargauer Bank (NAB) ein, deren Integration Teil des nun bekanntgegeben Restrukturierungsplanes ist. Auch die ungleich größere, aber ebenfalls stark geschwächte Schweizerische Volksbank in Bern ging an die Credit Suisse.Mit diesen Akquisitionen arbeitete sich die Credit Suisse im Geschäft mit Schweizer Privatkunden auf Augenhöhe vor mit dem damaligen Marktführer, der Schweizerischen Bankgesellschaft. Als sich diese im Dezember 1997 aber mit dem Bankverein zur UBS zusammenschloss, geriet die Credit Suisse aber wieder deutlich ins Hintertreffen. In den folgenden Jahren wurde die Großbank im Schweizer Retail-Geschäft auch von der offensiven Raiffeisengruppe überholt.