Creditor Relations gewinnen zusehends an Bedeutung

Einschätzung früherer Manager, dass Unternehmensfinanzierung nur eine unterstützende Funktion erfüllt, gehört zunehmend der Vergangenheit an

Creditor Relations gewinnen zusehends an Bedeutung

Creditor Relations, das strategische Management der Beziehungen eines Unternehmens zu seinen Fremdkapitalgebern, haben in den letzten Jahren einen enormen Bedeutungszuwachs verzeichnet. Mittlerweile weisen viele Unternehmen der Kommunikation mit Fremdkapitalinvestoren eine ähnlich hohe Bedeutung wie der Betreuung von Aktionären im Rahmen ihrer Investor-Relations-Aktivitäten zu. Ausschlaggebend hierfür war die Finanzkrise, welche Unternehmen auf spektakuläre Art und Weise die Notwendigkeit des kontinuierlichen Zugangs zum Fremdkapitalmarkt als überlebensnotwendige Prämisse vor Augen führte. Hoher finanzieller NutzenDoch auch in wirtschaftlich rosigen Zeiten gewährleisten Creditor Relations einen hohen finanziellen Nutzen für Unternehmen, welcher sich in niedrigerem Finanzierungsaufwand und damit einer höheren Profitabilität manifestiert. Zunehmend realisieren Unternehmen, dass die Finanzierung ebenso wie das operative Management einen integralen Teil der Führungsaufgabe darstellen, da die Effizienz der Kapitalstruktur und der darauf aufbauenden Finanzierungsstrategie einen starken Effekt auf die Profitabilität eines Unternehmens ausübt. Die verbreitete Ansicht früherer Managergenerationen, dass die Unternehmensfinanzierung lediglich eine unterstützende Funktion darstellt, gehört immer mehr der Vergangenheit an.Zusätzlich zur traditionellen Finanzierungsquelle, dem Bankensektor, steht Unternehmen der Finanzmarkt zur Kreditaufnahme zur Verfügung. Dieser hat sich seit der Einführung des Euro und der Finanzkrise als zunehmend attraktive Finanzierungsalternative erwiesen. Das in der Eurozone ausstehende Volumen an Anleihen verdoppelte sich seit 2008 und beträgt derzeit etwa 1,25 Bill. Euro. Hinzu kommen kapitalmarktnahe Finanzierungsformen, welche im Wesentlichen von Schuldscheindarlehen, syndizierten Kreditvereinbarungen sowie Commercial Paper repräsentiert werden. Eine zentrale Aufgabe der Creditor Relations ist die Identifikation der attraktivsten Finanzierungsinstrumente, welche das kontinuierliche Monitoring der Konditionen des Bankensektors sowie der Finanzmarktfinanzierung ermöglicht. FremdkapitalinvestorenDie Grundlage der Creditor Relations stellt die proaktive und fachspezifische Betreuung von Fremdkapitalinvestoren dar. Fremdkapitalinvestoren unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Analysemethoden sowie der Beurteilung von Kapitalmaßnahmen meist fundamental von Aktieninvestoren. Hintergrund ist das asymmetrische Gewinn-/Verlustpotenzial von Fremdkapitalinstrumenten, dessen Gewinnpotenzial sich auf Zinszahlungen beschränkt. Das Verlustpotenzial ist jedoch analog zu Aktieninvestments unbeschränkt und kann im Extremfall auch in einen Totalverlust münden.Davon ausgehend fokussieren sich die Analysemethoden der Fremdkapitalinvestoren hauptsächlich auf die Risikofaktoren eines Emittenten. Bestimmte Themen, wie zum Beispiel ein Aktienrückkauf, eine Kapitalerhöhung, die Höhe des Verschuldungsgrades oder eine Unternehmensübernahme werden deshalb von den beiden Investorengruppen meist unterschiedlich beurteilt. Aktieninvestoren bewerten im Falle einer Übernahme in erster Linie die strategische Logik und die daraus resultierenden Chancen. Aus Sicht der Fremdkapitalinvestoren stehen die für den Unternehmenskauf notwendige Finanzierung, der sich meist dadurch erhöhende Verschuldungsgrad sowie die potenziell zusätzlichen operativen Risiken im Vordergrund. Inhalte der Creditor RelationsUm dieser spezifischen Sichtweise zu entsprechen, müssen die Investor-Relations-Aktivitäten eines Unternehmens um Creditor-Relations-Aktivitäten erweitert werden. Hierfür ist es in einem ersten Schritt notwendig, die meist auf Aktionäre abgestimmten Präsentationsunterlagen um fremdkapitalspezifische Themenfelder zu ergänzen, wie zum Beispiel Angaben zur Ratingpolitik, schuldenspezifische Kennzahlen und verbindliche Aussagen zur künftigen Investitions- und Finanzierungsstrategie. Keinesfalls sollten Unternehmen unterschiedliche Kommunikationsstrategien für Eigen- und Fremdkapitalinvestoren entwickeln, sondern sich strikt einer “one voice policy” verpflichten. Vertrauensbildender AnsatzZwei unterschiedliche Kommunikationsstrategien, welche abhängig von der Investorengruppe die jeweiligen Vorteile über- und die Nachteile unterbetonen, würden zu einem starken Vertrauensverlust bei beiden Investorengruppen führen. Deshalb besteht eine zentrale Aufgabe der Creditor-Relations-Verantwortlichen darin, Fremdkapitalinvestoren proaktiv auf mögliche Risiken bestimmter Transaktionen hinzuweisen. Dieser vertrauensbildende Ansatz bietet einem Unternehmen gleichzeitig die Möglichkeit, die diesbezüglich ausgearbeiteten Risikomanagementstrategien, beispielsweise die Sicherstellung der Finanzierung im Rahmen einer Übernahme, aktiv zu kommunizieren. Ein höherer Informationsgrad führt zu einer Verringerung der von den Finanzmarktteilnehmern verlangten Bonitätsaufschläge.Erfolgreiche Creditor Relations erfordern eine detaillierte Dokumentation und Monitoring der Interaktionen mit den Investoren sowie eine ergänzende Finanzmarktanalyse, um die gewonnenen Informationen mit den Marktgegebenheiten abgleichen zu können. Von den zuständigen Verantwortlichen werden deshalb ein hohes fremdkapitalspezifisches Fachwissen und das Bewusstsein für die sich von den Aktionären grundlegend unterscheidende Anlagephilosophie vorausgesetzt. Zusätzlich ist eine intensive und reibungslose Abstimmung der Investor-Relations-Abteilung mit anderen Einheiten, wie insbesondere Treasury und Capital Markets, für professionelle Creditor Relations unabdingbar. Aktiver im EmissionsprozessFremdkapital wird Unternehmen nur für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung gestellt und bedarf deshalb einer fortlaufenden Refinanzierung. In der Vergangenheit haben Unternehmen die Abwicklung von Fremdkapitaltransaktionen durch die Mandatierung von Emissionsbanken weitgehend ausgelagert. Die im Rahmen der Creditor Relations gewonnenen Informationen schaffen die Voraussetzung dafür, dass sich ein Emittent aktiv in den Emissionsprozess einbringen und diesen nach seinen Vorstellungen gestalten kann. Durch den kontinuierlichen Austausch mit Fremdkapitalgebern erhält ein Emittent wichtige Informationen für die Begebung von Schuldinstrumenten, beispielsweise hinsichtlich der Konditionsforderungen, Laufzeitpräferenzen oder der konkreten vertraglichen Ausgestaltung. Mehr VerhandlungsmachtIst ein Emittent durch die Verwertung dieser Informationen in der Lage, die Emissionsrendite einer Anleihe mit einer Laufzeit von sieben Jahren und einem Emissionsvolumen von 500 Mill. Euro um nur 0,01 % zu senken, so resultiert daraus eine Ersparnis von 350 000 Euro. Eine Reduktion der Emissionsrendite kann beispielsweise durch eine höhere Allokation der Emissionsnominale an Investoren mit vergleichsweise geringen Renditeforderungen erreicht werden. Die hierfür notwendigen Informationen können nur durch eine genaue Kenntnis der Investorenbasis und damit durch intensive Creditor-Relations-Aktivitäten gewonnen werden. Zusätzlich bewirkt der Informationszuwachs des Emittenten eine Emanzipation gegenüber dessen beratenden Emissionsbanken und stärkt so dessen Verhandlungsmacht hinsichtlich der Emissionsgebühren.Die fortschreitende Digitalisierung der Finanzwirtschaft eröffnet den Creditor-Relations-Aktivitäten von Unternehmen kosteneffiziente Möglichkeiten, welche bisher nur Banken vorbehalten waren. Dies bezieht sich insbesondere auf das Monitoring der potenziellen Kreditkonditionen sowie der Nutzung alternativer Emissionswege, beispielsweise über Blockchain-basierte Emissionsportale. Zusätzlich reduzieren spezifische Marktinformations- und Dokumentationssysteme den für Creditor Relations erforderlichen Aufwand und sorgen so für ein hohes Einsparungspotenzial des Finanzierungsaufwandes.—-Markus WalchshoferGeschäftsführer Walchshofer Beratung & Beteiligung