Verhandlung

Cum-ex-Prozess gegen Olearius gestartet

Mit Christian Olearius steht der bislang prominenteste Banker wegen Cum-ex-Geschäften vor Gericht. Die spannendste Frage lautet, ob der Prozess neue Erkenntnisse zur Rolle von Bundeskanzler Olaf Scholz in Sachen Cum-ex bringt.

Cum-ex-Prozess gegen Olearius gestartet

Cum-ex-Prozess gegen Olearius gestartet

Der bisher prominenteste Banker muss sich vor der Justiz verantworten – Anklage wirft Schlaglicht auf Olaf Scholz

ak Bonn

Am Montag hat vor dem Landgericht Bonn der Prozess gegen den ehemaligen Warburg-Chef und Miteigentümer Christian Olearius begonnen. Die Cum-ex-Geschäfte der Privatbank schädigten den Fiskus in dreistelliger Millionenhöhe. Bis 2019 soll der Banker immer wieder unrichtige Angaben gemacht haben.

Großer Auftrieb in Bonn: Mehr als ein halbes Dutzend Fernsehkameras, etliche Fotografen, Journalisten und auch Fabio De Masi, Ex-Finanzpolitiker der Linken im Bundestag, sind vor Ort, als am Montag der bislang wohl aufsehenerregendste Cum-ex-Strafprozess startet. Punkt 10 Uhr betritt der Angeklagte Christian Olearius, Mitinhaber der Hamburger Privatbank M.M. Warburg und langjähriger Sprecher der Gesellschafter, den größten Verhandlungssaal am Bonner Landgericht – flankiert von seinen Anwälten Peter Gauweiler, Klaus Landry, Rudolf Hübner und seinem Pflichtverteidiger Bernd Schünemann. Zwei Minuten später erscheint auch das Gericht. Für die Vorsitzende Richterin der 13. Strafkammer, Marion Slota-Haaf, ist es der erste Cum-ex-Prozess. Olearius ist bislang der mit Abstand prominenteste Banker, der sich wegen Cum-ex-Geschäften vor der Justiz verantworten muss.

Der erste Tag gehört der Staatsanwaltschaft – und wird gleich ein Kraftakt. Die Anklageverlesung dauert mehrere Stunden. Ein Großteil der Vorwürfe war bereits Gegenstand früherer Prozesse am Landgericht Bonn, in denen zwei externe Organisatoren der Cum-ex-Geschäfte sowie ehemalige Warburg-Manager der Führungsebene verurteilt wurden. Es geht um Eigenhandelsgeschäfte der Hamburger Privatbank in den Jahren 2007 bis 2011, die laut Anklage zu einem Steuerschaden von insgesamt 167 Mill. Euro geführt haben. Darüber hinaus wurde der Fiskus mit zwei Fonds von Warburg Invest durch abgesprochene Aktienkreisgeschäfte rund um den Dividendenstichtag und doppelte Rückerstattung nur einmal gezahlter Kapitalertragsteuern um 110 Mill. Euro geprellt.

Olearius, dem ehemals hoch angesehenen Banker, Elbphilharmonie-Förderer und Mäzen, wird vorgeworfen, die Cum-ex-Geschäfte von Warburg abgesegnet und gefördert sowie die Finanzbehörden mit unrichtigen und unvollständigen Angaben getäuscht zu haben. Der heute 81-Jährige habe sich als Sprecher der Partner detailliert mit allen Handelsgeschäften im Hause befasst, schildert es die Staatsanwaltschaft.

Seinen Generalbevollmächtigten und rechte Hand, den bereits verurteilten S., habe Olearius veranlasst, „sich detailliert in die Geschäftsmodelle einzuarbeiten und ihn auf dem Laufenden zu halten“, formuliert es die Anklägerin. Olearius habe die maßgeblichen Entscheidungen getroffen, habe in regelmäßigem Kontakt zu dem ebenfalls bereits verurteilten Steuerrechtsanwalt Hanno Berger und als konkreter Ansprechpartner bei aufkommenden Problemen zur Verfügung gestanden.

Olearius sei bekannt gewesen, dass die Gewinne, die er regelmäßig der Gesellschafterversammlung des Bankhauses präsentierte, zu einem nicht unerheblichen Teil aus der unberechtigten Anrechnung und Erstattung von Steuern stammten. So machte Warburg zum Beispiel für das Jahr 2009 Kapitalertragsteuern über gut 45 Mill. Euro beim Finanzamt geltend – 44 Mill. Euro davon stammten aus Cum-ex-Trades. Als Sprecher der Geschäftsführung hatte Olearius die Steuererklärungen in den betreffenden Jahren mitunterzeichnet.

Chronisch falsche Angaben

Der politisch interessanteste Teil der Anklage ist jedoch der Vorwurf unrichtiger Angaben im Zusammenhang mit Betriebsprüfungen in den Jahren 2016 bis 2019. Denn Warburg bemühte sich damals auf allen Ebenen, drohenden Steuerrückforderungen zu entgehen. So habe Olearius mehrfach das Gespräch mit dem damaligen Ersten Hamburger Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz gesucht, schildert es die Staatsanwaltschaft. Im Oktober 2016 überreichte Olearius Scholz dazu ein Verteidigungsschreiben, bestritt illegale Geschäfte. Es lägen „keine Cum-ex-Fälle im eigentlichen Sinne vor“, zitiert die Vertreterin der Kölner Staatsanwaltschaft aus dem Brief. Und fügt hinzu: „Olearius trug bewusst wahrheitswidrig vor, eine Steuerrückforderung würde zur Existenzgefährdung von M.M.Warburg führen.“

Die Treffen sind seit langem Thema in der Landes- und Bundespolitik, in Hamburg arbeitet seit November 2020 ein Untersuchungsausschuss die Frage auf, warum die Hamburger Finanzbehörden nach den Treffen von Olearius und Scholz auf die Rückforderung 47 Mill. Euro verzichtet hatten. Genau 27 Mal wird der amtierende Bundeskanzler in der 371 Seiten starken Anklageschrift erwähnt, hat der „Spiegel“ nachgezählt.

Erst auf Intervention des Bundesfinanzministeriums forderten die Hamburger Finanzbehörden bekanntlich die Steuererstattungen in Höhe von 161 Mill. Euro von Warburg. Auch dagegen habe die Bank Einspruch erhoben und Olearius habe erneut unrichtige Angaben gemacht, wie die Anklage ausführte. Noch Ende 2019, als der erste Cum-ex-Strafprozess gegen zwei britische Aktienhändler, die Organisatoren der Warburg-Deals, sich schon in fortgeschrittenem Stadium befand, habe Olearius eine Verständigung angestrebt und wollte – abermals auf unrichtige Angaben gestützt – nur 63 Mill. Euro zahlen. Es blieb beim Versuch – am Ende verdonnerten die Bonner Richter Warburg zu einer Einziehung von 176 Mill. Euro.

Am Mittwoch wird der Prozess gegen Christian Olearius fortgesetzt. Der Ex-Warburg-Lenker hat angekündigt, sich im Laufe des Prozesses äußern zu wollen. Zuerst planen jedoch seine vier Verteidiger, am nächsten Verhandlungstag jeder eigene Erklärungen abzugeben.

Wertberichtigt Seite 2
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