"Dann ist der Markt tot"
Ist eine Konsolidierung unter den Assetmanagern der Sparkassengruppe machbar? Droht den deutschen Spezialfonds als Folge der Regulierung wieder einmal das Aus? Bahnt sich ausgehend von China eine neue Asienkrise an? Über diese und andere Fragen sprach die Börsen-Zeitung mit Uwe Trautmann und Hans-Ulrich Templin, zwei von vier Geschäftsführern der Helaba-Tochter Helaba Invest.Von Bernd Wittkowski, Frankfurt”Wir wären aufnahmefähig”, sagt Uwe Trautmann, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Helaba Invest, auf die Frage nach einer Konsolidierung auf Landesbankenebene. Mit einem Spezialfondsvolumen von rund 109 Mrd. Euro sieht sich die Helaba-Tochter unter den Assetmanagern innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe deutlich auf dem ersten Platz vor der (insgesamt klar größeren) Deka, BayernInvest, LBBW Asset Management und Nord/LB Asset Management. Diese Position habe sich die ausschließlich im institutionellen Geschäft tätige Gesellschaft, die 2016 ihr 25-jähriges Bestehen feiern kann, “nachhaltig und ertragreich” erarbeitet, und zwar gerade auch durch das überproportionale Wachstum außerhalb der Sparkassengruppe, so Trautmann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Auf Kreditinstitute insgesamt, darunter die Sparkassen, entfallen nur knapp 14 % des Spezialfondsvolumens der Helaba Invest, dagegen zusammen mehr als 60 % auf Versicherungen und den Bereich sonstige “institutionalisierte Altersvorsorge”. Größere SchlagkraftDer scheidende Helaba-Chef Hans-Dieter Brenner hat sich jüngst für eine Konsolidierung der Landesbanken starkgemacht und dabei ausdrücklich eine Kombination seines Instituts mit der DekaBank ins Gespräch gebracht (vgl. BZ vom 27. August). Darauf angesprochen, meint Trautmann, darüber werde auf anderer Ebene entschieden. Soweit er es für das Assetmanagement beurteilen könne, würden beide Häuser “fantastisch zusammenpassen”. Es gäbe ideale Verknüpfungen, man könnte Synergien heben und hätte im Portfoliomanagement gemeinsam eine umso größere Schlagkraft. Ein Zusammengehen der beiden Frankfurter Adressen hätte aus Sicht der Helaba Invest im Unterschied zu denkbaren Fusionen mit anderen Kapitalverwaltungsgesellschaften zudem den Vorteil, dass man keine Probleme mit einer Doppelpräsenz an verschiedenen Standorten hätte. Beispiele aus der Fondsbranche zeigten, wie langwierig und kompliziert sich die Integration dann darstelle.Gibt es auch im Assetmanagement die von Brenner erwähnte “Kannibalisierung”, werben sich also Wettbewerber aus der Sparkassenfamilie untereinander die Kunden ab und machen sich gegenseitig die Margen kaputt? Das sieht Trautmann für sein Geschäft undramatisch. Zunächst seien Deka & Co. für die Helaba Invest Konkurrenten wie eine Allianz Global Investors oder eine Deutsche Asset & Wealth Management. Und würde man beim Werben um Sparkassen und organisationsnahe Institute nicht primär der BayernInvest oder der Deka begegnen, hätte man es dementsprechend eben mit anderen Wettbewerbern zu tun. Zudem wollten zumindest die Großkunden ihre Anlagen ohnehin auf mehrere Assetmanager diversifizieren, weshalb man im Falle einer Konsolidierung die jeweils betreuten Gelder nicht einfach addieren könnte. Es gäbe vielmehr auch Abflüsse aus der S-Finanzgruppe. Wachstumskurs fortgesetztWas den Margendruck angeht, lässt Trautmann durchblicken, dass es gerade im institutionellen bzw. Masterfondsgeschäft nicht Häuser aus seiner Gruppe und auch nicht andere große deutsche Anbieter seien, die besonders aggressiv unterwegs sind – “hier weiß jeder, wo die Grenzen sind” -, sondern eher der eine oder andere Mitbewerber ausländischer Abstammung. Da gebe es bei Administrationsmandaten teilweise “extreme Konditionen, die wir nicht nachvollziehen können”. Im Portfoliomanagement wiederum seien angelsächsische Adressen insofern eher hilfreich, als sie höhere Margenansprüche hätten. Deutsche Anbieter hätten bei Spezialfonds mit zehn bis 20 Basispunkten traditionell am untersten Rand gearbeitet, in der Administration sei die Spanne sogar nur einstellig – und davon müsse der ganze Apparat finanziert werden.Ihren Wachstumskurs hat die Helaba Invest 2014 und auch im bisherigen Verlauf dieses Jahres fortgesetzt. Die Geschäftszahlen seien “erfreulich”, so Trautmann. Beim Gesamtvolumen (vgl. Grafik) sei für das ganze Jahr ein Zuwachs von 7,5 Mrd. Euro geplant gewesen, tatsächlich sprang schon per Ende Juli ein Plus von 11 Mrd. Euro heraus. Bezogen nur auf die Spezialfonds betrug die Steigerung im ersten Halbjahr 8,4 Mrd. Euro (auf die eingangs erwähnten rund 109 Mrd. Euro, die einem Marktanteil von 8,6 % entsprechen), wovon 7,8 Mrd. Euro auf das Nettomittelaufkommen entfielen. Viele neue Mandate habe die Gesellschaft nicht zuletzt in der vormaligen WestLB-Region Nordrhein-Westfalen und Brandenburg gewonnen. Überschaubare PerformanceEine großartige Performance lassen die Zahlen nicht erkennen. “Wir sind ein Zinshaus”, begründet Trautmann dies. Die Aktienquote über alle Fonds liege nicht über 7 %, hier zeige unter anderem die Regulatorik auf der Seite der Versicherungskunden ihre Wirkung. Und viele Sparkassen hielten sogar ausschließlich Rentenfonds. Kalkuliert habe man mit Blick auf das Rentenmarktumfeld für das Gesamtjahr folglich mit einer Performance von lediglich 1 %.Zufrieden zeigt sich Trautmann auch mit der Ertragslage der Helaba Invest, wenngleich der Beitrag zum Konzernergebnis (607 Mill. Euro vor Steuern 2014) überschaubar ausfällt. Im laufenden Jahr will die Gesellschaft um 20 % auf 24 Mill. Euro zulegen, womit sich ihr Eigenkapital von 13 Mill. Euro freilich “sehr ordentlich” verzinst. Belegschaft wächst mitReizt es das Fondshaus nicht, ins noch wesentlich ertragsträchtigere Publikumsfondsgeschäft einzusteigen? “Wir haben nicht vor, im Privatkundengeschäft in Konkurrenz zur Deka zu treten”, versichert Trautmann. Ihre Strategien bildet die Helaba Invest zwar sehr wohl auch in Publikumsfonds ab, die jedoch nur an Institutionelle vertrieben werden. Zum einen bekomme man auf diese Weise ein Morningstar-Rating und steigere die eigene Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Zum anderen könne man auch einmal “Kleinanlegern” im institutionellen Bereich beispielsweise die Anlage von 5 Mill. Euro in High Yields anbieten bzw. einen solchen Fonds als Baustein für ein Multi-Asset-Portfolio einer Sparkasse, einer Stiftung oder eines Pensionsfonds verwenden.Mit der Expansion des Geschäfts wächst auch die Belegschaft. 270 Beschäftigte zählte die Helaba Invest im Juli, vier mehr als am Jahresanfang, und etliche werden im Lauf des Jahres noch hinzukommen, doch sei qualifiziertes Personal gar nicht so leicht zu finden. In der Fondsbranche sei nun mal “Humankapital” ein entscheidendes Erfolgskriterium, weniger das Eigenkapital. “Pro 1 Mrd. Euro zusätzliches Fondsvolumen brauchen wir eineinhalb Leute”, rechnet Trautmann vor. In dieser Faustregel seien bereits sämtliche Skaleneffekte, Synergien und Effizienzgewinne berücksichtigt. “Wir arbeiten schon hocheffizient.”Zum steigenden Personalbedarf trägt sicher auch bei, dass das Geschäft im Zuge der Regulierung immer komplexer wird – ein Thema, das bekanntlich die ganze Branche umtreibt. Die Assetmanager sind dabei sogar doppelt betroffen: durch die direkt für sie selbst geltenden Vorschriften (Kapitalanlagegesetzbuch, Marktrichtlinie Mifid, Derivateverordnung Emir etc.) und durch die Regeln für ihre institutionellen Kunden wie Solvency II für Versicherer und Basel III für Banken. Die neuen Regeln führen zu kaum noch überschaubaren Datenanforderungen seitens diverser nationaler und internationaler Aufsichtsbehörden.Ist diese Regulierungslawine, sind diese gigantischen Datenmengen, ganz abgesehen von dem damit verbundenen Aufwand, überhaupt sinnvoll? Trautmann: “Man versteht schon, welche Idee dahintersteht. Das ganze System soll sicherer werden.” Nur: In der praktischen Anwendung treiben die neuen Regeln die Zunft erkennbar an den Rand der Verzweiflung. Beispiel Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) der Banken: Danach dürfen Kreditinstitute einen Fonds mit seinen vielen Assets und Korrelationseffekten, die sich gegeneinander ausgleichen und die Volatilität abmildern können, nicht mehr als einen einzigen Risikoträger betrachten. Jetzt müssen die Banken so tun, als hätten sie die einzelnen Werte selbst im Buch, und darüber volle Transparenz schaffen, also durch den Fonds “durchschauen”. In der MaRisk-Steuerung ist die Volatilität jedes einzelnen Papiers zu berechnen. Hat nun eine Sparkasse beispielsweise den High-Yield-Fonds der Helaba Invest, in dem sich um die 1 000 Positionen befinden (der aber wiederum auch nur Teil eines Gesamtportfolios ist), so muss sie diese rund 1 000 Einzelpositionen komplett abbilden, und das nicht nur im Risikomanagement, sondern auch in der Kreditvergabe, sie muss folglich Kreditakten dafür anlegen. “Wenn Sie dem Kunden diese Daten nicht automatisiert anliefern, können Sie den Spezialfonds für dieses Haus vergessen”, stellt Trautmann fest. Solche Anforderungen hält er jedenfalls für Sparkassen, die ja in der HGB-Welt leben, daher eindeutig für weit überzogen. Ärger mit der EBADoch für die Assetmanager könnte es noch schlimmer kommen, wenn sich nämlich die European Banking Authority (EBA) in London mit ihrer Position durchsetzen sollte, wonach es sich bei allen Spezialfonds um Schattenbanken handelt. Was das bedeuten würde? “Dann ist der Markt tot”, sagt Trautmann. In den von deutschen Gesellschaften gemanagten Spezialfonds im Volumen von 1,3 Bill. Euro befänden sich zu mehr als 99 % Wertpapiere und zu weniger als 1 % Kredite. Würden diese Vehikel gleichwohl als Schattenbanken definiert und müssten dementsprechend mit Eigenkapital unterlegt werden, könnte man den Laden zumachen. Ganz abgesehen davon, dass man Treuhandvermögen verwalte, sei es angelsächsisch denkenden Aufsehern anscheinend nicht vermittelbar, dass es hier um Ein-Anleger-Fonds gehe, die nach den Vorgaben des Kunden gemäß dessen Regularien gesteuert würden.Was bewegt die Helaba Invest aktuell mit Blick auf die Kapitalmärkte? Natürlich nicht zuletzt China. Bahnt sich da eine neue Asienkrise wie in den späten neunziger Jahren an? “Das sehen wir gar nicht”, sagt Hans-Ulrich Templin, der bei der Gesellschaft seit 2004 als Geschäftsführer die Produktentwicklung und das gesamte Wertpapier-Assetmanagement verantwortet. Die Situationen seien nicht vergleichbar. Damals seien eine enorme Verschuldung in Fremdwährung und hohe Leistungsbilanzdefizite zu konstatieren gewesen. Heute verfüge China über ausreichend Devisenreserven, und die Verschuldung sei nicht das Problem.Sicher gebe es eine konjunkturelle Abschwächung, und China habe heute natürlich eine andere Relevanz für die Weltwirtschaft als vor 20 Jahren. Aber die Diskussion darüber, ob die Volksrepublik die Marke von 7 % Wachstum halten könne, sei so alt wie die Debatte, inwieweit man den Zahlen trauen könne. Vor diesem Hintergrund kann Templin “über die Intensität der Reaktionen der vergangenen Wochen nur den Kopf schütteln”. Den Weltuntergang vermag er jedenfalls nicht zu erkennen, selbst wenn man sich mit Wachstumsraten Chinas anfreunden müsste, die eher jenen großer entwickelter Volkswirtschaften entsprechen. Das könnten durchaus auch einmal 3 % sein. Riesen-KonjunkturprogrammWie reagieren die Kunden auf die Aufgeregtheit der Märkte, lassen sie sich anstecken, ist Aktionismus festzustellen? “Überhaupt nicht”, sagt Templin. Zumal dem Rückschlag an den Aktienmärkten ja eine noch stärkere Aufwärtsbewegung vorausgegangen sei. Wären die Kurse gleich zu Jahresbeginn abgeschmiert, wäre die Stimmung heute sicher eine andere, so aber lägen viele Portfolien immer noch im Plus. “Keiner sagt: ,Weg mit den Risikoassets`.” Man sehe eher Chancen. Die Helaba Invest habe auf dem gesunkenen Kursniveau schon nachgekauft.Liquidität, Niedrigzinsen, Anlagedruck – das Umfeld sei insoweit unverändert. In den USA rechnet Templin “eher im Dezember als im September” mit einem kleinen Zinsschritt, der aber aus seiner Sicht nicht den Beginn einer Kehrtwende in Richtung 1,5 oder gar 2 % markieren würde. Zehnjährige Bundesanleihen dürften auf Sicht weiter unter 1 % rentieren. Halte die EZB die Zinsen niedrig und die Liquidität hoch, bleibe somit der Anlagedruck bestehen. Die entscheidende Frage laute dann: Laufen wir in eine Weltrezession hinein? Die Assetmanager der Helaba beantworten sie mit Nein. Sorge bereitet ihnen indes, dass Europa nicht stärker wachse angesichts des “größten Konjunkturprogramms, das wir je hatten”: Verfall des Ölpreises und anderer Rohstoffpreise, Niedrig- oder Nullzinsen, ein äußerst exportförderlicher Euro/Dollar-Kurs. Ein solches Konjunkturprogramm von locker 60 bis 70 Mrd. Euro könnte keine Bundesregierung fiskalisch stemmen, ganz zu schweigen von den Regierungen der europäischen Nachbarländer, sagt Trautmann.