SERIE: IMMOBILIENMÄRKTE IM AUSNAHMEZUSTAND (8)

"Das Abwärtsrisiko ist beherrschbar"

Britischer Gewerbeimmobilienmarkt macht Anpassungsprozess durch - Neue Wolkenkratzer in der City

"Das Abwärtsrisiko ist beherrschbar"

Nachdem in den Monaten um das EU-Referendum offene Immobilienfonds die Pforten schlossen, hat sich der Markt für Gewerbeimmobilien inzwischen beruhigt. Bei der Schweizer GAM rechnet man nicht mit einer Wiederholung der Immobilienkrise von 2007 bis 2009.Von Andreas Hippin, LondonVor dem EU-Referendum haben viele für den Fall eines Votums für den Austritt den Zusammenbruch des britischen Immobilienmarkts prophezeit. Die Kurse börsennotierter Immobiliengesellschaften (Reits) wie British Land oder Land Securities gerieten bereits unter Druck, als in den Monaten vor dem EU-Referendum vermehrt Anteile an offenen Immobilienfonds zurückgegeben wurden. Ihre Aktien werden von deren Managern lieber gehalten als Cash, denn sie bieten Dividendenausschüttungen und die Hoffnung auf Kursgewinne. Und sie sind liquide genug, um gegebenenfalls Anleger auszahlen zu können. Der Ansturm der Kleinanleger sorgte jedoch dafür, dass sämtliche Reserven komplett aufgezehrt wurden. Im Nu war mehr als die Hälfte der in offenen Immobilienfonds geparkten 25 Mrd. Pfund eingefroren. Wenn noch Transaktionen am Markt stattfanden, waren es meist Fonds, die Objekte veräußern mussten, um ihre Anleger auszahlen zu können. Da seien “Schnäppchen” zu haben gewesen, sagt Jon Rickert, der auf Immobilienkredite spezialisierte Investment Director beim Schweizer Vermögensverwalter GAM, der Börsen-Zeitung. So habe etwa ein erstklassiges Bürogebäude in Hammersmith zu einem wesentlichen Abschlag auf die Bewertung vor dem Brexit-Votum den Besitzer gewechselt. “Wir haben aber nicht viele Transaktionen dieser Art gesehen”, sagt Rickert. “Die offenen Immobilienfonds haben ihr Exposure still und langsam reduziert.” Helter SkelterAuf den ersten Blick scheint sich die Situation beruhigt zu haben. Wie dem im November vorgelegten Finanzstabilitätsbericht der Bank of England zu entnehmen ist, sind die Gewerbeimmobilienpreise seit dem Referendum um 2,6 % gesunken. Der Wert der im dritten Quartal getätigten Transaktionen lag um gut ein Viertel unter dem Vorjahresniveau (siehe Grafik). Offene Immobilienfonds nehmen wieder Anteile zurück, die CEOs von Reits geben sich optimistisch. Aroland Holdings aus Singapur hat die Baugenehmigung für einen 73-stöckigen Wolkenkratzer in der City of London erhalten, für den der Aviva Tower abgerissen werden muss. Der “Trellis” – offiziell 1 Undershaft genannt – wird nach dem “Shard” das zweithöchste Gebäude in Westeuropa sein. Google will die Zentrale am Londoner Bahnhof King’s Cross wie ursprünglich geplant erweitern. Die Immobiliensparte der französischen Axa gab im Oktober grünes Licht für einen weiteren Büroturm in der City. Das 278 m hohe Gebäude 22 Bishopsgate soll bis 2019 auf den Fundamenten des nie vollendeten “Pinnacle” bzw. “Helter Skelter” errichtet werden. Arab Investments hatte das Vorhaben 2012 aufgegeben.”Unsere Grundannahme ist, dass die Mieten sinken werden”, sagt Rickert. In der City und anderswo in London zeichne sich das bereits ab. “Wir befinden uns in einem langsamen Anpassungsprozess. Wenn es nur um die Mieten geht und die Renditen relativ stabil bleiben, werden die Auswirkungen weit hinter dem zurückbleiben, was wir von 2007 bis 2009 erlebt haben.” Die Bewertungen könnten um 10 % bis 15 % zurückgehen. “Das ist keine monumentale Anpassung und vielleicht in mancherlei Hinsicht ganz gesund, weil es den Druck aus der Entwicklung der Bewertungen nimmt.”Für ausländische Anleger sehe der britische Markt billiger aus als damals, es gebe von dieser Seite auch mehr Nachfrage als während der Finanzkrise. Zudem seien die Banken in einem weitaus besseren Zustand. Vor dem Referendum sei sein Team der Meinung gewesen, dass es außerhalb des Vereinigten Königreichs bessere Anlagemöglichkeiten gebe. Inzwischen betrachte man Großbritannien als “ziemlich interessanten Markt” für Anleger, die in Schuldentitel investieren. “Es gibt mit Sicherheit ein Abwärtsrisiko. Aber das Abwärtsrisiko ist beherrschbar.” Rickert geht davon aus, dass das Geschäft in den kommenden drei bis sechs Monaten langsam verlaufen wird.Aus Sicht des Immobilienanalysten Mike Prew von Jefferies sind die Liquiditätsprobleme der offenen Immobilienfonds weiterhin ungelöst. Die Financial Conduct Authority will dazu Anfang 2017 ein Diskussionspapier vorlegen. “Major a.D. Smith und seine Frau stürmen noch nicht zum Ausgang, wenn sie die Geldseiten der ,Mail on Sunday` lesen”, gibt Prew zu. “Aber Aberdeen fließen täglich 2 Mill. Pfund aus dem Immobilienfonds ab.” Offene Gewerbeimmobilienfonds halten rund 5 % des Markts. “In einer langsamen Welt spielt es vermutlich keine große Rolle, wenn die Besitzer von 5 % des Marktes sagen wir mal die Hälfte davon zum Verkauf stellen”, sagt Rickert. Im Schnitt wechselten jährlich 12 % bis 14 % des Gewerbeimmobilienmarkts die Besitzer.Am Wohnimmobilienmarkt hat sich zwar der Preisauftrieb etwas abgeschwächt, von sinkenden Preisen kann aber keine Rede sein. Aus Sicht der unabhängigen Haushaltswächter des Office for Budget Responsibility (OBR) werden die Wohnimmobilienpreise im laufenden Jahr um 3,4 % steigen. Für den Zeitraum vom zweiten Quartal des vergangenen Jahres bis zum ersten Quartal 2022 haben sie einen kumulierten Wertzuwachs von 28,5 % angesetzt. “Anhaltendes Preiswachstum über den britischen Markt hinweg unterstützt unsere Ansicht, dass die fundamentalen Rahmendaten des britischen Häusermarkts weitgehend unverändert geblieben sind und die Bewertungen weiter unterstützen”, schreibt Oliver Knight, Associate bei Knight Frank. Das OBR rechnet damit, dass die Stempelsteuereinnahmen aus dem Verkauf von Wohnimmobilien von 8,1 Mrd. Pfund im laufenden Finanzjahr 2016/17 auf 13,0 Mrd. Pfund 2021/22 anschwellen werden.—-Zuletzt erschienen: – Preisanstieg gleich Blasenbildung? (11.1.)