Stefan Zeidler, Volksbank Stuttgart

„Das dicke Ende kommt noch“

Der Vorstandsvorsitzende der Volksbank Stuttgart, Stefan Zeidler, rechnet für 2023 mit einem Wirtschaftseinbruch und Insolvenzen.

„Das dicke Ende kommt noch“

Von Thomas Spengler, Stuttgart

Das Marktgebiet der Volksbank Stuttgart erstreckt sich sowohl im innerstädtischen Bereich als auch im eher ländlich geprägten Rems-Murr-Kreis. Daher spiegelt das Geschäft des Instituts sowohl die wirtschaftliche Situation der Bevölkerung als auch die des dort ansässigen Mittelstands wider. Solange die Arbeitslosigkeit niedrig bleibe, sei ihm um die Region nicht bange, sagt dazu der Vorstandsvorsitzende Stefan Zeidler im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

„Bestimmender Faktor etwa für den privaten Immobilienmarkt ist der Beschäftigungsstand“, erläutert der 58-jährige CEO. Die bezahlten Preise für die eigenen vier Wände würden etwa 5% unter denen des Vorjahres und damit auf dem Niveau von 2020 liegen. Angesichts einer Vervierfachung der Bauzinsen seit Januar und gestiegener Energiekosten schrauben viele Kaufwillige ihre Ansprüche offenbar herunter. „Die Zeit der Höchstpreise ist vorbei“, so Zeidler. Während gebrauchte Immobilien immer noch lebhaft gehandelt würden, seien die Neubaufinanzierung und das Bauträgergeschäft drastisch gesunken. „Wir sind aber weit weg von einem dramatischen Einbruch“, sagt Zeidler. Nachdem Baufinanzierungen, das Kerngeschäft der Volksbank, im ersten Halbjahr 2022 rekordhohe Zuwächse in der Größenordnung von 20% verzeichneten, sind die Stückzahlen in diesem Bereich per Oktober auf Vorjahresniveau zurückgefallen.

Werben um Mitglieder

Indessen nimmt Zeidler besonders in der Krise wahr, dass die Neigung der Kunden, sich für den günstigsten Anbieter unter den Banken zu entscheiden, abgenommen habe. „Die Kunden schätzen die Kontinuität eines verlässlichen Bankpartners, sowohl auf der Einlagen- als auch der Kreditseite“, sagt er. So könne die Hausbank ein Stabilitätsanker in der Krise sein. Die Kundennähe einer Bank drückt sich im Genossenschaftswesen auch in der Mitgliedschaft aus, die bei der Volksbank Stuttgart in den vergangenen Jahren, wie bei vielen Genossenschaftsbanken, vor allem demografisch bedingt, weiter zurückgegangen ist. Seit Mai dieses Jahres wirbt das Institut nun aktiv um neue Teilhaber, wofür die maximale Summe der zu zeichnenden Anteile von 250 auf 5000 Euro pro Mitglied verzwanzigfacht wurde. Entsprechend dem Hausbanken­modell der Volksbank Stuttgart wird die Anzahl der zu zeichnenden Anteile an die Intensität der Geschäftsbeziehung gekoppelt. Auf diese Weise soll die eigenkapitalrelevante Haftsumme der Geschäftsguthaben um 30 Mill. auf 110 Mill. Euro angehoben werden, wovon die Hälfte geschafft ist. Die Zahl der Mitglieder verharrt allerdings unterm Strich bei 175000.

Der Vorstandsvorsitzende führt dies auf den geringeren finanziellen Anreiz zurück, den es vor Zeiten mit dem gebührenfreien Spar- und Girokonto zusätzlich zu einer Dividende noch gegeben hatte. Je mehr Kunden auch Mitglieder der Bank sind, als desto attraktiver gilt die Mitgliedschaft. Diese Quote beträgt bei der Volksbank Stuttgart überdurchschnittliche 65%. „Unsere Absicht ist es, neue Kunden gleich für eine Mitgliedschaft zu gewinnen“, so Zeidler.

Je größer die Bank sei, desto schwieriger werde dies allerdings, gestand er ein. Daher sollen neue Formen der elektronischen Kommunikation helfen, die Frage der Mitgestaltung bei der Bank erlebbarer zu machen – was im Finanzgeschäft nicht ganz trivial sei. Ein Beispiel ist eine Spendenplattform, auf der Kunden für Projekte von Vereinen und Einrichtungen spenden können, die ebenfalls Kunden sind.

Darüber hinaus ist die Volksbank Stuttgart dabei, Prozesse etwa zur Kreditentscheidung durchgehend zu digitalisieren. Ziel sei es, Standardprozesse bis zur Verbuchung und der Regulatorik automatisiert durchlaufen zu lassen. „Die Kosten dafür werden perspektivisch nicht viel höher sein als zurzeit, aber die Erträge können sich durch Skaleneffekte vervielfachen“, sagt Zeidler. Letztere wären auch durch Fusionen zu erzielen, wozu es in jüngster Zeit allerdings trotz Gesprächsbereitschaft seitens der Volksbank Stuttgart keine konkreten Sondierungen gegeben hat.

Noch gute Substanz

Den Firmen im Marktgebiet attestiert Zeidler indessen nach wie vor eine gute Substanz, die sie über den Winter bringen dürfte. „Das dicke Ende kommt noch“, ist Zeidler überzeugt. Zwar sei die Auslastung für viele Unternehmen noch sehr gut. Wenn dann aber irgendwann 2023 das Angebot die Nachfrage übersteige, wovon er ausgeht, sei mit einer Rezession zu rechnen. Wie heftig und wie lange ein derartiger wirtschaftlicher Einbruch sein wird, spielt für den CEO keine entscheidende Rolle. „Wichtig ist, dass die dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhalten bleibt“, macht Zeidler klar. Inwieweit dies gelingen mag, hänge stark von den künftigen Lohn- und Materialkosten sowie Energiepreisen ab. Aufgrund dieser Annahme erwartet der Vorstand für 2023 bei dünnerer Auftragslage ein spürbares Anziehen der Insolvenzen.

Parallel dazu könnte sich eine Kaufzurückhaltung unter Verbrauchern bilden, als deren Vorboten Bankkunden bereits heute Regeleinzahlungen auf Sparpläne einstellen. Darüber hinaus beobachtet Zeidler, dass Konzerne damit beginnen, Zinsen wieder als Kostenfaktor wahrzunehmen – und bereits Druck auf Zulieferer ausüben, indem sie entsprechend niedrigere Preise fordern.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.