Allianz

Das Direktgeschäft schrumpft

Es war eine Kampfansage an die gesamte Branche, die die Allianz auf ihrem Kapitalmarkttag 2018 formulierte. Ein neuer Direktversicherer soll den Markt aufrollen, erstmals stellten die Münchner ihren renommierten Namen „Allianz“ zur Verfügung...

Das Direktgeschäft schrumpft

Von Michael Flämig, München

Es war eine Kampfansage an die gesamte Branche, die die Allianz auf ihrem Kapitalmarkttag 2018 formulierte. Ein neuer Direktversicherer soll den Markt aufrollen, erstmals stellten die Münchner ihren renommierten Namen „Allianz“ zur Verfügung – in den Jahren zuvor war sie mit Zweitmarken kaum erfolgreich gewesen. „Bei Versicherungen gibt es keine Gründe dafür, dass sie nicht digital sein sollten“, erläuterte der damals für das Projekt verantwortliche Allianz-Vorstand Ivan de la Sota den Journalisten. Im Gespräch mit Analysten malte er die Zukunft der Gesellschaft Allianz Direct in rosigen Farben: „Wir werden in der Lage sein, das Geschäft nicht nur wachsen zu lassen, sondern zu vervielfachen.“

Zweieinhalb Jahre später ist von Wachstum keine Spur zu sehen – im Gegenteil. Vorstandschef Oliver Bäte muss sich auf der Hauptversammlung unangenehme Fragen gefallen lassen. Die Fondsgesellschaft Union Investment hat das Thema sogar an den Anfang ihres Katalogs für das Aktionärstreffen am heutigen Mittwoch gestellt. „Herr Bäte, warum hat die Allianz mit der Online-Plattform Allianz Direct, die Sie als strategische Priorität definiert haben, im Coronajahr 2020 weniger Prämien eingenommen als im Geschäftsjahr 2019“, will Portfoliomanager Janne Werning (Leiter ESG Capital Markets & Stewardship) wissen. Damit legt Union Investment den Finger in die Wunde. Mittelfristig will Allianz Direct laut de la Sota ein Volumen von 3 bis 5 Mrd. Euro erreichen. Stattdessen sind die gebuchten Bruttobeiträge im vergangenen Jahr um 10,5% auf 1,1 Mrd. Euro gesunken.

Dies ist umso erstaunlicher, als die Allianz Direct bisher fast ausschließlich als Autoversicherer unterwegs ist – und dieses wenig erklärungsbedürftige Standardprodukt während der Corona-Krise einen Boom im Direktvertrieb erlebt hat. „Wir sehen ganz deutlich, dass die Bedeutung des Online-Vertriebskanals stark gestiegen ist“, sagte beispielsweise Klaus Heitmann, Vorstandsvorsitzender des Branchenführers HUK-Coburg, im Interview der Börsen-Zeitung (vgl. BZ vom 13. Januar).

Wo liegt das Problem? Die Allianz knausert zunehmend mit Informationen über ihre Tochtergesellschaften. Dass die Allianz Direct nicht einmal offenlegen will, wie sich die Zahl der versicherten Autos in Deutschland im vergangenen Jahr ausgehend von 720000 Stück Ende 2019 entwickelt hat, zeigt auf die Schwachstelle hin: Es ist der Heimatmarkt. Dort erwirtschaftete Allianz Direct im Jahr 2019 mit gebuchten Bruttobeiträgen von 255 Mill. Euro gut ein Fünftel der gesamten Beitragseinnahmen – die internetaffinen Märkte Italien und Niederlande lieferten den Großteil.

Im vergangenen Jahr dürfte der Umsatz hierzulande um ein Drittel gesunken sein. Zwar liegt der Geschäftsbericht 2020 nicht vor, doch zeigt der Solvenzbericht 2020 einen Rückgang der verdienten Beiträge auf eigene Rechnung von 32% (siehe Grafik). Die gebuchten Bruttobeiträge sollten mindestens im gleichen Tempo gesunken sein.

Der Grund: Den Vertrieb über die Vergleichsportale stellte die Allianz aus Kostengründen ein – und der eigene Vertrieb unter der Marke Allianz wächst zwar, kann dies aber bisher in Deutschland nicht kompensieren. Die Folge: Schon im Jahr 2019 sank die Zahl der neu abgeschlossenen Verträge drastisch, und zwar um 72%. Wettbewerber rieben sich die Augen, dass so viele Ex-Kunden der Allianz Direct zu ihnen wechselten.

Für Bäte ist dies keine gute Nachricht. Das Projekt ist ein Herzensanliegen des Vorstandschefs. Ihn treibt um, dass Internet-Giganten den Kundenzugang rauben könnten – weil sie komfortabler und billiger anbieten. Daher will Bäte den Chefs der traditionell agierenden Töchter zeigen, was sie leisten müssen. Auf dem Kapitalmarkttag 2018 hielt er damit nicht hinter dem Berg. Das Ziel sei, „eine interne Benchmark für die deutschen, italienischen und niederländischen Kollegen zu schaffen“. Sie könnten sehen, wie sich die operativen Kosten entwickeln müssten.

Im vergangenen Jahr, das durch eine niedrige Schadenquote geprägt war, stieg jedoch die Kostenquote der Allianz Direct von 20,4% auf 23,7%. Der Beitragsrückgang ist ein Treiber, reicht aber als Erklärung nicht aus. Dieses Kostenniveau erreicht auch die Allianz Deutschland mit ihrem traditionellen Geschäft, sie landete bei 24,3%. Offenbar hat die Allianz Direct ein grundsätzliches Problem: Zu viele Kunden wenden ihr nach einem Jahr wieder den Rücken. Dies treibt die Abschlusskosten in die Höhe. Da hilft auch der Verzicht auf die teuren Vergleichsportale nichts.

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