IM INTERVIEW: GEORGE HANDJINICOLAOU, GRIECHISCHER BANKENVERBAND

"Das größte Risiko liegt in der Konjunktur"

Der griechische Bankenpräsident über die Profitabilität der Kreditinstitute, Belastungen durch faule Kredite und die Chancen auf Rückkehr an die Kapitalmärkte

"Das größte Risiko liegt in der Konjunktur"

Herr Handjinicolaou, die griechischen Banken haben eine lange, schwere Phase hinter sich. In welchem Zustand befinden sich die Institute heute?Der Ausblick für die griechischen Banken hat sich beständig verbessert – und mit jedem Tag werden die auf der Branche lastenden fundamentalen Probleme kleiner. Das lässt sich an drei Punkten festmachen: Da wären zunächst die auskömmliche Kapitalisierung, die von Notenbankenhilfe befreite und voll wiederhergestellte Liquiditätsausstattung sowie drittens die mit dem SSM, dem Einheitlichen Aufsichtsmechanismus, vereinbarten Pläne zur Reduzierung der leistungsgestörten Kredite, also der NPL. Wie sehr belasten denn faule Kredite die Bankbilanzen?Ende 2016 befanden sich 106 Mrd. Euro an Non Performing Loans im griechischen Bankensystem, heute sind es 80 Mrd. Euro. Die Erwartung ist, dass dieses Volumen mit Ende des SSM-Programms 2021 signifikant reduziert wird. Außerdem hat sich inmitten der Verkleinerung der Bankbilanzen, also des Deleveraging, die Profitabilität der griechischen Banken erhöht. Dank erhöhter Effizienz sind die Kosten gesunken, was unterm Strich zu Ergebnisverbesserungen geführt hat. Deutsche Banken haben Probleme mit der Profitabilität. Können griechische Banken besser mit niedrigen Zinsen umgehen?Treiber der Entwicklung in Griechenland ist eine stete Verbesserung des Nettozinsergebnisses, das heißt die Differenz zwischen den Einnahmen aus zinstragenden Assets und der Kosten der Bewirtschaftung eines solchen Portfolios. Aber: Die fortschreitende Reduzierung von leistungsgestörten Krediten beinhaltet eine Risikokosten-Analyse, die auf die Zinsmarge drückt. Außerdem stehen weniger Mittel für Ausschüttungen an die Aktionäre zur Verfügung. Es gibt also noch einige Probleme?Die Anzahl der das Risikoprofil belastenden unvorhersehbaren Ereignisse nimmt immer mehr ab. Wir haben die Probleme in Angriff genommen und können nun berichten, dass sich die Profitabilität verbessert hat – und dass sich diese Entwicklung absehbar fortsetzen wird. Die NPL-Quote befindet sich mit 44,8 % immer noch auf untragbar hohem Niveau. Jetzt gibt es das Versprechen, zusätzliche 50 Mrd. Euro bis Ende 2021 abzubauen. Ist das ohne harte Belastung der Kapitalquoten möglich?Diese 50 Mrd. Euro sind Teil der Vereinbarung mit der EZB-Bankenaufsicht, dem SSM. Die Banken haben daran angelehnt ihre Kalkulationen gemacht und festgestellt, dass es machbar ist, ohne die Kapitalquoten zu beschädigen. Wir können also davon ausgehen, dass die Banken diese Ziele erreichen und die Kapitalpolster ausreichend sind, um Verluste aus dem NPL-Abbau abzufedern und die SSM-Ziele zu erfüllen. Wie viele der Non Performing Loans sind Immobilienforderungen? Ist deren Abbau nun besser umsetzbar mit Inkrafttreten des Katseli-Gesetzes, das außergerichtliche Verfahren ermöglicht?20 Mrd. der 80 Mrd. Euro sind Immobilienkredite. Diese 20 Mrd. Euro sind vom Katseli-Gesetz betroffen. Dieses soll das Risikoprofil solcher Ausleihungen für den Kreditgeber verbessern. Und damit sollte es den Banken möglich sein, die Bedingungen des SSM zu erfüllen. Wie hat sich das Geschäft mit Einlagen als Gradmesser des Vertrauens in Banken entwickelt?Da führe ich das Beispiel der Piraeus Bank an, die derzeit eine Loan-to-Deposit-Ratio von 85 % hat. Das heißt, wir haben 15 % Überschussliquidität. Die Piraeus Bank steht bei dieser Kennziffer wohl besser da als andere griechische Institute, mit Ausnahme der National Bank of Greece. Was lässt sich allgemein für die Branche sagen?Insgesamt haben die griechischen Banken eine ausreichende Rückkehr von Depositen erlebt, sowohl von privaten als auch von Firmenkunden. Das hat die Abhängigkeit von der Emergency Liquidity Assistance (ELA) durch die Notenbank eliminiert, so dass wir heute sogar einen Einlagenüberhang haben. Das versetzt die Institute wieder in die Lage, die Kreditvergabe an die Wirtschaft zu erhöhen. In der Zeit von Finanzminister Giannis Varoufakis kam es fast zu einem Bank Run – da ist es ja schon erstaunlich, dass die Kunden so schnell wieder Vertrauen in griechische Banken gefunden haben.Na ja, das Niveau der Einlagen von Anfang 2015 haben wir noch nicht wieder erreicht. Aber gleichzeitig haben wir die Bilanzen geschrumpft – und das heutige Niveau reicht den Banken aus, um die verhaltene inländische Kreditnachfrage zu befriedigen. Was ist das größte Problem aus dem Spektrum der Altlasten für das griechische Bankensystem?Das größte Risiko liegt in der Konjunktur. Als Teil der griechischen Wirtschaft können wir nur so gut funktionieren, wie das Umfeld, das uns trägt. Wächst die Wirtschaft unterdurchschnittlich, dann bekommen wir das zu spüren – was dann selbst die Kapitalquoten gefährden könnte. Grundlage für alles ist ein gesundes, robustes Wachstum der griechischen Wirtschaft, die derzeit nur mit gut 2 % wächst. Wie sieht denn die Refinanzierungssituation für die griechischen Banken derzeit aus? Kann mit Beendigung der ELA-Hilfen wieder der Kapitalmarkt adressiert werden?In den vergangenen zwölf Monaten hatten griechische Banken keinen Zugang zum Bondmarkt, da auch der Souverän keinen Zugang hatte. Als sich im Sommer 2018 die italienische Krise entfaltete, war bis zum Ende des Jahres keine Emission mehr möglich. Mit Beginn dieses Jahres hat der griechische Staat mit zwei Platzierungen erste Schritte unternommen, den Kapitalmarktzugang wiederherzustellen – und wird das in den kommenden Monaten fortsetzen. Das ist natürlich ein tolles Signal, denn es eröffnet den Banken über die Zeit die Möglichkeit, ebenfalls den internationalen Kapitalmarkt anzuzapfen. Warum ist der Zugang zum Kapitalmarkt für griechische Banken wichtig?Dort erhalten wir dann Fremdkapital mit festen Laufzeiten von drei bis fünf Jahren. Bislang haben wir jenseits des Einlagengeschäfts nur über den Repo-Markt Zugang zu internationaler Liquidität. Aber das deckt nur den kurzfristigen Horizont ab – und für langfristige Ausreichungen brauchen wir die Unterlegung mit langfristiger Basis. Findet die Rückkehr an den Bondmarkt in Monaten oder in Jahren statt?Es ist schwierig, das vorherzusagen. Aber ich denke, das wird eher stattfinden, als es die meisten Leute erwarten. Wenn sich die Möglichkeit bieten sollte, welche Investoren wollen Sie dann vor allem ansprechen?Typischerweise Kreditinvestoren, die bereit sind, ein wenig Extra-Risiko zu nehmen. Wer das nicht will, kauft Staatspapiere. Wer die Chance auf zusätzliche Rendite sucht, muss dann bereit sein, bankspezifische Risiken bei einer Zeichnung in Kauf zu nehmen, die mit einem kleinen Renditeaufschlag belohnt wird. Das ist etwas für Investoren, die solche Prospekte sehr gut studieren können und sich aus ihrer analytischen Position heraus gut dabei fühlen, ein solches Risiko zu nehmen. Wir sind bemüht, dabei einen faktenbasierten Eindruck zu vermitteln – und fühlen uns dabei gut verstanden von Experten, die das Chance-Risiko-Verhältnis einschätzen können. Kann Frankfurt grundsätzlich das Drehkreuz für griechische Banken sein, um internationale Investoren zu erreichen?Das ist eher eine Frage für den CEO einer Bank – aber ich will es mal so ausdrücken: In Deutschland befinden sich enorme Sparguthaben, die Konjunktur ist robust und insgesamt ist eine Menge Kapital vorhanden, das nach Anlagemöglichkeiten sucht. Ob das dann auch für griechische Bondemissionen verfügbar ist, das hängt von der Präferenz institutioneller Investoren ab. An dieser Stelle will ich nochmals ausdrücklich hinzufügen, dass institutionelle Investoren willkommen sind. Sie können sich also nennenswertes Interesse von Investoren aus Deutschland vorstellen?Es ist doch so: Deutschland ist ein großer Gläubiger von Griechenland, das knapp 50 Mrd. Euro an Reserven akkumuliert hat, um potenzielle Liquiditätsrisiken abzufedern. Wenn Deutschland den Griechen schon Schutz finanziert hat, dann könnten deutsche Investoren auch darüber nachdenken, griechische Bonds zu kaufen, um aus der Gesamtsituation heraus noch eine kleine Rendite zu ziehen. Wie steht es mit dem Reputationsrisiko von Griechenland? Institutionelle Investoren müssten solche Investitionen ihren Kunden erklären können.Wir sind verpflichtet, Investoren korrekt zu informieren, um unsere Vertrauenswürdigkeit zu beweisen. Die neue Generation griechischer Banker besteht vor allem aus Technokraten, die in Übersee ausgebildet wurden und wissen, wie man einen Investment Case professionell darstellt. Ich bin bemüht, die Fortschritte und Vorzüge von Griechenland zu skizzieren, ohne die historischen Risiken, bestehenden Altlasten und chronischen Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung zur Problemlösung auf politischer Ebene zu verschweigen. Sehen Sie, dass sich in dieser Hinsicht etwas bewegt?Ja, ich habe den Eindruck, dass es Griechenland so langsam gelingt, ein paar dieser schlechten Gewohnheiten endlich aufzugeben: Hellas ist dabei, schlechte Gewohnheiten abzulegen. Es gibt also Grund für vorsichtigen Optimismus – bei allen Downside-Risiken. Und Teil meines Jobs ist, dieses realistische Bild von Griechenland in Gesprächen mit Investoren und Regulatoren zu vermitteln. Dabei würde ich mir selbst keinen Gefallen tun, wenn ich irgendetwas überzeichne. Notenbankchef Giannis Stournaras hat einen Plan zur Lösung des NPL-Problems präsentiert, der notleidende Kredite und analog DTAs (Deferred Tax Assets, latente Steueransprüche) in spezielle Anlagevehikel (SPV) überträgt? Was taugt der Plan?Der Plan der Bank of Greece ist eine von drei Initiativen, die auf dem Tisch liegen und deren Umsetzbarkeit derzeit geprüft oder die bereits implementiert werden. Das ist erstens das Katseli-Gesetz, zweitens das Asset Protection Scheme (APS) und drittens der Plan der Notenbank zum Asset-Transfer unter Nutzung der Steueransprüche. Alle drei haben ihre Vorzüge und wir würden gerne alle ausgearbeitet und dann im Einsatz sehen. Wie weit ist die Umsetzung dieser Maßnahmen?Das Katseli-Gesetz befindet sich bereits in der Implementierung; es wird das Risikoprofil der Immobilienfinanzierung in den Büchern der Banken verbessern. Die anderen beiden befinden sich in verschiedenen Phasen der Entwicklung, verfolgen unterschiedliche Ziele und haben unterschiedliche Anforderungen – aber beide zeigen glaubwürdige Mittel für die Reduzierung der Non Performing Loans auf beziehungsweise sehen im Falle der Bank of Greece eine Monetarisierung der latenten Steueransprüche vor, was die Eigenkapitalqualität der griechischen Banken erhöhen würde. Wir begrüßen alle diese Initiativen.Das Interview führten Björn Godenrath und Detlef Fechtner.