IM BLICKFELD

Das Investment Banking taugt nur als Sahnehäubchen

Von Anna Sleegers, Frankfurt Börsen-Zeitung, 26.10.2019 Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Das gilt auch für die Kapitalmärkte, wie die jüngsten Zwischenbilanzen der Wall-Street-Banken eindrucksvoll belegt haben. Analysten hatten...

Das Investment Banking taugt nur als Sahnehäubchen

Von Anna Sleegers, FrankfurtVor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Das gilt auch für die Kapitalmärkte, wie die jüngsten Zwischenbilanzen der Wall-Street-Banken eindrucksvoll belegt haben. Analysten hatten aus vielfältigen Gründen mit dem Schlimmsten gerechnet: die beunruhigenden Engpässe am US-Geldmarkt, die Leitzinssenkung der US-Notenbank und das Dauergetöse durch den Handelsstreit zwischen den USA und China. Hinzu kam die übliche Sommerflaute, die man nebenbei bemerkt zu einer der ganz wenigen Konstanten im Investmentbanking zählen kann.Was die großen US-Adressen dann aber zum Besten gaben, konnte sich fast durch die Bank sehen lassen. Im Geschäft mit festverzinslichen Wertpapieren übertrafen J.P. Morgan Chase, Bank of America, Goldman Sachs und sogar die in diesem Segment traditionell weniger starke Rivalin Morgan Stanley die Erwartungen der Analysten. Dass es sich dabei offenbar um ein branchenweites Phänomen handelte, dürfte zur jüngsten Kurserholung bei der Deutschen Bank beigetragen haben, die das Anleihegeschäft ja zu ihren Stärken zählt.Auseinander lief dagegen das Beratungsgeschäft. Während Morgan Stanley, J.P. Morgan und vor allem die Bank of America hier klar punkten konnten, verbuchte Goldman Sachs einen Einbruch bei den Einnahmen. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die Quartalsbetrachtung wegen einzelner großer Mandate zu einer verzerrten Wahrnehmung führen kann.Gerade nach einem erfolgreichen Quartal stellen Investmentbanken die Akquisition und Wahrnehmung von Mandaten gerne als eine Art stetige Produktion dar. Dabei ist die Frage, wer den Zuschlag erhält, zunächst mal eine Frage des verkäuferischen Geschicks sowie der Erfahrung, auf die der Verkäufer verweisen kann. Dazu kommen eine ganze Reihe externer Faktoren, die sich nur in sehr begrenztem Maße beeinflussen lassen, das Kapitalmarktumfeld etwa, politische Befindlichkeiten und der Grad der Vernetzung mit den Unternehmen, die Mandate zu vergeben haben. Deutsche Bank im DilemmaDas führt immer wieder zu positiven wie negativen Überraschungen und aufsehenerregenden Kursausschlägen. Wer sich weder als Daytrader versteht noch den Anlagehorizont einer Pensionskasse hat, sollte als Anleger daher starke Nerven mitbringen oder aber gleich in Banken investieren, die sich nicht auf das kapitalmarktnahe Geschäft alleine verlassen, sondern auch auf die in der Regel stabileren Erträge aus dem Retailgeschäft, dem Corporate Banking und der Vermögensverwaltung. Auf einer Veranstaltung bezeichnete die Ratingagentur Moody’s die in diesen Geschäftsfeldern erzielten Gewinne treffenderweise als “Shock Absorber” fürs volatile Kapitalmarktgeschäft (siehe Grafik). Eine hilfreiche Betrachtungsweise, um das strategische Dilemma zu verstehen, in das sich die deutschen Großbanken in den neunziger Jahren manövrierten und aus dem sich vor allem die Deutsche Bank bis heute nicht befreit hat. Damit wird deutlich: Das Investment Banking taugt nur als Sahnehäubchen. Was die Deutsche Bank in ihrem Ehrgeiz, zum größten Global Player der Branche aufzusteigen, übersah, waren die grundlegenden Unterschiede zwischen ihrem Heimatmarkt und dem ihrer angelsächsischen Wettbewerber. Das fängt bei der Unternehmensfinanzierung an, für die in Deutschland der Bankkredit traditionell eine viel größere Rolle spielt als im angelsächsischen Raum. Ungeachtet seiner Größe fehlte den deutschen Investmentbankern auf ihrem Heimatmarkt dadurch eine wichtige Ertragsquelle aus der Platzierung von Anleihen. Daran änderte auch die Zerschlagung der Deutschland AG wenig. Die Unternehmen finanzierten sich weiter vor allem über Kredite. Die Bemühungen der Deutschen Bank, jeden Verdacht zu zerstreuen, sie räume deutschen Unternehmen Vorteile ein, nutzten international wenig, trieb heimische Kunden aber in die Arme ausländischer Wettbewerber.Im Privatkundengeschäft sah es nicht besser aus. Gegenüber Sparkassen und Kreditgenossen, die ohne Renditedruck im Nacken an jeder Milchkanne eine Geschäftsstelle unterhielten, wirkte die Deutsche Bank schon wie ein irgendwie elitärer Nischenanbieter, bevor sie begann, ihre Kunden durch Einteilung in Einkommens- und Vermögensklassen öffentlich vor den Kopf zu stoßen. Diese strukturellen Nachteile waren in der Finanzkrise besonders spürbar. Die Commerzbank und die Landesbanken taten gut daran, ihre Ambitionen als globale Investmentbanken nach dem Desaster von 2008 weitgehend zu begraben. Die Deutsche Bank hielt dagegen weiter an ihrem Traum fest und sieht sich nun im selbstgewählten Marktsegment US-Wettbewerbern gegenüber, denen neben einer starken Verwurzelung auf ihrem Heimatmarkt auch die Steuer- und Geldpolitik in die Hände gespielt hat. Anlass zur Hoffnung, dass auch die Quartalszahlen der Deutschen Bank positiv überraschen, gibt es daher wenig.