Das KAGB bringt neue Spielregeln für alle Beteiligten

Offene und geschlossene Fonds wachsen regulatorisch zusammen - Höherer Verwaltungsaufwand bringt Chancen für Master-KVGs

Das KAGB bringt neue Spielregeln für alle Beteiligten

Es ist schon bemerkenswert, welche regulatorische Energie die europäische AIFM-Richtlinie auf ihrem Weg in deutsches Recht freigesetzt hat. Ursprünglich sollte sie Regelungslücken bei alternativen Anlagevehikeln wie Private-Equity- und Hedgefonds schließen. Inzwischen mündete sie in einen fast 600 Seiten starken Gesetzentwurf zum Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB). Das neue Regelwerk wird ab Juli 2013 das bisherige Investmentgesetz ablösen und erheblich erweitern. Zwischen dem vergleichsweise harmlosen Start der Richtlinie in Brüssel und der Landung im aktuellen KAGB-Entwurf lagen böse Überraschungen für die deutsche Fondsbranche. “Lawine” blieb ausZuerst dehnte die EU den Anwendungsbereich der Richtlinie mangels Definition der Zielobjekte auf alle Fonds aus, die nicht europaweit durch die OGAW-Richtlinie reguliert sind. Wie an einem bergab rollenden Schneeball blieben danach immer mehr Regelungsbereiche an der ursprünglich sinnvoll begrenzten Richtlinie hängen. Im vergangenen Jahr wäre daraus beinahe eine Lawine entstanden, die mit Spezialfonds und offenen Immobilienfonds Geschäftsfelder des Asset Management mit einem Volumen von gut 1 Bill. Euro unter sich begraben hätte. Dazu kam es nicht. Schwerpunkt auf BVI-AgendaDie drohenden Kollateralschäden konnten dank des korrigierenden Eingreifens der Politik verhindert werden. Das geplante KAGB bleibt aber auch in den kommenden Monaten ein Schwerpunkt auf der Agenda des BVI. Dabei geht es zunächst um Nachbesserungen bei den Regeln zu den offenen Immobilien-Publikumsfonds. Das KAGB wirkt aber weit darüber hinaus. Es wird den deutschen Fondsmarkt verändern.Das KAGB vereint zwei bisher getrennte Welten des Fondsmarktes unter einem regulatorischen Dach. Erstmals werden die Anforderungen an offene und geschlossene Fonds und deren Verwalter in einem gemeinsamen Gesetz geregelt. Für offene Publikums- und Spezialfonds gilt bisher noch das Investmentgesetz, das künftig durch das KAGB abgelöst wird. Eine völlig neue Geschäftsgrundlage entsteht für die Initiatoren der bislang kaum regulierten geschlossenen Fonds, wie beispielsweise Schiffsfonds und Private-Equity-Fonds. Auch sie werden den neuen gesetzlichen Anforderungen genügen müssen. Ein höherer Organisations- und Verwaltungsaufwand wird höhere Kosten mit sich bringen.Das neue Gesetz zieht eine Trennlinie zwischen Investmentvermögen, die sogenannte “Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren” (OGAW) sind, und solchen, die als “alternative Investmentfonds” (AIF) gelten. Erstere sind richtlinienkonforme Wertpapierfonds im Sinne der europäischen OGAW-Richtlinie, die etwa in Aktien oder Anleihen investieren. AIF sind dagegen alle geschlossenen Fonds und alle investmentrechtlich regulierten offenen Investmentfonds, die nicht als OGAW gelten. Das sind insbesondere offene Spezialfonds und offene Immobilienfonds. Der Unterschied ist nicht nur rein technischer Natur. Für Verwalter von OGAW und AIF gelten unterschiedliche Zulassungsanforderungen und Berichtspflichten. Mehr als EtikettenwechselAus den bisherigen Kapitalanlagegesellschaften (KAGs) werden nach Inkrafttreten des KAGB sogenannte Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGs). Diese KVGs wird es in zwei Ausprägungen geben, je nach Art des verwalteten Investmentvermögens: die KVG für OGAW-Investmentvermögen (OGAW-KVG) und die für AIF-Investmentvermögen (AIF-KVG). Das ist mehr als ein Etikettenwechsel. Heute bereits als KAGs operierende Fondsgesellschaften müssen eine zweite Zulassung beantragen, um künftig auch als AIF-KVG agieren zu dürfen. Unabhängig von einer fortgeltenden Lizenz als OGAW-KVG werden nahezu alle BVI-Gesellschaften eine Lizenz als AIF-KVG beantragen, da fast alle neben OGAW auch AIF, wie zum Beispiel Spezialfonds und OIF, anbieten.Einige Neuerungen des KAGB werfen rechtliche Fragen auf, die noch mit den Aufsichtsbehörden geklärt werden müssen. Jenseits solcher technischer Details stellt sich aber die Frage: Was bedeutet das Gesetz für die tägliche Praxis der Fondsanbieter und den Markt insgesamt?Die Umsetzung der AIFM-Richtlinie bringt einen höheren bürokratischen Aufwand. Neue Zulassungsverfahren, erweiterte Berichtspflichten, die erforderlichen Änderungen von Anlagebedingungen und Vertriebsanzeigen lösen eine regelrechte Bürokratieflut aus. Hochgerechnet auf alle BVI-Mitglieder und die künftig als AIF geltenden Investmentfonds, erfordern allein die Zulassungen der AIF-KVGs 165 000 Seiten Papier. Insgesamt müssen die Fondsgesellschaften der BaFin zunächst Unterlagen von mehr als 550 000 Seiten bereitstellen und Jahr für Jahr weitere 340 000 Seiten liefern. AIF-Manager, ja oder nein?Hier stellt sich die Frage, ob die Aufsicht eine solche Datenflut überhaupt sinnvoll bearbeiten kann. Insbesondere für kleine und mittlere Fondsgesellschaften ist der zusätzliche Verwaltungsaufwand eine große Herausforderung. Noch mehr Aufwand beschert das KAGB den Initiatoren geschlossener Fonds. Sie müssen erstmalig gesetzliche Vorgaben erfüllen, die für offene Fonds bereits seit Langem gelten. Essenziell ist, dass auch geschlossene Fonds künftig eine Depotbank (Verwahrstelle) benötigen. Die getrennte Verwahrung des Fondsvermögens vom Vermögen der Fondsgesellschaft erhöht die institutionelle Sicherheit für die Anleger beträchtlich. Zudem müssen die Initiatoren geschlossener Fonds ein Risikomanagement aufbauen, das unter anderem ein unabhängiges Risikocontrolling, Stresstests und die Überwachung von Liquiditätsrisiken umfasst. Sie werden sich daher als Erstes fragen, ob sie überhaupt AIF-Manager werden wollen oder nicht. Einige werden wohl nur eine Lizenz zur Portfolioverwaltung (oder gar keine) beantragen. Zwei wahrscheinliche EffekteNicht jeder Anbieter offener oder geschlossener Fonds wird die erforderlichen organisatorischen und finanziellen Ressourcen aus eigener Kraft stemmen können oder wollen. Es sind daher zwei Effekte wahrscheinlich. Erstens: Manche Anbieter werden angesichts der neuen Anforderungen ihr Geschäft entweder aufgeben oder versuchen, weiterhin unregulierte Vehikel dafür zu finden.Zweitens: Andere Anbieter und Initiatoren werden sich dafür entscheiden, den erhöhten Administrationsaufwand an professionelle Service-Gesellschaften auszulagern. Dadurch ergeben sich neue Geschäftschancen für die Master-KVG. Diese verzeichneten bereits in den vergangenen Jahren ein dynamisches Wachstum und registrieren schon länger ein steigendes Interesse an Service-Lösungen zum Beispiel für Immobilienfonds. Dieser Trend könnte sich mit den höheren Ansprüchen des KAGB verstärken. Dabei kann die Master-KVG sowohl die Rolle des reinen Administrationsdienstleisters als auch die des AIF-Managers spielen. Neue Hüllen – neuer MarktGeschlossene Fonds wird es nach dem KAGB nur noch als Investment-Aktiengesellschaft mit fixem Kapital (InvAG) oder als geschlossene Investment-Kommanditgesellschaft (InvKG) geben. Damit stehen erstmals regulierte Hüllen für geschlossene Sachwertefonds zur Verfügung. Das eröffnet den Gesellschaften aus dem klassischen offenen Fondsbereich neue Möglichkeiten, insbesondere den etablierten Anbietern von offenen Immobilienfonds. Sie verfügen über die notwendige Expertise im Immobilienmarkt und im Asset Management von Sachwerten. Darüber hinaus stehen ihnen starke Vertriebskanäle zur Verfügung. Für diese Anbieter könnte im neuen Regulierungsrahmen auch die Auflage geschlossener Fonds für Sachwerte wie Immobilien, Infrastruktur oder Produktionsanlagen für erneuerbare Energien interessant werden.Geschlossene Fonds verwalten derzeit ca. 200 Mrd. Euro, ein großer Teil davon entfällt auf geschlossene Immobilienfonds. Das erscheint auf den ersten Blick gering, verglichen mit den mehr als 2 Bill. Euro, die Anbieter offener Fonds in Deutschland verwalten. Hält man aber die 110 Mrd. Euro dagegen, die derzeit in offene Immobilien-Publikumsfonds und -Spezialfonds investiert sind, ergibt sich ein anderes Bild.Fazit: Das Gesetz bringt neue Spielregeln für alle Beteiligten. Die kommenden Jahre werden zeigen, wer zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern zählen wird. Insbesondere die Anbieter geschlossener Fonds werden sich neu aufstellen müssen. Manche Anbieter offener Fonds werden ihre Produktpalette erweitern. Zudem werden einige Fondsgesellschaften ihr Angebot entlang der Wertschöpfungskette neu ausrichten.