Das Management will die Bank schrumpfen
Die Deutsche Bank soll schrumpfen. Das Management will 250 Mrd. Euro aus der Bilanz nehmen. Um die Anforderungen einer Schuldenquote zu erfüllen, setzt das Haus unter anderem auf eine Anerkennung hybrider Papiere als Kernkapital.Von Bernd Neubacher, FrankfurtNach einer kräftigen Schrumpfung der Bilanzsumme schon im jüngsten Zwölfmonatszeitraum fährt die Deutsche Bank ihre Aktiva weiter herunter, um sich für die Vorgaben einer Schuldenquote für Banken zu wappnen. “Wir werden unsere Bilanzsumme weiter verringern”, kündigten die Co-Chefs Jürgen Fitschen und Anshu Jain am Dienstag an. Man wolle dies auf eine Weise tun, “die es uns ermöglicht, die Anforderungen in Hinblick auf das Verhältnis von Bilanzsumme zu Kapital (Leverage) zu erfüllen, unser Angebot für Kunden beizubehalten und unser Geschäftsmodell zu stärken, ohne dass dies materielle Auswirkungen auf unser Ergebnis hätte”, hieß es. Bilanzsumme schmilztEin rückläufiger Zinsüberschuss, Restrukturierungsaufwand, Rückstellungen für Rechtsstreite sowie ein höherer Steueraufwand haben das Ergebnis des Konzerns im zweiten Quartal deutlich niedriger ausfallen lassen als im Vorjahresquartal (siehe Bericht auf dieser Seite). Zugleich hat das Management die Bilanzsumme bereits deutlich reduziert. Mit 1,909 Bill. Euro nach IFRS lag sie Ende Juni 340 Mrd. Euro oder 15 % unter Vorjahresniveau.Die Bilanzsumme der Banken ist mit der vor allem von den USA initiierten Debatte um eine Schuldenobergrenze für Banken in den Fokus gerückt. Den Vorgaben des Baseler Ausschusses der Bankenaufseher zufolge müssen Banken ihre Schuldenquote (Leverage Ratio) ab übernächstem Jahr öffentlich machen, zwei Jahre später soll sich entscheiden, ob die Leverage Ratio zur verbindlichen Mindestanforderung wird. Dabei ist im Gespräch, dass Banken 3 % ihrer Bilanzsumme an Eigenkapital halten müssen, also ein Verschuldungshebel von maximal gut 33. In den USA fordern die Regulierer eine Quote von 5 %, allerdings auf Basis einer anderen Definition der Bilanzsumme.Unter den Großbanken wird vor allem der Deutschen Bank ein hoher Bedarf bescheinigt, ihre Bilanz einzudampfen. Das Institut sei “schrecklich unterkapitalisiert, monierte jüngst Thomas Hoenig, Vize-Chef der US-Einlagensicherungsbehörde FDIC. J. P. Morgan legte Anfang Juli eine Studie vor, derzufolge die Deutsche Bank gemäß der kurz davor vom Baseler Ausschuss festgelegten Definition einer Schuldenquote mit ihrem Eigenkapital 2015 auf eine Leverage Ratio von gerade einmal 2,4 % käme, angekündigte Asset-Reduktionen berücksichtigt. Um auf 3 % zu kommen, müsste die Deutsche Bank ihre Bilanz um 409 Mrd. Euro verkürzen, hieß es auf Basis der Zahlen zum Startquartal.Die Deutsche Bank macht eine andere Rechnung auf. Demnach kam das Haus schon Ende Juni auf 3 %. Dabei stellt das Management, wie eine Präsentation am Dienstag deutlich machte, nicht auf die IFRS-Bilanz ab, sondern auf die Vorgaben der aufsichtsrechtlich einschlägigen EU-Eigenkapitalrichtlinie CRD IV, nach welchen die Bilanz nicht 1,9 Bill. wie nach IFRS, sondern 1,58 Bill. Euro beträgt (siehe Grafik). Zwar vermindert die Richtlinie CRD IV, die Basel III europaweit umsetzt, das regulatorische Eigenkapital des Instituts um 19 Mrd. auf 36 Mrd. Euro. Die Bank vertraut laut einer Präsentation indes darauf, dass die deutsche Aufsicht hybride Kapitalinstrumente im Volumen von weiteren 11 Mrd. Euro als hartes Kernkapital nach Basel III anerkennen wird.Wer die Summe von 11 Mrd. Euro hartem Kernkapital bei der Berechnung außen vor lässt, kommt auf Basis der Bilanzsumme von 1,583 Bill. Euro gemäß CRD IV wiederum auf eine Leverage Ratio, die nahe der vor Wochen von J. P. Morgan errechneten Quote von 2,4 % liegt. Hintergrund: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat ihre Kriterien, welche hybriden Kapitalinstrumente als hartes Kernkapital nach Basel III taugen, noch nicht vorgelegt. Werden die Hybriden nicht anerkannt, könnte die Deutsche Bank diese Emissionen nach und nach durch Basel-III-kompatible Papiere ersetzen; jährlich läuft im Mittel rund ein Zehntel der ausstehenden Hybridpapiere des Instituts aus. Erst im Mai hatte die Bank Nachrangpapiere für 1,5 Mrd. Dollar platziert, zuvor hatte sie im Schnellverfahren rund 3 Mrd. Eigenkapital aufgenommen. Gleichwohl ist es nach dem Schaden, den Banken in der Krise Investoren beschert haben, für Kreditinstitute kein Selbstläufer, Eigenkapital zu generieren, wie man im Markt zu bedenken gibt.Auch der Deutschen Bank scheint nicht wohl zu sein beim Gedanken, mit Hilfe ihrer Szenarioberechnung gerade so an der voraussichtlichen Mindestquote von 3 % entlangzuschrammen. In einer Telefonkonferenz kündigte Co-Chef Anshu Jain am Dienstag daher an, die Bilanzsumme auf CRD-IV-Basis “um rund 250 Mrd. Euro” zu kürzen. Finanzvorstand Stefan Krause sagte: “Wir verstehen, dass die Markterwartungen und mögliche Änderungen der momentanen Regulierung es erfordern, den Leverage weiter zu reduzieren.” Analysten von J. P. Morgan gaben der Bank am Dienstag einen 500 Mrd. Euro schweren Asset-Abbau als Ziel vor.Den Ergebniseffekt der geplanten Schrumpfung, die immerhin 16 % der Bilanz auf Basis von CRD IV entspricht, hält Krause für beherrschbar. Seinen Angaben zufolge kalkuliert die Bank mit rund 600 Mill. Euro an Einmalkosten und rund 300 Mill. Euro dem Institut entgehendem künftigem Vorsteuergewinn. Die Kosten eventuell zu emittierender neuer Kapitalinstrumente schließt die Rechnung nicht ein. Bis 2015 will die Bank die Bilanzverkürzung abschließen.Beim Abbau denkt sie eigenen Angaben zufolge unter anderem daran, Derivate effizienter zu saldieren und etwa gegenläufige, mit einer anderen Gegenpartei vereinbarte Kontrakte zusammenzufassen (Trade Compression). Verschärftes Augenmerk soll auch dem Volumen ungenutzter Kreditlinien gelten. Auf der Agenda steht daneben ein Abbau der Risiken in der Abwicklungseinheit der Bank, eine Optimierung des Sicherheiten-Managements, Überprüfungen des Handelsbestands sowie des Cash- und Liquiditäts-Pools sowie andere Portfoliomaßnahmen. Ihr Ziel, bis 2015 eine harte Kernkapitalquote von 10 % zu zeigen, hat die Bank schon per Juni 2013 erreicht. Dank Abbaus von Risikoaktiva, vor allem aber dank der Aktienemission im Frühjahr hat die harte Kernkapitalquote nach Basel III im Laufe des zweiten Quartals um 1,2 Prozentpunkte auf 10 % angezogen.