Fintech

„Das Produkt ist sehr sticky“

Die Spesenabrechnung wird von Fintechs wie Payhawk mit einer Kombi aus App und Kreditkarte digitalisiert. Für CFOs ist diese Kostenkontrolle ein Segen. Payhawk punktet dabei mit Finanzinfrastruktur.

„Das Produkt ist sehr sticky“

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Wer kennt dies nicht, auch wenn die Erinnerung daran infolge der Pandemie schon ein wenig verblasst ist: Die Dienstreise war großartig, aber jetzt hockt man im Büro und muss sich mit dem Papierkram der Spesenabrechnung auseinandersetzen. Diese papierne Prozesskette setzt sich dann im Unternehmen fort über die Personalabteilung, bis sie das Finanzressort erreicht – und Belege werden bis zum Ende gesetzlich notwendiger Fristen auf irgendeinem Papierfriedhof gelagert, bis sie dann endlich entsorgt werden.

Da liegt es nahe, dass die Digitalisierung auch in den Bereich der Ausgabenverwaltung mit der Unterdisziplin Spesenabrechnung vordringt. Allein in Deutschland ringen mehrere Fintechs um Unternehmenskunden und haben dafür Risikokapital von Investoren erhalten. Dazu zählt auch die britische Payhawk, die im April 20 Mill. Dollar aufgenommen hat. Lead Investor war QED, der auch Fintechs wie Nubank und Klarna finanzierte. Zuvor hatte sich schon der deutsche Wagniskapitalist Earlybird an Payhawk beteiligt.

Das Start-up geht mit zwei Modellen in den Markt. Das große Paket sieht so aus: Unternehmenskunden erhalten nebst der Kreditkarte für die Mitarbeiter ein Finanz-Tool zur Verwaltung von manuellen Spesen und Rechnungen – inklusive finaler Rückerstattungen und Bezahlfunktionen. Im kleinen Paket liegt das Hauptaugenmerk auf den Firmenkarten und einer App zur digitalen Verwaltung und Kontrolle des Budgets in Echtzeit. „Unseren Fokus haben wir immer stärker hin zum dezentralen Finanzverwaltungstool verlagert,“ erklärt Payhawk-Deutschland-Chef Thomas Westerhoven im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Über die Funktionalitäten dieser App könne man sich differenzieren, da das Payhawk-Produkt reifer und ausgeklügelter sei als die Konkurrenz. Grundlage dafür sei eine stabile Finanzin­frastruktur nebst hausinterner Compliance: „Jeder Kunde erhält ein Bankkonto mit eigener IBAN.“ Zudem hat Payhawk eine algorithmengesteuerte Automatisierung auf Basis von Googles OCR (Optical Character Recognition) entwickelt. Über OCR wird die automatische Texterkennung von Bildern ermöglicht – das Auslesen von Belegen per künstlicher Intelligenz. Payhawk hat das so weiterentwickelt, dass hochgeladene Dokumente nach zehn Datenpunkten sortiert ausgelesen werden können – das ist dann die Basis für eine volldigitale Prozesskette in der Spesenabrechnung: „Was wir einsetzen, sind alles Eigenentwicklungen, die niemand einfach so replizieren kann und die am Markt einmalig sind.“ Die Kontodienste werden über die britische Railsbank als Payment Service Provider (PSP) dargestellt. Eigentlich wollte Payhawk über Wirecard gehen, hatte glücklicherweise aber parallel schon mit den Briten angebandelt und konnte so flott im Oktober mit dem Visa-Produkt in den Markt gehen. Neben Railsbank greift man auch auf den Cloud- und Kartenspezialisten Marqeta zurück.

„Ein guter Zeitpunkt“

Und womit verdient Payhawk dann Geld? „Unsere Einnahmen kommen teilweise über die Interchange-Gebühr“, sagt Westerhoven: „Wir sind mehr ein Software-as-a-Service (SaaS) Provider, also Techfin statt Fintech vom Ursprung – und das drückt sich auch im Geschäftsmodell aus: Die Einnahmen von Payhawk kommen vor allem aus den SaaS-Gebühren.“ Westerhoven verspürt Rückenwind: „Jetzt ist ein guter Zeitpunkt für Payhawk, denn die Vertriebler sind mit Lockerung der Corona-Maßnahmen wieder unterwegs.“ Damit rücken diese Ausgabeposten auch wieder ins Bewusstsein der Kassenwarte in den Unternehmen – und wenn man be­denkt, wie spürbar der Wegfall von Reisen Unternehmen entlastet hat, kann man sich vorstellen, dass diese Disziplin des Kostenmanagements oben auf der Agenda steht. Ohnedies ist Payhawk in den vergangenen Monaten laut Westerhoven kräftig gewachsen. Rund 250 Kunden habe man per Ende Mai im Bestand, schätzt er. Allein ein Kunde aus dem Kfz-Bereich nutze über 500 der Visa-Karten. Deutschland sei der Hauptmarkt für das Start-up, das seinen Vertrieb zudem in Großbritannien und Spanien hochfahre.

Dabei zielt man zum einen auf kleine und mittlere Unternehmen sowie Scale-ups und zum anderen auf Großunternehmen – womit Payhawk Westerhoven zufolge ein Alleinstellungsmerkmal unter den vielen, vielen Fintechs hat, die mit Corporate Credit Cards in der Spesenabrechnung punkten wollen.

Seine Mission ist es, die analogen Prozesse in den Betriebsausgaben abzulösen, seine Ansprechpartner sind die CFOs. Sorgen, dass Payhawk auch schnell wieder aus dem Kundensystem gekickt werden könnte, – ein häufiges B2B-Fintech-Schicksal – hat er nicht. „Unsere Lösung ist sehr tief im System verankert und kann nicht so leicht ersetzt werden. Das Produkt ist sehr sticky.“ Damit meinen Techies, dass Kunden die Vorteile eines digitalen Produktes nicht mehr missen möchten.

Das gilt wohl auch für die von Payhawk ermöglichte Form der Kostenkontrolle in Unternehmen: Die Firmenkreditkarte ermöglicht es der Finanzabteilung, Ausgabenrichtlinien festzulegen. Dazu gehört, dass der Zahlungsempfängerkreis an Händlern begrenzt werden kann, oder dass die Karte nur zu bestimmten Tageszeiten aktiviert ist – das kann einen unangenehmen Beigeschmack von Big Brother haben. Solche Formen der Budgetkontrolle müssen transparent vermittelt werden, wenn das Tracking der Ausgaben auf Akzeptanz bei den Mitarbeitern stoßen soll – mal abgesehen davon, dass alles im Einklang mit dem Datenschutz stehen muss. Von der Abschaffung der Papierberge mit zeitraubenden manuellen Prozessen profitieren dann aber gewiss alle im Unternehmen.