Das Research gleicht einer Baustelle
Bundeswehrjets können nicht fliegen, U-Boote nicht tauchen und Panzer nicht fahren. Da passt es ins Bild, wenn Finanzanalysten nicht richtig kalkulieren und Konzernstrategen keine klare Angebotspalette definieren. Worum geht es? Seit Anfang 2018 ist die EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II in Kraft. Sie zielt auf mehr Transparenz und Anlegerschutz im Geldgewerbe ab. Private Anleger müssen nun über die Chancen und Risiken der Finanzanlagen umfangreich aufgeklärt werden. Die Banken haben die Vorgaben des Gesetzgebers fleißig umgesetzt. Kunden werden am Schalter mit Papierbergen erschlagen oder von ihrer Direktbank mit schier endlosen elektronischen Dokumenten traktiert. “Mission erfüllt”, können die Retailbanker gegenüber dem Gesetzgeber stolz verkünden.Ganz anders sieht es beim Research aus. Das Feld gleicht einer Baustelle, auf der zuweilen nicht einmal die Baugrube ausgehoben ist. Viele Banken sind weit von einem Mifid-kompatiblen Angebot entfernt. Bekanntlich müssen sie klar ausweisen, wer die Kosten für Analysen oder Unternehmensgespräche (Investorenzugang) trägt. Diese Dienstleistungen werden also dem Spiel von Angebot und Nachfrage ausgesetzt – und mit Rechnung bezahlt. Für das Large-Cap-Research ist die Sache klar. Hier werden die großen Kapitalsammelstellen die Reports zu Apple oder Siemens künftig nicht mehr mit Orders belohnen, sondern gesondert bezahlen.Ganz anders bei den Small und Mid Caps: Hier müssen die Emittenten selbst die Kosten tragen. Die Banken müssen also für die Emittenten klare Researchpakete definieren und bepreisen. Die Pflicht zur Bepreisung von Studien war keineswegs ein spätes Überraschungsei der Regulatoren, sondern schon lange vor dem 3. Januar 2018 angekündigt. Die Bankzentralen hatten also genügend Zeit, um eine schlüssige Strategie für die eigenen Researchaktivitäten zu entwickeln.Umso überraschender ist der wenig durchdachte Marktauftritt, den sich zahlreiche Institute bis heute leisten. Schließlich verlangen die Researcher von den von ihnen begutachteten Unternehmen eine klare Strategie. Mit Blick auf das eigene Research bleiben viele Institute aber ebendies schuldig. Emittenten, die sich nach den Kosten für ihr Coverage erkundigen, werden abgespeist mit Aussagen wie “Da haben wir zwei Pakete. Eines für 20 000 Euro und eines für 25 000 Euro.” Fragt der potenzielle Kunde nach, woraus die beiden unterschiedlich bepreisten Pakete denn nun bestehen, haben manche Heads of Research keine schlüssige Antwort parat. Es komme auf den Aufwand an, heißt es dann. Wer kauft die Katze im Sack? Gleichzeitig ist für Emittenten der Zugang zu neuen Investoren essenziell. Manche Banken werben mit ihren exzellenten Kontakten zu bedeutenden Investoren rund um den Globus. Auf die Frage, wer die bedeutenden Investoren sind, bleiben aber fast alle Banker die Antwort schuldig. Das mag früher ein proprietäres Wissen der Banken gewesen sein. Heute, in Zeiten von Aktionärsdatenbanken, ist es ein Allgemeingut. Diesen Zugang müssen die Banken nun gemäß Mifid separat bepreisen. Wenn die Emittenten nun den Zugang zu den Investoren bezahlen sollen, möchten sie natürlich wissen, welche Investoren ihnen präsentiert werden. Wer will schon die Katze im Sack kaufen?Viele Investmentbanken sollten daher schleunigst ihre Hausaufgaben machen. Sie müssen sich darüber klar werden, was ihr Research und ihren Investorenzugang vom Angebot anderer Häuser unterscheidet, und konkrete Leistungspakete definieren, die für den Mittelstand nachvollziehbar bepreist sind.—-Michael Diegelmann, Vorstand Cometis