Im Gespräch:Julian Schmeing, ZEB

„Das Thema Digital Assets ist selbst bei zögerlichen Instituten ganz oben auf die Agenda gekommen“

Bislang hätten die Banken bei Kryptowerten gezögert, weil keine End-to-End-Regulierung und viel Interpretationsspielraum bei der Sicherstellung der regulatorischen Compliance bestand, so ZEB-Partner Julian Schmeing im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Doch das ändert sich jetzt.

„Das Thema Digital Assets ist selbst bei zögerlichen Instituten ganz oben auf die Agenda gekommen“

IM GESPRÄCH: JULIAN SCHMEING

„Aufbau von Marktinfrastruktur ist eine Kernaufgabe“

Der ZEB-Partner zeigt auf, was bei der Umsetzung von Digital-Asset-Geschäftsmodellen zu beachten ist

Von Björn Godenrath, Frankfurt
Von Björn Godenrath, Frankfurt

Die Wertpapierbranche steht vor einer Erweiterung ihrer Geschäftsmodelle, kommt nach Einführung nationaler Regelwerke wie des elektronischen Wertpapiergesetzes (eWpG) und der Verordnung über Kryptofondsanteile (KryptoFAV) nun doch die Micar (Markets in Crypto Assets Regulation) als EU-Verordnung für Kryptowerte. Und mit den EZB-Trials für DLT-Infrastruktur im Interbanken-Settlement kommen weitere Möglichkeiten hinzu, um tokenisierte Assets marktgängig zu machen.

Die Aufgabe für Banken ist klar: Wer da vorn mitmischen will, der muss sich am Aufbau von Marktinfrastruktur und Standards beteiligen. Die Berater von ZEB haben dafür in der Studie „European DLT & Digital Assets Study 2024“ eine Bestandsaufnahme vorgenommen, wie sich Finanzdienstleister dafür positionieren. „Banken haben bislang bei Kryptowerten gezögert, weil es keine End-to-End-Regulierung gab und es viel Interpretationsspielraum bei der Sicherstellung der regulatorischen Compliance gab“, so ZEB-Partner Julian Schmeing im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Die Mifid-Komponente

Wobei es wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass bei vielen tokenisierten Finanzinstrumenten eine Mifid-II-Komponente hineinspielt. Sprich, man muss über Lizenzen in der alten und eventuell auch in der neuen Welt verfügen. So hat kürzlich mit One Trading ein erstes Start-up eine Mifid-II-Derivate-Lizenz erhalten, um Krypto-Derivate (Futures auf Bitcoin und Ether) zu handeln. „Es wird häufig übersehen, dass Produkte, die unter den Finanzinstrumente-Begriff nach Mifid II fallen, wie Security Token, nicht direkt von der Micar betroffen sind und wir hier auf ein etabliertes regulatorisches Rahmenwerk zurückgreifen können.“

Drei Typen von Banken

Die Herausforderung für die Banken als Newcomer ist meist, wie sie ein Geschäftsmodell für Digital Assets aufbauen sollen und wann der richtige Zeitpunkt ist, um dann schnell aus Investitionen Erträge zu machen. Dabei unterscheidet Schmeing auf Basis der Studie drei Typen von Banken in der Herangehensweise für Digital Assets: 5% sind Leader mit einer klaren Positionierung, eigener DLT-Infrastruktur und machen mehr als nur Brokerage und Verwahrung. Dann gibt es die zögernden Institute ohne Roadmap, deren Anteil von 80% auf 60% zurückgegangen ist, und schließlich die sogenannten Follower, die ein Basisangebot haben oder planen und 35% ausmachen. „Über die letzten zwölf Monate ist das Thema Digital Assets aber selbst bei den zögerlichen Instituten ganz oben auf die Agenda gekommen. Dabei ist eine gewisse Korrelation zur Entwicklung des Bitcoin-Kurses zu beobachten. Sobald sich dort etwas Positives tut, steigt die Bereitschaft, sich mit dem Thema ernsthaft zu befassen – und niemand möchte einen Trend verpassen.“

Wenn man dauerhaft in Digital Assets geht, muss man die Wertschöpfungskette auf eigener Infrastruktur aufbauen.

Julian Schmeing

Wichtig sei bei Implementierung der Sourcing-Grad, also wie tief die Wertschöpfungskette aufgebaut ist, sagt Schmeing. Zuletzt seien einige Institute für den Kryptohandel über Partner wie Bitpanda und die Börse Stuttgart gegangen, was als B2B2C-Geschäftsmodell den Aufwand kurzfristig niedrig hält. Schmeing ist nur bedingt ein Freund von solchen As-a-Service-Diensten: „Aufbau und Betrieb von Finanzmarktinfrastruktur ist je nach Geschäftsmodell eine Kernaufgabe von Banken. Als Einstieg ist das okay, aber wenn man dauerhaft in Digital Assets geht, muss man die Wertschöpfungskette auf eigener Infrastruktur aufbauen. Wobei ein einzelner Use Case in der Regel kein Investment rechtfertigt.“

Die massenweise Tokenisierung von Aktien ist noch weit weg, denn dieser Markt funktioniert gut, womit eine Transformation kaum sinnvoll ist.

Julian Schmeing

Mit Inkrafttreten der Micar und den laufenden EZB-Trials zum Settlement einer Wholesale-CBDC über DLT-Infrastruktur bewegt sich das Wertpapiergeschäft jedenfalls stramm in Richtung Tokenisierung über die gesamte Wertschöpfungskette. Neuemissionen sind das eine, doch was passiert mit dem Altgeschäft? Schmeing erwartet, dass hier Stück für Stück nach Assetklasse tokenisert wird. „Den Anfang dürften typischerweise großvolumige Transaktionen wie Covered Bonds und Schuldscheine machen. Die massenweise Tokenisierung von Aktien ist noch weit weg, denn dieser Markt funktioniert gut, womit eine Transformation kaum sinnvoll ist.“

Industriestandard für Umsetzung der Travel Rule fehlt

Zwei Aspekte bleiben laut Schmeing herausfordernd für die Crypo Asset Service Provider (CASP) in der neuen, regulierten Welt: Das ist zum einen die Umsetzung der Travel Rule, die vorschreibt, dass Sender und Empfänger von Kryptotransaktionen identifiziert und geprüft werden müssen - auch schon für Kleinstbeträge. Die Travel Rule wurde 2012 von der Financial Action Task Force (FATF) eingeführt und gehört zum Kanon der Geldwäscheverhinderung – und da muss Compliance hergestellt werden. Das Problem: „Es gibt bis heute keinen klaren Industriestandard für die praktische Implementierung – und das muss alles bis Ende 2024 vollumfänglich umgesetzt werden.“

Das Steuer-Reporting nach DAC8 ist ein elementarer Teil für Digital-Asset-Geschäftsmodelle und wird gerne nach hinten geschoben in der Umsetzung.

Julian Schmeing

Der andere Aspekt ist das sogenannte DAC8-Regelwerk. Dabei geht es um das Steuer-Reporting von Krypto-Erträgen. „Das ist ein elementarer Teil für Digital-Asset-Geschäftsmodelle und wird gerne nach hinten geschoben in der Umsetzung. Dass solche Erträge in einem geordneten Verfahren den Behörden gemeldet werden müssen, war auf OECD-Ebene beschlossen worden. Und das soll ab 2026 schrittweise eingeführt werden.“

Mehr Reporting-Pflichten

Auf die VASPs kommen also umfangreiche Reporting-Pflichten zu. Bei der DAC8 müssen neben Empfänger und Assetklasse auch die Art und Höhe der Transaktion übermittelt werden – da dürfte es kaum noch ein Schlupfloch geben. Zu hoffen bleibt, dass es nicht zum Doppelreporting kommt und die Betreiber dieselben Daten nicht an verschiedene Behörden melden müssen. Denn bei allem Sinn für Compliance darf es nicht zum regulatorischen Overkill kommen – auch weil regulatorische Kosten letztlich immer vom Kunden zu bezahlen sind. Anziehende Bankengebühren sollten da ein Warnsignal sein.

Finanzplatz Österreich buhlt um Ansiedelungen

Dass Regulatorik und behördliche Strukturen bei der Standortwahl im Digital-Asset-Sektor den Ausschlag geben, kann Schmeing in seiner Consulting-Praxis beobachten. Derzeit würden sich viele Projekte in Österreich ansiedeln und eben nicht in Deutschland. Die deutschen Nachbarn hätten sich mit eigener Gesetzgebung zurückgehalten und sich direkt auf die EU-Verordnung vorbereitet, womit sie sich jetzt zusammen mit Frankreich in der Pole-Position befänden für Digital-Asset-Ansiedelungen. Sollte sich der Trend fortsetzen, hätte der Finanzplatz Deutschland ein Problem.

Die Wertpapierbranche positioniert sich für Digital Assets. „Banken hatten bei Kryptowerten gezögert, weil es keine End-to-End-Regulierung und viel Interpretationsspielraum bei der Sicherstellung der regulatorischen Compliance gab“, so ZEB-Partner Julian Schmeing im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

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