CORONA TRIFFT BANKEN - IM GESPRÄCH: SASCHA STEFFEN, FRANKFURT SCHOOL OF FINANCE & MANAGEMENT

"Das trifft unsere Banken auf dem falschen Fuß"

Hochschnellende Risikovorsorge, Kreditlinien und Brückenfinanzierungen drohen Bilanzen zu belasten

"Das trifft unsere Banken auf dem falschen Fuß"

Von Anna Sleegers, FrankfurtDer Ausverkauf an den Aktienmärkten hat die Banken überproportional getroffen. Aus nachvollziehbaren Gründen, wie Sascha Steffen, Finanzprofessor an der Frankfurt School of Finance & Management, glaubt. “Die schmalen Gewinne, die hiesige Banken aufweisen, resultieren vor allem aus der rekordverdächtig niedrigen Risikovorsorge”, sagt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Noch sei es zwar zu früh, das Ausmaß der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise zu quantifizieren, doch schon jetzt stehe fest, dass die Risikovorsorge erheblich in die Höhe schnellen werde: “Das erwischt unsere Banken auf dem falschen Fuß.” In den vergangenen Jahren sei es versäumt worden, die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) dafür zu nutzen, die Banken endlich zu rekapitalisieren. “Stattdessen haben viele Institute die Gewinne in Form von Dividenden und Boni ausgeschüttet – das droht sich nun zu rächen”, sagt Steffen. Auch die etwas über den Erwartungen des Marktes liegenden Kernkapitalquoten, die etwa die beiden deutschen Großbanken zuletzt ausgewiesen haben, federten das Problem kaum ab: “Das regulatorische Kapital hat nur eine sehr bedingte Aussagekraft über die tatsächliche Kapitalausstattung.”Schon vor dem jüngsten Ausverkauf an den Börsen haben die steigenden Risikoaufschläge an den Kreditmärkten darauf hingedeutet, dass sich eine schwere Belastung für die Kreditbücher der Banken zusammenbraut. Besonders hart werde es die Banken treffen, die ihren Firmenkunden im großen Stil Kreditlinien stellten. “Sie können davon ausgehen, dass diese jetzt auf breiter Front gezogen werden, was eine enorme Belastung für die Liquidität der Institute darstellt”, so der Professor. Negativspirale drohtWenn die Spreads an den Primärmärkten weiter anziehen, drohe ein weiteres Problem: “Banken könnten auf den bei schuldenfinanzierten Übernahmen üblichen Brückenfinanzierungen sitzen bleiben.” Diese sollen die Lücke zwischen dem Bankkredit und der Anleihenfinanzierung schließen. “Wenn sich die Anleihen wegen der Unsicherheit an den Märkten jedoch nicht mehr platzieren lassen, müssen die Banken diese Zwischenfinanzierungen notgedrungen in die Bücher nehmen”, sagt er.Da sie zu den jeweiligen Marktwerten bilanziert werden müssen, drohe sich die aus der Finanzkrise 2008/09 bekannte Negativspirale zu wiederholen. “Waren es damals die privaten Hypothekendarlehen, die auf den Bankensektor übersprangen, könnten es heute die zum Teil viel zu hoch verschuldeten Unternehmen sein”, so der Finanzprofessor. Er räumt ein, dass der Verschuldungsgrad der deutschen und europäischen Unternehmen bei Weitem nicht so hoch ist wie in den USA: “Andererseits ist unser Bankensystem in einer deutlich schlechteren Verfassung.”