Das Verständnis für die Kunden maximieren

Das digitale Front Office für ganzheitliche Kundenerlebnisse

Das Verständnis für die Kunden maximieren

Michael GrafPartner Advisory und Leiter Front Office Transformation bei PwCTäglich generieren Unternehmen Milliarden von Kundeninformationen, darunter immer mehr digitale Daten. Sind Unternehmen deshalb schon digital? Und helfen ihnen die Datenmassen dabei, die Unternehmensziele zu erreichen? Hier liegen Wunsch und Wirklichkeit häufig weit auseinander. Das zeigen auch immer wieder Aussagen von Unternehmensvorständen. So sagte ein Vorstandsmitglied bei einer PwC-Veranstaltung: “Wie viele Daten wir erheben, interessiert mich weniger. Mir geht es vielmehr um die Erkenntnisse daraus, um die Bedeutung der Daten für unsere Unternehmensprozesse.”Aus zahlreichen Kundenprojekten wissen wir: Um nutzenstiftende Erkenntnisse aus Datenmassen zu extrahieren, fehlt es vielen Unternehmen an geeigneten Technologien für geordnete Auswertungsprozesse und passgenaue Kundenkommunikation. Dies wirkt sich besonders fatal im Front Office aus, also in den Abteilungen, aus denen heraus Unternehmen direkt mit ihren Kunden interagieren – in Marketing, Vertrieb und After-Sales-Service. Unternehmen, die es nicht schaffen, ihre Kunden zur richtigen Zeit und an der richtigen Stelle der Customer Journey mit wirksamen Botschaften zu erreichen, verlieren in der digitalen Transformation an Wettbewerbsfähigkeit. Und dies womöglich schnell, weil die Digitalisierung der Wirtschaft sich mit hoher Geschwindigkeit weiterentwickelt. Gewinner der Transformation werden jene Unternehmen sein, die ihre Daten im Sinne einer orchestrierten Customer Journey schneller und effizienter nutzen als ihre Wettbewerber – und dabei auch neue, datenbasierte Geschäftsmodelle entwickeln.Worauf es im digitalen Zeitalter mehr denn je ankommt, hat Amazon-Chef Jeff Bezos so formuliert: “Der einzige Weg, uns zu behaupten, sind bessere Dienstleistungen und Services. Die Kunden sind Götter.” Der US-Einzelhandels- und Digitalkonzern beachtet konsequent, dass Customer Experience zum entscheidenden Erfolgsfaktor geworden ist – und wurde so zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt. Die “Vergötterung” findet aus Unternehmenssicht im Front Office statt, dort, wo Unternehmen und Kunden sich direkt begegnen. Menschen, die diese Erfahrung bislang vor allem im Privatleben machen, erwarten zunehmend, dass Einkaufsprozesse auch im Geschäftsleben möglichst einfach und komfortabel sind. Die Digitalisierungsvorreiter unter den Unternehmen entwickeln deshalb umfassende Datenstrategien, die mittels ihrer Front-Office-Services als ganzheitliche, messbare Kundenerlebnisse realisiert werden. Solche Prozesse beginnen mit Antworten auf Fragen wie diese:- Welche Marketing-, Sales- und After-Sales-Daten stehen dem Unternehmen in welcher Qualität zur Verfügung?- Mit welchen technologischen Tools kann ein Unternehmen seine Daten gezielt und aussagekräftig auswerten?- Welche kurz- bis langfristigen Ziele will das Unternehmen mit datenbasierten Erkenntnissen erreichen? – Welche datenbasierten Erkenntnisse braucht es dafür – und welche zusätzlichen Daten?- Wie wird IT- und Datensicherheit gewährleistet?- Bewältigen die aktuellen Mitarbeiter die Front-Office-Transformation effizient, muss das Unternehmen dafür weitere Mitarbeiter einstellen oder braucht es externe Unterstützung? Erst wenn die richtigen Antworten für eine gelingende Transformation gegeben und eine Datenstrategie festgelegt sind, können Front Offices das Verständnis für ihre Kunden maximieren und sie ins Zentrum ihrer unternehmerischen Prozesse stellen.Digitale Front Offices setzen auf Marketing-Automation-Software und Daten-Management-Plattformen. Diese ermöglichen beispielsweise Website-Nutzungsanalysen, personalisierte Marketing- und Vertriebsaktionen, Live-Chat-Funktionen, etwa mittels Chatbots, für den direkten Online-Dialog mit Website-Besuchern sowie Servicecenter-Leistungen. Dabei ist Omni-Channel-Kommunikation von größter Bedeutung. Denn Kunden wollen heutzutage über verschiedene Kommunikationsgeräte (Desktop-PC, Tablet, Smartphone) und Kommunikationskanäle erreicht werden. Messenger-Dienste wie Whatsapp, Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram oder Youtube gewinnen weiterhin an Bedeutung, gleichzeitig soll das Einkaufen in den physischen Stores zum Erlebnis werden. Dies gilt für B2C-Unternehmen genauso wie für B2B-Unternehmen. Kundeninteraktionen können in Echtzeit erfasst und ausgewertet, Kunden klassifiziert, segmentiert, aktiviert und die Customer Journey auf Basis der Datenanalysen permanent optimiert werden. Im Retail-Segment kann ein gelingender, über Online- und Offline-Kanäle hinweg holistischer Marketing- und Verkaufsprozess so aussehen: Eine junge Frau, die am Samstag zum Wandern mit Freunden verabredet ist, erinnert sich am Freitagmorgen daran, dass ihr eine passende Outdoorjacke fehlt. Auf dem Weg zur Arbeit wartet sie an einer Haltestelle auf ihren Bus, googelt währenddessen via Smartphone nach passenden Produkten, klickt auf Suchergebnisse und Werbebanner und schaut sich in Online-Shops um. Als ihr Bus kommt, unterbricht sie die Suche, steigt ein, setzt sich und loggt sich mit ihrem Smart­phone bei Facebook ein. Dort erscheinen nun ebenfalls Outdoorjacken, in Display-Bannern. Als Nächstes ruft sie ihre E-Mails ab und sieht auf der Login-Seite wiederum Werbung. Retargeting heißt dieses Verfahren, das unter anderem Webshop-Besucher auch in anderen Online-Umgebungen auf vorher von ihnen gesuchte Produkte aufmerksam macht. In der Mittagspause im Büro surft die Frau wieder in Online-Shops, schaut sich verschiedene Jackenmodelle an und vergleicht Preise. Hier kann etwa (Affiliate-)Marketing über provisionsvergütete Vertriebspartner einsetzen. Wenn die Interessentin zudem Ladengeschäfte in Büronähe angezeigt bekommt, die ihre favorisierten Outdoorjacken verkaufen, hat sie nach Feierabend einen kurzen Weg, um sie anzuprobieren und zu kaufen.Unternehmen, die ihre Digitalisierung zielgerichtet vorantreiben, verarbeiten mittels Marketing-Automation-Tools alle Informationen, die die Kundin bislang an den einzelnen Online-Touchpoints hinterlassen hat – um die Daten sogar offline zu nutzen. In diesem Fall weiß der Shop-Mitarbeiter, was die junge Frau sucht, die gerade das Geschäft betritt. “Nahtlos” kann er ihr passende Modelle und individuelle Rabatte präsentieren. Und er zeigt ihr die App der Hiking-Community, auf der der Hersteller lebenslange Reparaturen anbietet oder die Interessentin ihre Jacke nach einiger Zeit tauschen kann. Nachdem die junge Frau sich für ein Produkt entschieden hat, möchte sie bargeldlos via Smartphone zahlen. Auch das ist idealerweise möglich. In der Praxis tun sich viele Unternehmen schwer, eine ganzheitliche Customer Experience zu gestalten. Ein verbreiteter Grund dafür: Viel zu viele tasten sich über Investitionen in einzelne Tools und Abteilungen ans große Ziel heran. Häufig ist dies mit Misserfolgen verbunden, weil isolierte Digitalisierung und ganzheitliche Customer Experience ein Widerspruch sind. Erfolgreiche Front-Office-Transformation setzt kulturell unter anderem unternehmerischen Mut, bewusste Fehlertoleranz und Kooperationswillen voraus. Silodenken funktioniert da nicht mehr. Speziell für Marketingabteilungen hat PwC einen Digital Fitness Check entwickelt. Damit lassen sich die Bereiche identifizieren, die für eine erfolgreiche Marketingtransformation neu ausgerichtet werden sollten. Operativ braucht Front-Office-Transformation:- konsistente Customer-Relation­ship-Management-Strategien- unternehmensindividuell passende Software – gewissenhafte IT-Architektur-Analysen- professionelle Implementierungen kundenzentrischer Systeme in die bestehende IT-Landschaft mit hoher Schnittstellenkonnektivität- durchdachtes, integriertes Change­management – diszipliniertes ProjektmanagementLast, but not least sollten Unternehmen eine aussagekräftige Erfolgsmessung anhand von Key Performance Indicators (KPIs) etablieren. Doch gilt hier dasselbe wie bei den eingangs erwähnten Datenanalysen: Masse ist nicht gleich Klasse. Wir empfehlen unseren Kunden, sich zum Beispiel kampagnenspezifisch nur auf jene drei bis vier KPIs zu konzentrieren, die zu den übergeordneten Zielen passen. Solche Ziele können sein: – Aufmerksamkeit für ein Produkt oder einen Service schaffen, z. B. über Banner- oder Social-Media-Kampagnen – auf der Website neue Leads generieren, z. B. über Newsletter-Anmeldungen- den Abverkauf mittels personalisierter Angebote stärkenWenn Unternehmen im Rahmen ihrer Front-Office-Transformation auch Backend-Abläufe wie Lieferprozesse und Beanstandungsmanagement integrieren, werden sie den Erfolg ihrer Kundenzentrierung weiter erhöhen. Bei aller Kundendatenorientierung, die digitale Technologien ermöglichen, sollten Front-Office-Verantwortliche immer darauf achten, dass die Kreativität einen großen Einfluss behält. Daten sollen helfen, Konsumenten besser zu verstehen und die Customer Journey kreativer, umfassender und personalisierter zu gestalten, als es ohne die heute verfügbare Datenqualität möglich war. Unternehmen, die den Qualitätssprung schaffen, werden eine nachhaltige Kundenbindung erreichen – auch in Zeiten, in denen die Produkte verschiedener Wettbewerber austauschbar sind.