IM GESPRÄCH: MICHAEL STERZENBACH UND ANDREAS SCHMIDT

"Das wäre ein dramatischer Betriebsunfall"

Chefs des Bundesverbandes der Wertpapierfirmen und der Börse München kritisieren Nebenfolge der EU-Richtlinie Mifid II

"Das wäre ein dramatischer Betriebsunfall"

Von Michael Flämig, MünchenMonopole auf den Wertpapiermärkten sind Europa ein Dorn im Auge. Dementsprechend will die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Mifid II) unter anderem mehr Wettbewerb durchsetzen, zudem soll das Risiko eines Marktversagens durch zusätzliche Regeln minimiert werden. Die Wertpapierhändler an den deutschen Börsen allerdings fürchten, dass dabei unbeabsichtigt auch langjährig bewährte Marktmodelle gefährdet werden könnten. “Das wäre ein dramatischer Betriebsunfall”, sagte Michael Sterzenbach, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Wertpapierfirmen, der Börsen-Zeitung. Er sieht zwar den Willen der europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), unbeabsichtigte Nebenfolgen der Mifid-Vorschrift zu vermeiden. Doch die entsprechenden technischen Standards seien noch nicht erschienen.Im Kern geht es um eine Mifid-II-Vorschrift, die den algorithmischen Handel sogenannter De-facto- oder Schatten-Marketmaker zukünftig regulieren soll, damit deren Liquidität auch unter angespannten Marktbedingungen nicht abrupt verschwindet und die Volatilität dadurch zusätzlich erhöht wird. So zumindest will es die Mifid II in § 17, Absatz 3 ihres Regelwerks. “Dies ist eine grundsätzlich positive Regelung”, erklärte Sterzenbach. “Existenziell gefährdet”Ein ernstes Problem ergäbe sich jedoch, wenn aufgrund einer verfehlten Auslegung einer weiteren Mifid-Regelung (§ 48, Absatz 12) Handelsplätze zukünftig die Anzahl der Marketmaker pro Wertpapier generell nicht mehr begrenzen dürften – doch genau dies ist Usus an deutschen Regionalbörsen. “Wenn das Prinzip ,ein Marketmaker je Wertpapier` nicht mehr möglich wäre, würde diesen Marktmodellen die rechtliche und technische Grundlage entzogen”, betonte Sterzenbach. Denn Marketmaker würden eben nicht nur Kurse einer Aktie stellen, sondern auch wichtige Nebenfunktionen wie die Minimierung von Teilausführungen übernehmen. Die Schlussfolgerung von Sterzenbach: “Diese bewährten und von vielen Privatanlegern bevorzugten Marktmodelle wären existenziell gefährdet.”Andreas Schmidt, Geschäftsführer der Börse München, haut in die gleiche Kerbe. Es sei zwar richtig, dass in anderen Ländern über die Börse mit vollelektronischen Handelssystemen mehrere Spezialisten den Preis einer Aktie stellten und an deutschen Regionalbörsen wie in München nur ein Spezialist diese Quote errechne: “Aber in anderen Ländern gibt es eben viel weniger Handelsplätze.” Daher existiere in Deutschland verteilt über die Plätze sehr wohl ein Wettbewerb der Spezialisten: “Die Konkurrenz, die in London über vielleicht einige Marketmaker an einem Platz gemacht wird, verteilt sich bei uns auf die acht Börsenplätze.” Marge in GefahrFür Sterzenbach als Vertreter der Wertpapierfirmen ist damit klar, dass die Regelung die Falschen trifft. “Unsere Marktmodelle haben in der Finanzkrise bewiesen, dass sie auch unter schwierigsten Marktbedingungen einen stabilen Handel gewährleisten können.”Die Börse München kritisiert Mifid II in einem weiteren Punkt. “Die Börsen würden erhebliche Mehraufwendungen haben, sollten neue Tick-Size-Regimes eingeführt werden”, sagte Schmidt. Künftig könnte man die dritte oder vierte Nachkommastelle nicht nur in Abhängigkeit von der Nominalen, sondern auch von der Liquidität in einer Gattung errechnen müssen: “So soll die Aufsicht zusätzliche Eingreifmöglichkeiten haben.” Dabei sei unklar, ob der Gesamtmarkt oder nur der Markt am jeweiligen Handelsplatz gemessen werde. Schmidt lehnt diese Neuregelung ab: “Für uns ist eine untertägige, derart veränderlichen Vorgaben unterliegende Preisfeststellung völlig irrelevant, weil wir keine Hochfrequenzhändler haben.” Es würde die Börse München aber viel Geld kosten.Auch durch die Finanztransaktionssteuer befürchtet Schmidt negative Folgen für Marketmaker und Spezialisten. Wenn es für diese Gruppe keine Ausnahme geben sollte, dann breche ihre Marge weg: “Dies hätte gravierende Folgen.”