NOTIERT IN LONDON

Das Zen des Verkaufens

Die von der Deutschen Bank gesponserte Frieze Art Fair ist eine Verkaufsveranstaltung der besonderen Art. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist sie die Nummer 1 unter den "Pop-up-Messen" für moderne Kunst. Nicht umsonst findet sie in London statt. Hier...

Das Zen des Verkaufens

Die von der Deutschen Bank gesponserte Frieze Art Fair ist eine Verkaufsveranstaltung der besonderen Art. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist sie die Nummer 1 unter den “Pop-up-Messen” für moderne Kunst. Nicht umsonst findet sie in London statt. Hier ballt sich der für einen guten Geschmack erforderliche Wohlstand. Zudem ziehen sich Finanz- und Kunstgewerbe magisch an – zumindest seit zahlungskräftige Banker versuchen, es dem Bösewicht Gordon Gekko aus “Wall Street” nachzutun. Und so kamen Galleristen und Künstler auch in diesem Jahr zusammen und bauten ihre Produkte in einer neutralen Zeltlandschaft im Regent’s Park auf – wie Kfz-Händler auf einer Automesse oder Friedhofsgärtner auf einer Landesgartenschau.Das Angebot war bunt gemischt. Neben Dekoartikeln, die man so auch bei Ikea erwarten würde, wie die von Ken Kagami in Bronze getauchten Oreo-Kekse und Bilderserien, die allein Zahnarztpraxen Glanz verleihen könnten, fand sich auch große Kunst. Dazwischen gab es reichlich Altbekanntes, verkopfte Konzeptkunst und Zitate, etwa Annäherungen an René Magrittes “La trahison des images” wie etwa Oliver Beers Skulptur “Symmetrical Pipes”. Ein Bild der Serie Magrittes ist auch unter dem Titel “Dies ist keine Pfeife (Ceci n’est pas une pipe)” bekannt, denn diesen Satz hatte der belgische Surrealist unter das Bild einer Pfeife geschrieben. Wie wahr: Man kann sie nicht stopfen oder rauchen, denn sie ist ja nur ein Bild.Der Hedgefondsmanager David Einhorn benutzte das Bild Magrittes zur Illustration seiner Sicht der griechischen Staatsschuldenproblematik. Der Künstler hätte vermutlich gesagt: “Das ist kein Default”, schrieb er seinen Kunden. Man müsse nur versuchen, Forderungen aus Credit Default Swaps geltend zu machen, um das zu erkennen. Finanzakrobaten wie der Gründer von Greenlight Capital haben offenbar auch Spaß an Feinsinnigem. Schon John Maynard Keynes war ein begeisterter Kunstinvestor. Jim Chanos, der Gründer von Kynikos Associates, schmiss anlässlich der Frieze Art Fair ein Abendessen für 90 Gäste im Dorchester. Kunstereignisse boten zu allen Zeiten Gelegenheit zu intensivem Networking mit Angehörigen der politischen und wirtschaftlichen Elite. Nur dass heute statt der alten Meister moderne Künstler im Mittelpunkt des Interesses stehen. Rund vier Fünftel des Messepublikums kamen nur, um sich anzusehen, was zum Verkauf steht. Viele machten ihre Anwesenheit durch entsprechende Frisuren und auffällige Kleidung zum künstlerischen Statement. Aber gekauft wurde auch – und zwar wie schon lange nicht. Bei den Auktionen von Christie’s, Sotheby’s and Phillips wurden Bloomberg zufolge in der Messewoche 231,2 Mill. Pfund umgesetzt. Unter den Besuchern waren auch die Sängerin Beyonce Knowles und ihr Mann Jay-Z.Zu den Werken, für die am meisten bezahlt wurde, gehörte “Because I Can’t Have You I Want You” – in Formaldehyd eingelegte Fische von Damien Hirst. Sie gingen für 4 Mill. Pfund über den Tisch. Steve Cohen von SAC Capital Advisors hatte sich vor einem Jahrzehnt einen von Hirst eingelegten Tigerhai mit dem Titel “The Physical Impossibility of Death in the Mind of Someone Living” gesichert. Bereits als Student des Goldsmiths College of Art organisierte Hirst 1988 die Kunstmesse “Freeze” in den Londoner Docklands. Danach trieb er das Zen des Verkaufens zur Perfektion. Heute gilt er als reichster Künstler Großbritanniens, wenn nicht der ganzen Welt. Seine Lieblingsthemen Geld und Tod sind derzeit wieder gefragt. Was würde die wiedergefundene Aggressivität der Hedgefondsbranche schließlich besser widerspiegeln als das aufgerissene Maul des Hais mit seinen vielen scharfen Zahnreihen? Vielleicht findet sich ja auch ein neues Zuhause für “For the Love of God”, einen grinsenden Schädel, den Hirst mit Tausenden von lupenreinen Diamanten besetzt hat.In der britischen Metropole wurden auch zahlreiche Werke deutscher Künstler angeboten – von Anselm Kiefer über Gerhard Richter und Sigmar Polke bis hin zu Georg Baselitz. Richters “Netz” aus dem Jahr 1985 brachte 5,5 Mill. Pfund. Ein Baselitz von 2003 wurde für 1,3 Mill. Pfund versteigert. Vielleicht steht Kunst als Anlageform angesichts der Volatilität der Finanzmärkte ja vor einer Renaissance.