Daten und Analytics gewinnen an Bedeutung
Daten und Analytics gewinnen an Bedeutung
Börsen-Chef Weimer: Investoren legen zusehends Wert auf wiederkehrende Umsätze
fed Frankfurt
Für die Börsen weltweit wächst die Bedeutung des Geschäfts mit Daten und Analytics. Das hat der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse, Theodor Weimer, anlässlich eines Vortrags am Center für Financial Studies der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt unterstrichen. Weimer verwies auf den jüngsten Zukauf seines Hauses.
Die Deutsche Börse hat Ende Mai ein offizielles Übernahmeangebot für das dänische Finanzsoftwareunternehmen Simcorp im Volumen von 3,9 Mrd. Euro unterbreitet. Nach dem Deal werde der Anteil des Geschäfts mit Daten und Analytics, das regelmäßige Einnahmen aus Lizenzen sicherstelle, einen deutlich höheren Anteil an den Erlösen ausmachen als bisher, während der Anteil aus dem Trading-&-Clearing-Geschäft spürbar geringer werde.
Beispiel Nasdaq und Adenza
Weimer verwies zugleich auf die Konkurrenz. Die Nasdaq hat sich erst vor wenigen Tagen den Finanzsoftware-Anbieter Adenza geangelt – für mehr als 10 Mrd. Dollar. Die US-Technologiebörse lege damit für den Zukauf das 31-fache Ebitda auf den Tisch. Das zeige die Bedeutung, die auch die Nasdaq der Geschäftssparte beimesse.
Weimer berichtete, dass die Investoren von den Unternehmen, in die sie Geld steckten, gegenwärtig vor allem zwei Dinge erhoffen: Preisgestaltungsmacht in Zeiten der Inflation und wiederkehrende Umsätze. Und gerade diese wiederkehrenden Umsätze seien im Daten- und Analysegeschäft sehr gut erzielbar.
Weimer betonte die Wachstumsstärke der Deutschen Börse. Das Unternehmen wachse jährlich zweistellig – und zwar auch unterm Strich. Ein Teil des Wachstums entfalle auf die organische Entwicklung, der andere auf Zukäufe. Durch die Zinswende profitiere die Börse gegenwärtig wieder spürbar stärker im Nettozinsergebnis.
Seiner Überzeugung nach wäre der Marktwert der Deutschen Börse um einige Mrd. Euro höher, wenn sie nicht in Europa gelistet wäre, sondern in einer Weltregion mit einem tieferen Kapitalmarkt. Dieser „Europa-Abschlag“ sei ein struktureller Nachteil, der zuletzt ja auch beim Abschied des Gaseherstellers Lindes vom deutschen Kurszettel eine Rolle gespielt habe. Weimer bekräftigte in diesem Zusammenhang sein Plädoyer für Fortschritte bei der europäischen Kapitalmarktunion.
Zugleich äußerte er sich kritisch mit Blick auf die EU-Wettbewerbsaufsicht. Es gebe zahlreiche attraktive Assets, die der Deutschen Börse nicht zu kaufen erlaubt sei, weil Europas oberste Wettbewerbshüter in der EU-Kommission auf Basis ihrer Definitionen einzelner Märkte Vorbehalte äußerten.
Problematisch aus Sicht Weimers seien zudem die Erwartungen der Politik, die Börse könne in ihrer Rolle im Clearing und in der Zentralverwahrung die viele Hunderte Millionen Transaktionen überprüfen. Er verwies darauf, dass die Börse in Streitfällen um infolge von politischen Sanktionen eingefrorene Vermögenswerte in eine schwierige Situation geraten könne.
Der frühere Vorstandssprecher der HypoVereinsbank warf schließlich noch einen Blick auf den Zustand der Kreditwirtschaft. Das Bankensystem sei zwar stabiler als nach der Finanzkrise, meinte Weimer. Aber es wäre ein Fehler, zu unterschätzen, dass es auch heute noch fragil sei. „Krisen kommen um die Ecke, aus der man sie nicht erwartet.“
Daher sollte man nicht der Illusion erliegen, Banken hätten alle Risiken sicher im Griff – zumal in Zeiten, in denen allein durch die Sozialen Medien der Abzug von Geld im Moment der Verunsicherung erheblich beschleunigt worden ist. Das Vertrauen in Geld sei in den zurückliegenden Jahren geschwunden. Auch deshalb ist Weimer davon überzeugt, dass Kryptovermögenswerte nicht von der Bildfläche verschwinden werden.