Debatte um faule Forderungen stockt
Die Debatte um Mechanismen zum Abbau der faulen Forderungen in Europas Bankbilanzen kommt kaum voran. Wie sich auf einer Roundtable-Veranstaltung der EU-Kommission gezeigt hat, kursieren zwar diverse Ideen. Entweder aber fehlt es an Einigkeit oder ihrer Realisierung stehen andere Hürden entgegen.Von Bernd Neubacher, FrankfurtDer Weg zu einem europaweiten Mechanismus zum Abbau fauler Bankkredite ist noch lang und steinig. Wie ein von der EU-Kommission einberufener Roundtable Ende vergangener Woche gezeigt hat, werden diverse Ideen gewälzt. Ein einheitliches Konzept indes ist nicht erkennbar; den Beteiligten fällt es auch auf Grund ihrer verschiedenen Rollen schwer, eine Lösung zu finden.So ventiliert die europäische Bankenaufsicht zwar schon seit längerem die Vorzüge eines liquiden NPL-Sekundärmarktes für Euroland. In die Rolle des Betreibers allerdings will sie sich aus guten Gründen nicht drängen lassen. Die Banken wiederum äußern sich zwar voll des Lobes über diese Idee. Wollen sie sich aber tatsächlich von Non-Performing Loans (NPL) trennen, präferieren sie in der Regel noch immer Privatauktionen im vertrauten Kreis, damit nicht öffentlich wird, wie sie faule Kredite verkaufen. Jede Partei hat ihre Interessen.Um in der Debatte voranzukommen, hat die EU-Kommission in einem nicht offiziellen Dokument (Non-Paper) nun vorgeschlagen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) und die EU-Bankenbehörde EBA das Instrument des NPL-Sekundärmarktes in ihre Leitlinien zum aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) bzw. zum Umgang mit NPL aufnehmen und aufwerten. Damit könnte sie es etwa als bevorzugten Kanal zum Abbau fauler Kredite herausstellen, berichtet ein Teilnehmer des Roundtable mit Vertretern der Notenbank, der Pariser EU-Behörde und zahlreichen Repräsentanten des privaten Sektors. Beide Leitlinien haben Relevanz; so entscheidet das Ergebnis des SREP über die individuelle Kapitalanforderung an eine Bank. Die EBA reagiert reserviertDie EZB äußerte sich dazu am Donnerstag nicht, die EBA reagierte reserviert. Der Roundtable sei eine “Brainstorming Session” gewesen, um “mögliche weitere Maßnahmen zum Umgang mit NPL” zu eruieren, teilte sie auf Anfrage mit. Die EBA werde ihre Leitlinien nötigenfalls überprüfen, wie schon in der Vergangenheit aber liege ihr Fokus auf einer Verbesserung der Daten-Infrastruktur, der Verfügbarkeit von Daten und deren Qualität. “Da wird nicht viel kommen”, schwant bereits Jörg Keibel, dem stellvertretenden Vorsitzender der Vereinigung Deutsche Kreditmarkt-Standards e.V. (DKS), der sich bundesweite Prozess- und Vertragsvorgaben zum Ziel gesetzt hat. Im Markt wird der EBA bescheinigt, sich auf die von ihr propagierten Datenmasken zur Vereinheitlichung der Angaben zu NPL zu versteifen. Sie sollten weiter vorangetrieben werden, obwohl sie wegen eines zu hohen Detailgrads kaum Anklang fänden, heißt es. Die EBA konzentriere sich vor allem auf die Lage in Griechenland und Italien, dabei sei das NPL-Problem etwa in Spanien nicht weniger dringend, bemängelt DKS-Vize Keibel. In Hellas hatte eine lückenhafte Datenlage den Markt lange gebremst.Die schon 2017 von Andrea Enria, damals EBA-Chair und inzwischen Chef der europäischen Bankenaufsicht, aufgebrachte Idee einer europaweiten Bad Bank für NPL, ausgestattet mit Finanzspritzen der EU-Staaten, scheint derweil tot. “Die Idee einer europäischen Bad Bank wurde während des Roundtables mit keinem Wort erwähnt”, berichtet Timur Peters, Gründer und Chef der Frankfurter NPL-Sekundärmarkt-Plattform Debitos.Zu den Ideen, über die sich der Roundtable ausgetauscht hat, zählt nach Schilderungen von Teilnehmern des Weiteren eine europaweite Vernetzung der Bad Banks bzw. NPL-Plattformen auf nationaler Ebene: Das European Data Warehouse (ED), Lagerstätte für europäische Verbriefungen mit Sitz in Frankfurt, nähme in diesem Szenario eine ähnliche Funktion im Markt für NPL ein und könnte auf diese Weise für Transparenz im Markt sorgen. Ein entsprechender Umbau der Lagerstätte gilt allerdings als keineswegs trivial.Seit längerem steht auch ein Modell zur Debatte, in welchem eine europäische Non-Profit-Vereinigung die Einhaltung gemeinsamer Standards von auf nationalen Plattformen angebotenen Krediten überwacht. Auch dies wäre komplex, ist im Markt zu hören.Eine vierte Variante wären Verbriefungen von NPL, abseits von Sekundärmarkt-Plattformen. Mit der True-Sale-Initiative stünde dafür bundesweit schon ein Vehikel bereit, meint DKS-Vize Keibel. Mit Verbriefungen gingen indes relativ hohe Kosten einher.Nun sind erst einmal weitere Gespräche geplant. Dabei drängt durchaus die Zeit. Zwar haben Europas Banken in den vergangenen Jahren ihre NPL-Altlasten aus der Finanzkrise sukzessive abgebaut: Im Schlussquartal 2019 fiel der NPL-Anteil an den Forderungen von Europas Banken auf 3,3 %. In manchen Staaten der EU bewegt er sich aber nach wie vor auf alarmierend hohem Niveau (s. Grafik). Und angesichts der Corona-Pandemie ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Bestände wieder anschwellen werden. – Wertberichtigt Seite 8