Déjà-vu im Deutsche-Bank-Prozess
Von Joachim Herr, MünchenDer 20. Verhandlungstag im Deutsche-Bank-Prozess ist ein Sprung in die Vergangenheit. Friede Springer und Mathias Döpfner, der Vorstandschef des Medienkonzerns, kommen wieder als Zeugen. Wie schon im Mai 2012 im Zivilverfahren der Kirch-Erben gegen die Deutsche Bank vor dem Oberlandesgericht München. Die Staatsanwaltschaft setzte Ende August die beiden Springer-Größen auf eine lange Liste zusätzlicher Zeugen.Doch die Erinnerungslücken von Springer und Döpfner haben sich in den vergangenen dreieinhalb Jahren nicht geschlossen. Es geht um Ereignisse zwischen Sommer 2001 und Frühjahr 2002, den letzten Monaten bis zum Zusammenbruch des Medienhauses von Leo Kirch. Kirch hatte eine Beteiligung von 40 % an Springer, die der Deutschen Bank als Sicherheit für Kredite diente. Springer wiederum zog Anfang 2002 eine Option, um ein Paket mit ProSiebenSat.1-Aktien für rund 770 Mill. Euro an Kirch zu verkaufen. Das beschleunigte Kirchs Zahlungsunfähigkeit. Döpfner wundert sichFriede Springer (73) im beerenfarbenen Kostüm enttäuscht am Dienstag im Landgericht München ihre Fragesteller, den Vorsitzenden Richter Peter Noll und Staatsanwalt Florian Opper. Als Antworten wechseln sich während der Viertelstunde im Zeugenstand “ich weiß nichts Genaues” mit “ich weiß gar nichts mehr” ab. Noll spricht sie auf ein Treffen mit Kirch im Spätsommer 2002 in München an, meint aber das Jahr 2001. Da hatte Kirch angeboten, Friede Springer könne seine 40 % am Verlag zurückkaufen – “als er in Not war”. Am Geld sollte es nicht scheitern, Kirch vermittelte kurzerhand am Telefon ein Treffen mit Dieter Rampl, damals Vorstandschef der HypoVereinsbank. Springer fuhr hin, doch Rampl schüttelte den Kopf, wegen zu wenig Sicherheiten für eine Finanzierung.Anhaltspunkte dafür, dass die Deutsche Bank damals an einer Zerschlagung der Kirch-Gruppe interessiert gewesen wäre, liefert den Staatsanwälten auch Döpfner (52) nicht. Es gab ein Treffen mit Friede Springer, dem damaligen Bankchef Rolf Breuer und ihm in Berlin. “Ich wunderte mich, dass das Gespräch nur allgemeinen Charakter hatte”, berichtet Döpfner. Und was erzählte ihm Leo Kirch von Plänen der Deutschen Bank? “Er empörte sich”, sagt Döpfner. Am Münchner Flughafen habe Breuer Kirch vorgeschlagen, Teile des Konzerns zu verkaufen. “Das empfand Dr. Kirch als anmaßend.” Über Details habe er aber nicht gesprochen.Als Zeuge spricht auch Werner Schmidt, von 2001 bis 2008 Vorstandsvorsitzender der BayernLB. Er entlastet die vier angeklagten ehemaligen Vorstände der Deutschen Bank und Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen, erinnert sich aber an eine Sache nicht mehr. Das Fernsehinterview von Breuer im Februar 2002, das die Prozesslawine auslöste, sei für die BayernLB interessant gewesen, berichtet der 72-jährige Schmidt. “Es waren für uns aber keine Neuigkeiten.” Seit September 2001 habe er sich selbst mit dem “Problemfall” Kirch befasst – in Gesprächen mit Leo Kirch und dessen rechter Hand Dieter Hahn. Für die Landesbank standen 2 Mrd. Euro im Feuer. Schmidt erbarmt sichKirch kämpfte nach Schmidts Worten nicht nur mit Liquiditätsproblemen im Konzern. Die jüngsten Jahresabschlüsse hätten gefehlt. Am 14. Februar 2002 trafen sich Kirchs große Kreditgeber in Frankfurt, darunter die Deutsche Bank, die DZ Bank und die BayernLB. Schmidt konnte nicht teilnehmen. Seine Kalender aus dieser Zeit helfen seinem Gedächtnis auf die Sprünge.An diesem Tag im Jahr 2002 führte er ein Gespräch mit Kirch. “Er drängte mit Tränen in den Augen, 30 Millionen Euro zu bekommen”, berichtet der Zeuge. Kirch habe das Geld gebraucht, um Löhne und Gehälter zu zahlen. “Es war ein nicht schöner Termin.” Die Bank habe den Notkredit genehmigt, um Ruhe zu bekommen. Eine Restrukturierung der Kirch-Gruppe sei kein Thema gewesen. Schmidt erinnert sich: “Es ging nüchtern um Geld.”Das Gericht will zudem wissen, wer den Anstoß für die Frankfurter Bankenrunde gab. “Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob Herr Breuer oder ich das Treffen initiierte.” Schmidts damaliger Stellvertreter als Vorstandschef, Peter Kahn, hatte teilgenommen. Kahn sagte im Oktober als Zeuge aus, das Treffen sei auf Initiative von Schmidt zustande gekommen. Dieser habe in dieser Sache mit Breuer telefoniert und um die Begegnung gebeten. So hatte es Kahn schon als Zeuge im Zivilprozess im April 2012 geschildert.Im aktuellen Strafprozess setzen Oberstaatsanwältin Christiane Serini und die Verteidiger ihre Wortgefechte fort. Die Ankläger lesen einen Antrag vor, mit dem sie auf 90 Seiten weitere Beweismittel in das Verfahren bringen wollen. Nach den ersten 25 Seiten, vorgetragen in einer Stunde, platzt Werner Leitner, dem Anwalt der Deutschen Bank, der Kragen: “Das hat mit einem Beweisantrag nichts zu tun.” Die Staatsanwaltschaft missbrauche seine Zeit für “ein Plädoyer unter der Flagge eines Beweisantrags”. Ackermann schämt sichNoll versucht zu schlichten, kann sich eine Spitze gegen die Ankläger aber nicht verkneifen: “Ich will nicht Öl ins Feuer gießen, aber der Umfang der Ausführungen erschließt sich mir nicht ganz.” In der Pause lässt sich ein genervter Josef Ackermann vor den Presseplätzen zu einer Bemerkung hinreißen, die Berichterstatter später so wiedergeben: “Ich schäme mich für die Rechtsstaatlichkeit Deutschlands.”