Dem Bankensektor steht eine Magerkur bevor

Spitzenvertreter erwarten weitere Kostensenkungsmaßnahmen - Regulierung und Staatsschuldenkrise drücken aufs Geschäft

Dem Bankensektor steht eine Magerkur bevor

Die anhaltende Staatsschuldenkrise und die damit einhergehende Niedrigzinsphase bergen große Risiken für die Banken. Branchenvertreter wie Martin Blessing, Chef der Commerzbank, und Wolfgang Kirsch, Vorstandsvorsitzender der DZ Bank, gehen davon aus, dass das Thema Kostensenkung künftig Priorität haben wird.jur Frankfurt – Führende Branchenvertreter stimmen die Mitarbeiter von Banken auf Kostensenkungsmaßnahmen ein. “Das Thema Kosteneinsparung und kontinuierliche Prozessverbesserung wird in der Bankenbranche nochmals an Bedeutung gewinnen”, prophezeite Commerzbank-Chef Martin Blessing am Mittwoch auf der Konferenz “Banken im Umbruch” in Frankfurt. Ins gleiche Horn stößt DZ Bank-Chef Wolfgang Kirsch: “Die Niedrigzinsphase hat große Auswirkungen auf das Geschäftsmodell von Banken.” Wenn es noch drei bis sechs Jahre so weitergehen sollte, dann “werden wir Situationen erleben, die wir bisher so noch nicht gesehen haben”. Die wesentliche Stellschraube bei den Kreditinstituten sei da die Kostenseite, argumentiert er. Für den genossenschaftlichen Bankensektor impliziere dieser Prozess auch eine geringere Anzahl von Filialen und selbständigen Instituten. “Das ist ein bereits lang anhaltender Trend, der sich in den letzten Jahren nur etwas verlangsamt hat”, erläutert Kirsch.Und auch Theodor Weimer, Vorstandssprecher der HypoVereinsbank, konstatiert: “Die Zeit der Übergewinne bei Banken ist vorbei.” Vielmehr sei nun die spannende Frage, ob sich künftig noch genug Investoren finden würden, die ihr Geld in Banken mit einer geringeren Rendite und “hoffentlich auch einem geringeren Risiko” steckten. Der Knackpunkt Finanzierung zeige sich auch im länderübergreifenden Geschäft. “Der Sitz der Muttergesellschaft und nicht die Bonität wird zum Haupterfolgsfaktor”, glaubt Weimer. Er selbst befinde sich in der “abstrusen Situation”, dass die deutsche HypoVereinsbank jede Nacht Gelder bei der EZB anlege und gleichzeitig die italienische Mutter Unicredit zur Refinanzierung am Tender der EZB teilnehme. Der Finanzierungstransfer von Deutschland nach Italien sei de facto nicht mehr möglich, so Weimer. Darauf richte sich die Unicredit insofern ein, als sie die Banktätigkeiten nunmehr regional ausrichte.Doch stehen nicht nur die Banken in Sachen Finanzierung vor Herausforderungen, Gleiches droht auch der Realwirtschaft. “Langfristige Kredite mit schwankender Kreditqualität werden stark zurückgefahren”, erwartet etwa Blessing als Reaktion der Kreditwirtschaft auf die laufenden Regulierungsvorhaben und die Euro-Staatsschuldenkrise. “Das Risiko, dass sich im Abschwung die notwendige Eigenkapitalunterlegung für einen bereits ausgereichten Kredit stark erhöht, wird die Zurückhaltung der Banken erhöhen”, erwartet der Commerzbank-Chef.All dies lasse künftig seiner Meinung nach nur mehr zwei Geschäftsmodelle zu: “Entweder die Bank konzentriert sich auf das kurz- und mittelfristige Kreditgeschäft; denn hier kann sie das Kreditvolumen schneller und besser steuern. Oder sie geht langfristige Kreditrisiken eher über den Bondmarkt ein, weil sie in diesem Markt die Kredite bei Anstieg der regulatorischen Eigenkapital-Unterlegung verkaufen kann.” Den Kapitalmarkt verstärkt einzubinden, das erscheint auch Frédéric Oudéa, CEO der Société Générale, als die richtige Lösung. “Wir müssen uns mehr dem amerikanischen Modell annähern”, fordert er. In den USA liefen nur etwa 22 % der gesamten Refinanzierung über Banken, in der Eurozone liege dieser Wert noch bei mehr als 60 %. Dieser Prozess werde sich nicht von heute auf morgen vollziehen, so der Franzose, allerdings müsse man dieser Entwicklung, die von Basel III beschleunigt werde, ins Auge sehen.Eine Bankenunion, wie sie derzeit auf EU-Ebene festgezurrt wird, hält Oudéa für wichtig und richtig, um das Vertrauen in die Finanzbranche wieder aufzubauen. “In Frankreich wird darüber auch gar nicht diskutiert”, spielt er auf die unterschiedlichen Ansichten zu diesem Thema in der deutschen Kreditwirtschaft an. Die privaten Banken hierzulande sprechen sich für eine gemeinsame Aufsicht für alle Institute in Europa aus, die öffentlich-rechtlichen setzten sich für Differenzierung ein. Commerzbank-Chef Blessing plädiert für ein einheitliches Regime, das klar definierte Durchgriffsrechte haben solle. “Schließlich sind auch Sparkassen systemrelevant – insbesondere im Haftungsverbund mit Landesbanken. Das haben wir in NRW gesehen.” Boni-Vorgaben gewünschtAuch wehrt sich Blessing nicht generell gegen die Regulierung weiterer Teile des Finanzmarktes. So könne sich die Bankenbranche etwa in Sachen Boni “nicht selbst regulieren”. “Denn diejenigen, die sich hier freiwillig zuerst bewegen, werden tendenziell verlieren. Und zwar ganz konkret ihre besten Mitarbeiter-Teams.” Zudem erachte er es als sinnvoll, das in Teilen “übertrieben hohe Gehaltsniveau” in der Branche weltweit dem der Industrie wieder anzunähern. Langfristige Daten aus den USA belegten deutlich den Zusammenhang zwischen Deregulierung und hohen Gehältern in der Finanzbranche im Vergleich zur Gesamtwirtschaft (siehe Grafik). Das Zurückdrehen der Vergütungsniveaus hätte auch einen weiteren Vorteil: “Ich könnte mir vorstellen, dass dann die Rufe nach immer neuen Regulierungsmaßnahmen abebben werden”, sagt Blessing.